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Gesundheit: Freie Universität: Neue Runde: Papiertiger gegen Langzeitstudenten

Der Wissenschaftsrat wurde bei seinem jüngsten Vergleich über die Länge der Studienzeiten so deutlich wie nie zuvor. Er lobte die Universitäten im Osten und in Bayern, weil sie die kürzeste Studiendauer aufweisen und den Beweis antreten, dass Regelstudienzeiten von neun oder zehn Semestern kein utopisches Ziel sind.

Der Wissenschaftsrat wurde bei seinem jüngsten Vergleich über die Länge der Studienzeiten so deutlich wie nie zuvor. Er lobte die Universitäten im Osten und in Bayern, weil sie die kürzeste Studiendauer aufweisen und den Beweis antreten, dass Regelstudienzeiten von neun oder zehn Semestern kein utopisches Ziel sind. Berlin wurde vom Wissenschaftsrat wegen besonders langer Studienzeiten und uneffektiver Studienorganisation kritisiert. Lange haben sich die Berliner Universitäten mit dem Argument herausgeredet, die Situation einer Großstadt biete zu viele Ablenkungen vom Studium. Das Argument zieht jedoch nicht mehr, weil ähnlich attraktive Großstädte wie München, Dresden und Leipzig wesentlich kürzere Studienzeiten aufzuweisen haben als Berlin.

Die Freie Universität hat ein besonderes Problem: Viele ihrer Magisterstudiengänge in den Geisteswissenschaften dauern bis zu fünf Semester länger als an den Universitäten mit den kürzesten Studienzeiten. In der Lehrerbildung ist es ähnlich, aber da kommt erschwerend die umständliche Prüfungsorganisation im Staatsexamen hinzu. Die FU muss viel tun, um die Studienorganisation und die Lehre zu verbessern. Präsident Peter Gaehtgens nennt die Probleme beim Namen: "Es bedarf einer Klimaveränderung bei den Studenten und Dozenten, damit künftig das Studium anders abläuft als bisher." Gaehtgens wünscht sich vor allem eins - einen Einstellungswandel gegenüber den Lehr- und Prüfungsaufgaben. "Die Lehre muss als wesentliche Aufgabe innerhalb der Universität angesehen werden."

Die Freie Universität will durch zwei neue Satzungen, der für Studienangelegenheiten und der für Prüfungen, die programmatischen Ankündigungen ihres Präsidenten verbindlich machen. Das wird schwierig. Sobald die Universität den Druck auf die Studenten erhöhen will, ruft sie Proteste hervor. Mit dem Menetekel von Zwangsexmatrikulation oder Studiengebühren haben Studentenvertreter zu allen Zeiten den Widerstand mobilisiert.

Als sich jetzt nach zwei Sitzungen des Akademischen Senats abzeichnet, dass eine Mehrheit dieses zentralen Entscheidungsgremiums zu dem letzten Mittel der Zwangsexmatrikulation greifen will, war der Sitzungsraum voller protestierender Studenten. Ihre Vertreter legten ein Gruppenveto ein. Nun muss der Akademische Senat in der Ferienzeit erneut über diese Satzungsänderung entscheiden.

Dabei hat die FU-Leitung schon die Drohung mit der Zwangsexmatrikulation so vorsichtig formuliert, dass man zu dem Schluss kommen kann: Die Zwangsexmatrikulation bleibt auch künftig ein Papiertiger, weil lange Karenzzeiten gewährt werden. Und die Studenten können ihre privaten Umstände geltend machen, die sie an einem z

ügigen Studium hindern. So kommentierte denn auch das Senatsmitglied Professor Gerd Hoff, es handele sich nur "um eine sehr kleine Gruppe von Studenten", die als "Bummelanten" künftig von einer Zwangsexmatrikulation betroffen seien.

FU-Vizepräsidentin Gisela Klann-Delius lockte mit dem Argument: Die Studenten klagten über zu wenig Beratung. Jetzt werde als wesentliches Instrument eine Beratung eingeführt, "die nicht folgenlos bleibt, sondern sehr konkret sein wird. Unverbindliche Beratungen sind Scheinberatungen und für die Katz." Professor Klaus Hempfer von der Liberalen Aktion stieß ins das gleiche Horn und verwies auf das Beispiel anderer Länder: Wer sich in Bayern nicht im 13. Semester zum Magisterexamen gemeldet hat, ist automatisch durchgefallen. Baden-Württemberg erhebt von den Langzeitstudenten Studiengebühren. Die FU müsse endlich handeln, denn sie stehe in Konkurrenz zu anderen Universitäten.

Die Studentenvertreter hielten dagegen: Andere Länder schafften es, die Studienzeiten ohne Zwangsexmatrikulation zu verkürzen. Warum sei die Freie Universität dazu nicht in der Lage? Die Studenten seien grundsätzlioh gegen die Zwangsexmatrikulation. Auch die jetzt in der neuen Satzung vorgesehenen schwächeren Formulierungen "halten wir nicht für eine gute Lösung".

Die Freie Universität will eine Studienreform und nicht nur die bloße Drohung mit der Zwangsexmatrikulation. Die neuen Hochschulverträge zwingen sie zu einer Verkürzung der überlangen Studienzeiten, um wenigstens auf den Bundesdurchschnitt zu kommen. Die Verträge erzwingen außerdem weitreichende Reformen wie eine Neueinteilung des Studiums in Module. Dabei kommt es gleichzeitig zu einer Aufwertung von studienbegleitenden Prüfungen und der Entlastung der großen Abschlussprüfung. Künftig wird jeder Studiengang, ob er mit den herkömmlichen Diplom- oder dem Magisterexamen abschließt oder mit dem Bachelor und Master, in feste Abschnitte eingeteilt. Für jedes Modul werden Punkte vergeben. In jedem Semester müssen die Studenten künftig Prüfungen absolvieren, damit sie die Leistungspunkte erhalten.

Ständige Leistungskontrollen

Von den Studenten wird verlangt, dass sie regelmäßig an den Lehrveranstaltungen und den Leistungskontrollen teilnehmen. "Eine regelmäßige Teilnahme liegt vor, wenn mindestens 85 Prozent der angebotenen Stunden besucht wurden." Werden Leistungskontrollen versäumt, wird das mit "nicht ausreichend" bewertet.

Maßgeblich für die Bewertung ist das Europäische "Credit Transfer System (ETCS), das generell in der Freien Universität gelten soll. 180 Kreditpunkte muss ein Student vorweisen, wenn er den Abschluss im Bachelorstudium erreichen will. Das sind 30 Leistungspunkte in einem Semester. Diese Anforderung läuft auf etwa 60 Stunden Studienarbeit pro Woche hinaus. Aber in diese 60 Stunden ist alles einzurechnen: die Vorlesungszeit wie die Semesterferien. Rechnet man die Semesterferien dazu, kommt man auf eine durchschnittliche Wochenbelastung von 45 Stunden.

Die neue Satzung für Allgemeine Prüfungsangelegenheiten sieht außerdem vor: Studenten, die in zwei aufeinander folgenden Semestern insgesamt weniger als 30 Leistungspunkte erreichen, erhalten zwei Maluspunkte (das sind Negativpunkte). Teilzeitstudenten, die weniger als 15 Leistungspunkte in zwei aufeinanderfolgenden Semestern erreichen, müssen sich das als Nachteil anrechnen lassen. Aber Maluspunkte werden nur vergeben, wenn Studenten nachweislich selbstverschuldet zu diesen schwachen Leistungen gekommen sind. Wie viele Maluspunkte in einem Studiengang zulässig sind, muss in den Prüfungsordnungen der Fächer gesondert geregelt werden. Ein Student, der in einer Studien- und Prüfungsleistung nur den Grad "F" erreicht, was "nicht ausreichend" bedeutet, kann nur einmal die Prüfung zu Beginn des folgenden Semesters wiederholen. Erreicht er dann nicht eine bessere Bewertung, wird jede weitere Wiederholung mit einem Maluspunkt versehen. Irgendwann ergeben viele Maluspunkte ein Scheitern.

Nach dem künftig gültigen Europäischen Creditpoint System wird die Prüfung nicht mehr mit Ziffernoten versehen, sondern wie in den Vereinigten Staaten mit Buchstaben: "A" gilt für hervorragend und entspricht einer Gesamtnote von 1,0 bis 1,2. "B" gilt als "sehr gut" und entspricht der Ziffernnote 1,3 bis 1,5. "C" wird mit "gut" ausgegeben und entspricht den Noten 1,6 bis 2,5. "D" ist "befriedigend" und bedeutet in Ziffern 2,6 bis 3,5. "E" wird mit "ausreichend" umschrieben und entspricht den Noten 3,6 bis 4,0. "Nicht ausreichend" ist "F" - das sind die Noten 4,1 bis 5,0. Von den Professoren der FU wird die Neuerung nicht einhellig begrüßt. Bedenkenträger meinen: Ohne ein gutes Computersystem mit entsprechender Software seien die studienbegleitenden Prüfungen nicht zu organisieren.

Uwe Schlicht

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