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Gesundheit: Gemeinsam zur Exzellenz

Die Berliner Unis sollten enger kooperieren. Der Wettbewerb braucht neue Regeln Von Dieter Lenzen

Die größten und zugleich erstklassigen Wissenschaftsräume in Deutschland sind München und Berlin. Im Vergleich zu Berlin verfügt München über zahlreiche Standortvorteile: ein hoch industrialisiertes Umfeld, wissenschaftsgetriebene Unternehmen, eine Landesregierung, die das erforderliche Geld bereitstellt, wenn eine Investition in Wissenschaft das Land vorwärtszubringen verspricht.

Diese Umstände sind im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs zu Recht gewürdigt worden: die hervorragende Leistungsfähigkeit der Münchner Universitäten sowie die Tatsache, dass die Landesregierung der Empfehlung einer Expertenkommission nicht folgte, die beiden Universitäten zusammenzulegen oder gar eine zu schließen. Das hat die beiden Wettbewerber beflügelt und Kooperation bei der Beantragung von Graduiertenschulen und Clusters im Exzellenzwettbewerb begünstigt.

In Berlin sind die Verhältnisse anders: eine schwierige Haushaltslage, und bis zu 30 Prozent der Hochschulbudgets werden im Wettbewerb zwischen den Berliner Universitäten vergeben, das sind 160 Millionen Euro jährlich. Die Stadt schaut aufmerksam auf die darin begründete Konkurrenz der Berliner Universitäten. Dazu gelegentliche Fusionsfantasien: Eine Politikerdelegation fuhr eigens nach Kalifornien, um dann Gott sei Dank belehrt darüber zurückzukommen, dass Fusionen von Universitäten Unfug sind und dass im Gegenteil der Wettbewerb die Leistungen steigert – allein in der Freien Universität jährlich um etwa zehn Prozent bei gleichzeitig sinkenden Etats.

Diese an sich leistungsbefördernden Umstände sind den Berliner Universitäten aber im Exzellenzwettbewerb zum Verhängnis geworden und drohen es wieder zu werden, wenn jetzt nicht gehandelt wird. In den Status einer Exzellenzuniversität zu gelangen, setzt den Zuschlag für mindestens eine Graduiertenschule und mindestens ein Exzellenzcluster voraus. Als Voraussetzung für einen Erfolg in der dritten Förderlinie der Zukunftskonzepte wird einer Universität aber nur ein solches Cluster angerechnet, dessen Sprecher eben dieser Universität angehört. Das ist kooperationsfeindlich, weil jeder Antrag nur einen Sprecher haben kann.

Kooperationen bei gleichzeitigem Wettbewerb nötigen die Universitäten dazu, den jeweils anderen gegebenenfalls den Weg unter die Eliteuniversitäten zu ebnen und damit selbst das Nachsehen zu haben. Umgekehrt kann es in einem Hochschulraum wie dem Berliner wegen mangelnder Kooperation passieren, dass gar kein Antrag den Zuschlag erhält. Eine klassische Paradoxie.

Wie ist dieses Problem in München gelöst worden? Wenn man der Berichterstattung in der Presse folgt, dann wurden ganz zu Recht vor dem Hintergrund der hervorragenden Leistungsfähigkeit der Universitäten fehlende Voraussetzungen im Aushandlungsprozess der Gemeinsamen Kommission aus Deutscher Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat nachträglich großzügig und weitsichtig hergestellt. Darauf wird man sich aber für Berlin kaum verlassen wollen.

In dieser Situation gibt es daher nur eine Möglichkeit: Der Senat von Berlin muss sich bei DFG und Wissenschaftsrat vehement dafür einsetzen, dass den drei Berliner Universitäten die Kooperation bei der Beantragung der noch fehlenden Clusters nicht zum Verhängnis wird, sondern dass ein gegebenenfalls positiv bewerteter Antrag allen beteiligten Universitäten als Voraussetzung für einen Erfolg in der dritten Förderlinie zu 100 Prozent zugerechnet wird. Anderenfalls droht ein lähmender Prozess des Feilschens um Sprecherfunktionen bei den Anträgen nach Gesichtspunkten der Erfolgswahrscheinlichkeit.

Der Berliner Hochschulraum könnte sogar in der dritten Förderlinie von einer engen Kooperation profitieren, obwohl die Wettbewerbsbedingungen dieses eigentlich ausschließen. Die beantragten Elemente der Zukunftskonzepte der drei Berliner Universitäten ergänzen sich nämlich auf hervorragende Weise.

So wären, wenn Berlin in der dritten Förderlinie als Einheit gesehen würde, die einzelnen Bestandteile der Zukunftskonzepte für alle Universitäten nutzbringend: Das Zentrum für Internationalen Austausch der Freien Universität könnte selbstverständlich auch von den anderen Universitäten genutzt werden, das Zentrum für Cluster-Entwicklung, das die Freie Universität plant, würde die Clusterprozesse ganz Berlins betreuen, und die Dahlem Research School könnte eine vernünftige Verbindung mit der Humboldt Research School eingehen. Umgekehrt könnten Humboldt-Universität und Freie Universität von dem Konzept des Wissenschaftstransfers der Technischen Universität profitieren, ebenso wie Freie Universität und Technische Universität von der Akademie-Idee aus der Humboldt-Universität.

Was wäre eigentlich, wenn die Berliner Politik gemeinsam mit den Universitäten vor den Wissenschaftsrat und die DFG träte und verlangte, genau diese Möglichkeiten zu eröffnen? Mehr als ein „Nein“ kann es nicht geben. Dann wären die Verhältnisse klar: Die Republik interessiert sich nicht für ihre (Wissenschafts-)Hauptstadt. Ein „Ja“, das dann natürlich auch für andere Orte in Deutschland gelten würde, eröffnete die Chance, den einzigartigen Hochschulraum Berlin (und Brandenburg!) als Zusammenhang zu sehen und sein Potential zu nutzen und zu stützen. Das wäre nicht wettbewerbsfeindlich, sondern förderlich. Die drei Universitäten würden, jede für sich, in einem ausgewogenen Verhältnis von Kooperation und Wettbewerb das Beste leisten können – für den Hochschulraum Berlin-Brandenburg. Worauf wird noch gewartet?

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin.

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