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Gesundheit: Gen-Check für Rheumatiker

Berliner Forscher arbeiten an maßgeschneiderten Medikamenten

Eine junge Floristin leidet unter Gelenkschmerzen und Hautausschlag, außerdem beunruhigt sie seit einigen Tagen schaumiger Urin. Statt zum Arzt geht sie jedoch schnurstracks in den Supermarkt, wo in einer kleinen Nische schon alles vorbereitet ist: Sie kann dort ihre Gen-Chipkarte einlesen lassen, liefert zudem eine kleine Blutprobe ab und geht erst einmal einkaufen. Am Ausgang erwartetet sie dann schon die Diagnose. Dem Aktivierungsmuster ihrer Gene lässt sich entnehmen: Mit 99prozentiger Wahrscheinlichkeit leidet die junge Frau unter einem Lupus Erythematodes, einer Autoimmunerkrankung der Haut und zahlreicher Organe, die zum rheumatischen Formenkreis gehört. Wegen eines Enzymdefekts, den die persönliche Genchipkarte ebenfalls dokumentiert, wird sie zugleich vor einem gängigen Medikament gewarnt, das gegen diese Erkrankung üblicherweise zum Einsatz kommt.

Diese Zukunftsvision aus dem Jahr 2010 erzählte der Rheumaexperte Gerd-Rüdiger Burmester von der Charité anlässlich des Workshops „Berlinflame 2003“. Der vom Bundesforschungsministerium mit Fördermitteln in Höhe von 3,8 Millionen Euro finanzierte Forschungsverbund gleichen Namens gehört neben Projekten in Hamburg, Gießen, Tübingen und München zum krankheitsorientierten Genomnetz „Infektion und Entzündung“ innerhalb des Nationalen Genomforschungsnetzes. „Berlinflame“ ist seinerseits ein Netzwerk aus 13 Berliner Projekten.

Andreas Radbruch vom deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin will die rheumatischen Erkrankungen „vom einzelnen Molekül bis zum ganzen Patienten“ verstehen. Häufig werden sie von Infektionen ausgelöst, die in chronische Entzündungen und selbstzerstörerische Immunreaktionen übergehen. „Uns interessiert, welche Zellen am Krankheitsgeschehen beteiligt sind und welche Gene dabei an- und abgeschaltet werden.“ Daraus sollen sich vor allem Zielpunkte für neue Therapien ergeben.

Inzwischen werden nicht mehr einzelne Gene, sondern das gesamte Genom gleichzeitig analysiert. Die Hoffnung, eines Tages die Gendaten des Patienten für maßgeschneiderte Therapien verwenden zu können, ist groß. Denn bisher ist die Diagnostik oft schwierig, und trotz Erfolgen in der Behandlung der 800 000 Patienten mit rheumatoider Arthritis, die allein in Deutschland leben, werden nur für 60 Prozent von ihnen wirksame Medikamente gefunden. Auch die können zwar Entzündungen hemmen, doch wirklich heilen können sie nicht.

Adelheid Müller-Lissner

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