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Gesundheit: Geld und "Kannibalisierung"

Der Präsident der Kultusministerkonferenz warnt vor ReformfeindlichkeitUwe Schlicht Die Auseinandersetzung um die große Hochschulreform in Deutschland nimmt immer schärfere Formen an. Bei der Frage, wie die Hochschulen für den Wettbewerb geöffnet werden können, stehen zwei Probleme im Mittelpunkt: Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen und die große Dienstrechts- und Besoldungsreform vor allem für die Professoren.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz warnt vor ReformfeindlichkeitUwe Schlicht

Die Auseinandersetzung um die große Hochschulreform in Deutschland nimmt immer schärfere Formen an. Bei der Frage, wie die Hochschulen für den Wettbewerb geöffnet werden können, stehen zwei Probleme im Mittelpunkt: Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen und die große Dienstrechts- und Besoldungsreform vor allem für die Professoren. Bachelor und Master sollen helfen, die exorbitant langen Qualifikationszeiten in Deutschland zu verkürzen. Bisher gelten folgende Zeiten: erster Hochschulabschluss mit 28 Jahren, mit 32 Jahren promoviert und mit 40 die Erstberufung auf eine Professur. Das ist im internationalen Vergleich zu lang. Politiker in Bund und Ländern sowie der Wissenschaftsrat bereiten daher eine radikale Verkürzung der Zeiten vor: drei Jahre Bachelor-Studium, zwei Jahre Masterstudium, drei Jahre für die Promotion. Wer diese Zeiten einhält, kann mit 23 oder 25 Jahren in den Beruf gehen oder ist mit 28 promoviert. Die Erstberufung zum Profesor wird dann mit 35 Jahren möglich. Das Opfer ist groß und kommt einer Revolution gleich: Der Wissenschaftsrat meint, dass dieser neue Rhythmus nur durchzusetzen ist, wenn langfristig die deutschen Magister- und Diplomstudiengänge aufgegeben werden.

Rütteln an Professorenprivilegien

Die zweite umstrittene Reform rüttelt an den Professorenprivilegien. Der Professor soll seine Gehaltssteigerung nicht mehr regelmäßig nach dem Dienstalter ersitzen, sondern sich durch besondere Leistungen in Lehre und Forschung Zuschläge verdienen. Dass diese Zuschläge auf Zeit vergeben werden, schmeckt den Interessenvertretern der Professoren, dem Hochschulverband und den Fakultätentagen, gar nicht. Sie wollen auch nicht die Dekane oder Rektoren über die Leistungszuschläge entscheiden lassen. Und dass sich das künftige Grundgehalt nicht an der höchsten Gehaltsstufe für Professoren orientieren kann, weil die Reform kostenneutral umgesetzt werden soll, ist den Interessenvertretern ein Dorn im Auge. Von "Schäden für die deutsche universitäre Forschung und Lehre" ist die Rede.

Die Fakultätentage haben sich daher in einem Brief an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz der Länder gewandt und erklärt, sie fühlten sich nicht mehr durch die Hochschulrektorenkonferenz "angemessen repräsentiert", weil diese hinter den Reformideen stehe. Jetzt hat der Präsident der Kultusministerkonferenz, Hans Joachim Meyer, den Fakultätentagen geantwortet. Besonders anstößig empfindet er die öffentliche Warnung der Fakultätentage vor einer "Kannibalisierung" der Diplomstudiengänge durch die Einführung von Bachelor und Master. Der KMK-Präsident wörtlich: Leider müsse er befürchten, dass "auch die Arbeitsgemeinschaft der Fakultätentage in der Öffentlichkeit zu dem Eindruck beiträgt, in der Hochschulreform gebe es nur den Gegensatz zwischen radikalem Bruch und verteidigender Unbeweglichkeit". Wichtiger wäre es gewesen, wenn von der Arbeitsgemeinschaft der Fakultätentage ein konstruktiver Beitrag gekommen wäre.

Die Formulierung, dass die Diplomstudiengänge "kannibalisiert" werden könnten, sei genauso wenig hilfreich wie die von anderen vertretene Auffassung, die deutschen Hochschulen erhielten erst durch die so genannten Bachelor- und Masterstudiengänge internationales Niveau.

Diese Aussage verdeutlicht die gemäßigte Haltung des KMK-Präsidenten: Er kämpft zugleich gegen die reinen Neinsager der "Kannibalisierung" wie gegen die übereifrigen Reformer, die in Bachelor und Master das Heil allen Übels sehen. In Wirklichkeit geht es Meyer um folgende Probleme: Das deutsche Diplom ist in seiner internationalen Akzeptanz und Wertschätzung dadurch gefährdet, dass es in der zunehmend englischsprachigen Welt nicht frei von Irrtümern übersetzt werden kann. Häufig würden deutsche Diplomzeugnisse unterhalb der Hochschulbildung oder als erster Grad wie der Bachelor angesiedelt. Daher wäre es sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für den internationalen Studentenaustausch nützlich, wenn an deutschen Hochschulen eine Gliederung in zwei aufeinander folgende Studiengänge eingeführt werde. Als solche Gliederung empfiehlt Meyer einen Baccalaureusstudiengang (Bachelor) und einen Magisterstudium (Master). Jedoch ist es mit dieser Gliederung nicht getan. Erst wenn die Absolventen mit einem Baccalaureusgrad (Bachelor) auch auf dem Arbeitsmarkt Chancen erhalten, ist für Meyer die Reform abgesichert. Diese Einwände, fährt Meyer fort, dürften jedoch keinesfalls als Ausflucht dienen, "jetzt ein solches Reformprojekt nicht entschlossen in Angriff zu nehmen. Dabei denke ich nicht an eine flächendeckene Umstellung der deutschen Studiengänge."

Kein Bruch mit Traditionen

Mit dieser Aussage setzt sich der KMK-Präsident zugleich von den weiter reichenden Vorschlägen des Wissenschaftsrats ab. Meyer ist ein Gegner der Idee, dass die deutschen Universitäten ihre akademische Tradition abbrechen und künftig nur englischsprachige Grade verleihen. "Denn damit würden sie sich symbolisch als Kopien charakterisieren und ständig gegen den Verdacht der Zweitrangigkeit ankämpfen müssen."

Auf der anderen Seite ist Meyer ein entschiedener Befürworter der Besoldungsreform für die Professoren. Er wirft den Fakultätentagen vor, dass sie an der bisherigen Besoldung der Professoren nach Dienstjahren festhalten wollten." Mit der Ablehnung einer Reform hin zu mehr Leistungsanreiz und Leistungsgerechtigkeit sind Sie zugleich gegen jeden ernsthaften Versuch, die akademische Autonomie als Verantwortungsgemeinschaft aller Hochschulmitglieder zu entwickeln und auf dieser Grundlage die Eigenverantwortung und Handlungsfähigkeit der Hochschulen zu stärken", schreibt der KMK-Präsident. Statt die Hochschulen zu stärken, wollten die Fakultätentage daran festhalten, die Autonomie "ausschließlich als Ausdruck des Individualrechts auf Wissenschaftsfreiheit" zu betrachten.

Damit greift der KMK-Präsident eine Kritik auf, die auch Verfassungsjuristen beschäftigt: Immer noch verstehen viele Professoren ihr Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit nur als persönliches Abwehrrecht gegen Eingriffe Dritter. Das Recht auf Wissenschaftsfreiheit steht aber auch der Hochschule und ihren Fakultäten zu, wenn es darum geht, dass die Dekane Professoren Anweisungen erteilen oder über Leistungszuschläge mitentscheiden dürfen.

Meyers, Resümee: Mit den Vorstellungender Arbeitsgemeinschaft der Fakultätentage "hat die deutsche Universität keine Zukunftschance... Ich kann es mit dem Geiste der akademischen Selbstverwaltung nicht in Einklang bringen, wenn Sie Universitätsleitungen als fachfremde Instanzen bezeichnen und deren begreifliches Interesse an Leistungsanreizen als Angriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre verdächtigen."

Gefahr für die ausgewogene Mitte

Der Präsident der Kultusministerkonferenz schließt seinen Brief mit der Aussage: "Ich fürchte, dass nach vielfacher geschichtlicher Erfahrung das Ergebnis einer solchen Haltung darin bestehen könnte, dass die Entwicklung auch über berechtigte Einwände gegen manche Reformmodelle hinweg geht und nicht den Weg der ausgewogenen Mitte sucht. Denn jede Verhinderung einer notwendigen Reform führt letztlich nur zu einer radikalen oder sogar einer extremistischen Reform."

Uwe Schlicht

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