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Gesundheit: Erste Hilfe für die Seele

Jeder dritte Notarzt-Einsatz bei psychischem Ausnahmezustand

Nicht nur Herzinfarkte oder Stürze, sondern auch akute Suizidgefahr oder schwere Erregungszustände sind oft ein Grund, den Notarzt zu rufen. Psychiatrische Notfälle sind heute, wie eine Hamburger Erhebung ergab, die dritthäufigste Ursache für solche Einsätze. Nehmen psychische Erkrankungen insgesamt zu? Diese Frage lässt sich nach Ansicht von Max Schmauß, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), nur für die Depression eindeutig mit Ja beantworten. Zugenommen haben aber ganz sicher die Teilnehmerzahlen des Kongresses der DGPPN, die sich vor einigen Jahren entschied, statt im Zweijahresrhythmus an verschiedenen Orten nun jährlich und immer in Berlin zu tagen. Diesmal werden 2000 Teilnehmer erwartet.

Der wachsende Fortbildungsdrang hat nicht zuletzt mit den großen Fortschritten zu tun, die neurobiologische Erkenntnisse in den letzten Jahren gebracht haben. „Wir haben einige Gene identifiziert, die das Risiko für schwere psychiatrische Erkrankungen erhöhen“, sagte Peter Falkai von der Uni Homburg/Saar. Nun komme es darauf an, ihr Zusammenspiel mit Lebensstil und Umweltfaktoren zu untersuchen. So haben Migranten fern der Heimat ein achtfach erhöhtes Erkrankungsrisiko. „Wir haben jetzt die Voraussetzungen dafür, den Anteil der Gene und der psychosozialen Faktoren sauberer herauszuarbeiten.“

Ein Beispiel sind psychiatrische Probleme nach dem Konsum von Drogen. Tierversuche hatten in den letzten Jahren schon gezeigt, dass Ecstasy Nervenzellen schädigen kann, die an der Steuerung des Botenstoffes Serotonin beteiligt sind. Jetzt hat eine Hamburger Studie mit Jugendlichen alarmierende Ergebnisse erbracht: Ein Viertel der EcstasyKonsumenten hatte psychotische Störungen wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Auch die Konzentration und das Gedächtnis litten.

Anandamid, einer der wichtigen Botenstoffe des körpereigenen Cannabinoid-Systems, ist bei unbehandelten Patienten um das Achtfache erhöht. Inzwischen sind Varianten von Genen identifiziert worden, die das Schizophrenie-Risiko erhöhen. Kiffen kann für Träger dieser Varianten gefährlich werden. „Anandamid könnte als biologischer Marker dienen, mit dem wir Jugendliche identifizieren, die vor Cannabis-Konsum gewarnt werden müssen“, sagt Mathias Berger von der Uni Freiburg.

Ein weiterer Schwerpunkt des Kongresses sind posttraumatische Stresserkrankungen. Nach dem 11. September sind sie noch weiter ins öffentliche Bewusstsein gerückt, und sie sind gut behandelbar. Doch nicht jeder braucht therapeutischen Beistand. „Wir müssen jetzt genauer herausfinden, wer wirklich Hilfe braucht“, so Berger. Auch auf diesem Gebiet könnten Unterschiede in der Veranlagung zählen. aml

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