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Gesundheit: Geochemiker des Max-Planck-Instituts in Mainz kommen gigantischen Gesteinsumwälzungen im Erdinnern auf die Schliche

Wer die Geheimnisse in den Tiefen unseres Planeten lüften will, braucht detektivischen Spürsinn. Denn alles was Forscher an "Beweismaterial" in Händen halten, stammt aus nur wenige Kilometer tiefen Bohrlöchern - der Rest liegt im Dunkeln.

Wer die Geheimnisse in den Tiefen unseres Planeten lüften will, braucht detektivischen Spürsinn. Denn alles was Forscher an "Beweismaterial" in Händen halten, stammt aus nur wenige Kilometer tiefen Bohrlöchern - der Rest liegt im Dunkeln. Mit Hilfe von "geologischen Fingerabdrücken" kamen Geochemiker vom Max-Planck-Institut (MPI) für Chemie in Mainz jetzt gigantischen Gesteinsumwälzungen im Erdinnern auf die Schliche.

Die oberste Schicht der Erde ist die Erdkruste - eine starre, im Bereich der Kontinente 30 Kilometer und an den Ozeanböden fünf bis sieben Kilometer dicke Gesteinsschicht. Die Erdkruste ist in ständiger Bewegung: In Form von Kontinentalplatten "schwimmt" sie auf dem zähflüssigen Erdmantel. Die Bruchzonen zwischen dem einstigen Urkontinent sind noch heute aktiv. Es sind die sogenannten mittelozeanischen Riftgebirge - bis über zehntausend Kilometer lange Vulkanketten, die sich in der Mitte der großen Ozeane am Meeresboden entlangziehen. An diesen Riftgebirgen steigt ständig flüssiges Gestein auf, aus dem sich neuer Ozeanboden bildet. Dabei wird der vorhandene Ozeanboden nach beiden Seiten hin weggeschoben. Er gleitet wie auf einem Förderband über den Erdmantel hinweg - Tempo: zehn Zentimeter pro Jahr. An den Ozeanrändern schieben sich die Boden-Platten unter die dortigen Kontinentalplatten und tauchen wieder in den Erdmantel ab - wodurch zahlreiche Erdbeben und Vulkanausbrüche verursacht werden.

Lange glaubten Geologen, dass die abtauchenden Bodenplatten nach dem Einschmelzen spurlos im Erdmantel "verschwinden". Doch Albrecht W. Hofmann, Geochemiker am MPI für Chemie in Mainz, bezweifelt dies schon seit 20 Jahren: Er vermutet, das abtauchende Material werde teilweise "recycelt", komme also irgendwann wieder zum Vorschein - in den mittelozeanischen Riftgebirgen oder in Vulkaninseln wie Hawaii.

Für diese These fanden Hofmann und sein russischer Kollege Alexander Sobolev jetzt den endgültigen Beweis. Sie untersuchten "basaltische Lava", die ihre Kollegen vom Geoforschungszentrum Potsdam bei einer Bohrung in den Hawaii-Vulkan Mauna Kea zutage gefördert hatten. Die Lava stammt tief aus dem Erdinnern: von einem sogenannten Hotspot - einer besonders heißen Region an der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern. An diesem "heißen Fleck" steigt seit Jahrmillionen ständig Magma bis zur Erdkruste auf - und "brennt" dabei Vulkaninseln in den Meeresboden. Da sich der Hotspot nicht bewegt - wohl aber die über ihn hinwegdriftende Ozeanplatte - , entstand so im Laufe der Zeit eine langgezogene Kette von rund hundert "Hawaii-Inseln", die vom heutigen Hawaii bis vor die Küste Alaskas reicht. Freilich ragen davon nur noch die letzten fünf aus dem Pazifik.

In dieser Hawaii-Lava spürte das Hofmann-Team jetzt Überreste einer ehemals im Küstenbereich abgetauchten Ozeanplatte auf. Deren Material hatte sich also keineswegs aufgelöst, sondern war innerhalb des Erdmantels zum Hotspot "zurückgekehrt" - ein gigantischer Gesteins-Kreislauf. Diesen Nachweis konnten Geologen bislang nicht erbringen, berichtet Hofmann, "weil sich die im Hotspot aufsteigende Schmelze mit anderem Material im Bauch des Vulkans vermischt". Er und Sobolev fanden jedoch eine Lösung: Sie untersuchten winzige Materialeinschlüsse in sogenannten Olivin-Kristallen, die sich bereits in einigen Kilometern Tiefe in der Hotspot-Lava bilden. Aufgrund von Baufehlern in diesen Kristallen entstehen bisweilen "Taschen", in denen die Hotspot-Schmelze in ihrer Originalzusammensetzung "konserviert" wird.

In diesen Kristall-Taschen nun fand Hofmann "in ganz unverwechselbarer Form" den geologischen Fingerabdruck einer ehemaligen Kontinentalplatte - unter anderem hohe Konzentrationen von Spurenelementen, darunter auch Uran. Da Natur-Uran aus zwei radioaktiven Grundelementen, den Uran-Isotopen 235 und 238, besteht, und diese unterschiedlich schnell zu Blei zerfallen, konnte Hofmann anhand des Uran-Blei-Verhältnisses auch das Alter der Einschlüsse abschätzen: ein bis zwei Milliarden Jahre. Vor dieser Zeit muss die Schmelze aus den Kristall-Taschen in ihrer damaligen Platte abgetaucht sein, vermutlich vor der Küste Alaskas.

Claus-Peter Sesin

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