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Gesundheit: Fruchtbare Forschung

Fortpflanzungsmediziner entdecken, dass Eizellen bei Säugetieren erneuert werden können

Weibliche Säugetiere werden mit einem festen Vorrat an Eizellen geboren, der im Lauf der Zeit drastisch abnimmt, bis er mit Eintritt der Wechseljahre erschöpft ist. So lautet eine unumstößlich scheinende Regel der Biologie. „Bringt es denn einen Vorteil, alles schon bei der Geburt in einen Korb zu füllen?“, fragte sich vor einiger Zeit der amerikanische Mediziner Jonathan Tilly. Der Forscher von der Havard Medical School wirkt ganz so, als könne er es mit einem Dogma aufnehmen.

Tilly und seine Arbeitsgruppe zählten die Eibläschen in den Eierstöcken von Mäusen in verschiedenen Phasen und fanden die erwartete Abnahme im Verlauf des weiblichen Mäuselebens. Allerdings war der Rückgang weit weniger spektakulär, als die Anzahl der absterbenden Eizellen erwarten ließ. „Es muss bei den Eizellen auch Erneuerung geben“, folgerte der Forscher jetzt bei einem Vortrag anlässlich des 20. Treffens der Europäischen Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie in Berlin. Schon im März hatte die Publikation der Forschungsergebnisse in der Zeitschrift „Nature“ Aufsehen erregt.

Die Hinweise auf die Existenz von Stammzellen, die im Lauf des Lebens für eine Aufbesserung des Eizell-Vorrats sorgen könnten, sind bestechend. So fanden die Wissenschaftler in den Eierstöcken der Mäuse Zellen, die sich häufig teilen und Ähnlichkeit mit Stammzellen aufweisen. Wenn die weiblichen Mäuse das Krebsmedikament Busulfan erhielten, erlosch die Funktion ihrer Eierstöcke. Das Mittel wirkt als Zellgift, und von Mäuserichen weiß man, dass es ihre Stammzellen tötet. Also, so vermuten die Forscher, gibt es die Stammzellen auch bei den Weibchen. Tilly sucht darüber hinaus nach Genen, die die Kapazität der Keimzellen regulieren und nach Substanzen, die hier eingreifen könnten. „Vielleicht können wir damit eines Tages Krebspatientinnen oder Frauen mit spätem Kinderwunsch helfen“, sagte Tilly.

Kinderwunsch – das war das zentrale Thema des Kongresses. Die europäischen Experten tauschten sich über Techniken aus, mit denen sich die Erfolgsraten der medizinisch assistierten Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation, IVF, und Intracytoplasmatische Spermieninjektion, ICSI) verbessern lassen. Ein Anliegen ist es, weniger Mehrlingsschwangerschaften entstehen zu lassen, die für Mutter und Kind riskant sind. Denn um die Erfolgschancen zu erhöhen, werden während eines Zyklus mehrere der Eizellen befruchtet, die aufwendig gewonnen wurden.

Schwedische Forscher konnten nun in einer Studie an 661 Frauen zeigen, dass die Übertragung nur eines Embryos pro Zyklus vergleichbare Schwangerschaftsraten zur Folge hatte wie die von zwei Embryonen. Dabei wurde allerdings etwas getan, was in Deutschland heute nicht möglich ist: Die nicht gleich eingepflanzten befruchteten Eizellen wurden eingefroren und kamen beim nächsten Behandlungszyklus zum Einsatz. Das deutsche Embryonenschutzgesetz erlaubt nur das Befruchten von höchstens drei Eizellen pro Zyklus und das Einfrieren von Eizellen im Vorkernstadium, kurz vor der endgültigen Vereinigung von Ei- und Samenzelle.

Auch Methoden zur Begutachtung und Auswahl der befruchteten Eizellen, die ebenfalls die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung erhöhen, sind hierzulande verboten. „Das Ärgerlichste ist, dass wir bei der Mehrlingsrate und auch bei den Erfolgsraten in Deutschland nicht weiterkommen, weil wir nicht aus einer Vielzahl von Embryonen den besten auswählen können“, sagte Kongress-Präsident Heribert Kentenich, Leiter der DRK-Frauenklinik und des Fertility Center Berlin, dem Tagesspiegel.

Kritik übte er auch am strikten Verbot der Präimplantationsdiagnostik, PID, des Genchecks am frühen Embryo. Die Psychologin Ada Borkenhagen von der Berliner Charité stellte eine Studie vor, nach der eine große Mehrheit den Einsatz der Präimplantationsdiagnostik befürwortet: 80 Prozent von über 2000 Befragten aus der Allgemeinbevölkerung und 97 Prozent von 200 unfruchtbaren Paaren sind dafür, das Verfahren zur Feststellung genetischer Defekte von Embryonen zuzulassen.

Adelheid Müller-Lissner

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