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Halbmarathon: Es läuft auch ohne Fitnessriegel

Am Sonntag rennen wieder zehntausende Freizeitsportler beim Halbmarathon durch Berlin. Experten raten: Sie sollten sich anders ernähren als die Profis.

Das ist das Ernährungsprotokoll eines Weltrekordhalters: „Als ich am Tag des Finales um elf Uhr aufgestanden bin, habe ich erst einmal ein paar Chicken McNuggets gegessen, mich dann drei Stunden schlafen gelegt und noch ein paar Nuggets gegessen.“ Kurz darauf lief Usain Bolt in Peking die 100 Meter so flink wie kein Mensch vor ihm und wurde Olympiasieger. Als ob zu einem schnellen Läufer der Schnellimbiss am besten passen würde.

Bolt hat damit jedoch nicht einmal gegen alle Ernährungsregeln verstoßen. „Das war Essen für den Kopf, am Wettkampftag muss man sich wohl fühlen“, sagt Hans Braun, Ernährungswissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule in Köln. „Bolt lebt eben von seiner Lockerheit.“ In seiner Disziplin könne es sich der Jamaikaner auch leisten, es mit dem gesunden Essen am Wettkampftag nicht so genau zu nehmen. Ein Marathonläufer wäre mit solcher Ernährung vielleicht auf der Strecke geblieben.

Weil im Hochleistungssport inzwischen alles durchleuchtet wird, ist die Ernährung von Sportlern eine Wissenschaft für sich geworden. Sie könne bis zu 20 Prozent der Leistung ausmachen, wird vermutet. Dieser Glauben hat auch den Breitensport erfasst – mit merkwürdigen Folgen. Wenn sich Freizeitläufer zu Tausenden durch die Straßen bewegen, wie am nächsten Sonntag beim Halbmarathon in Berlin, macht die Industrie ein großes Geschäft. Sie verdient an Fitnessriegeln, an isotonischen Getränken, Gels oder Vitaminpillen. Dabei sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): „Für Freizeitsportler, die drei Mal in der Woche Sport machen, reicht eine ausgewogene Ernährung vollkommen aus.“ Also eine mit viel frischem Gemüse und Obst, regelmäßig Fisch, guten pflanzlichen Ölen und nicht zu viel tierischem Fett. Hans Braun sagt: „Schneller wird man durch Training, nicht durch irgendwelche Sportgetränke.“

In der Woche 20 bis 30 Kilometer zu joggen, bedeutet gerade einmal 2000 Kilokalorien Mehraufwand. „Für eine solche Belastung sind wir von der Natur sowieso ausgestattet“, sagt Braun. Ein Radfahrer bei der Tour de France benötigt dagegen schon mal 9000 Kilokalorien am Tag. Da kann Essen und Trinken eine Etappe entscheiden, wenn die Energiespeicher auf einmal leer sind und die Leistung aufgrund von Unterzuckerung rapide nachlässt. Bei Freizeitsportlern können Energieriegel und Fitnessgetränke dagegen das Gegenteil des Gewünschten bewirken: Gewichtszunahme. „Man unterschätzt die Energiebilanz von Riegeln und Sportgetränken. Sie sind nichts anderes als verdünnte Limonaden“, sagt Braun.

Ernährungsplanung kommt ins Spiel, wenn das Training zunimmt, auf fünf Mal in der Woche etwa, und die Erholungsphasen geringer werden. Da sind zunächst die Energiespeicher wichtig, sie sollten immer aufgefüllt sein. Einige Stunden vor der Belastung empfiehlt die DGE eine Mahlzeit mit ausreichend Kohlenhydraten, bei Sport am Morgen am Abend zuvor. Eine bis eineinhalb Stunden vorher kann es dann noch mal etwas Leichtes sein, Müsli mit Früchten, Vollkornbrot mit Marmelade. Auf jeden Fall etwas Gewohntes. Marathon-Weltrekordhalter Haile Gebrselassie frühstückt vor seinem Lauf meist etwas Toast und Müsli.

Nach einer Stunde Belastung sollten dann die Speicher nachgefüllt werden. Weil der Körper beim Sport nicht gerne mit Essen beschäftigt wird, sei etwas Trockenobst, eine Banane oder auch mal ein Riegel sinnvoll, schlägt die DGE vor. Mindestens genauso wichtig ist Trinken, ein gutes Mineralwasser, eine Fruchtsaftschorle, wobei die mehr Zucker enthalten kann, als der Figur gut tut.

Es gibt jedoch bei der Ernährung auch eine innere Stimme. „Wir haben einen angeborenen Instinkt, was unserem Körper gut tut, diesen Instinkt müssen wir wieder wecken“, sagt Holger Stromberg. Er kocht bei Länderspielen und Turnieren für die Fußball-Nationalmannschaft. „Ich habe mir zum Beispiel über Jahre hinweg auferlegt, viel Obst zu essen, bis ich gemerkt habe, dass mir das gar nicht so gut tut, denn der viele Fruchtzucker ist gerade bei Menschen mit Arthrosebeschwerden nicht sinnvoll.“

Wenn er Essen für die Nationalspieler aussucht und zubereitet, denkt Stromberg nicht nur daran, dass sie mit guter Ernährung auf dem Platz länger durchhalten können als ihre Gegner. Er will ihr Wohlbefinden steigern und auch Krankheiten vorbeugen. Wenn die Fußballer vor dem Spiel Magen-Darm-Beschwerden haben, würzt er mit Kurkuma, bei einer heranfliegenden Erkältung hilft Ingwer.

Eine große Rolle spielen auch bei ihm die Kohlenhydrate. „Ein Mythos bei der Ernährung von Sportlern ist, dass es immer Nudeln gibt. Es gab früher auch in der Tat bergeweise Spaghetti“, sagt Stromberg, „aber das hat sich deutlich verändert.“ Dazugekommen sind etwa Vollkornnudeln. „Sie halten sehr viel länger Energie vor, weil sie erst im Darm aufgespalten werden.“ Getreide ist für ihn ohnehin nicht gleich Getreide. Er will die Spieler wegbringen von Weizenmehlbomben, von zu viel Weißbrot und einfachen Nudeln. Ein Hochertragsgetreide sei der Weizen, gerade im Vergleich zu Getreidesorten wie Dinkel, Hafer und Roggen. „Die sind hochwertiger und natürlicher. Wenn einem Produkt beim Anbau nicht die nötige Zeit und Energie gegeben wird, wie soll es mir dann am Ende Energie geben?“

Deshalb kocht Stromberg gerne mit Kartoffeln. „Die haben den Vorteil, dass sie im Gegensatz zur Nudel zu den basischen Lebensmitteln gehören. Wenn ich also ein Steak esse, welches zu den säurebildenden Lebensmitteln zählt, können Kartoffeln wieder ein Gleichgewicht herstellen.“ Das sei im Sport auch deshalb wichtig, weil die Spieler durch Anstrengung zur Übersäuerung der Muskeln neigen.

Wenn Stromberg zur Nationalmannschaft kommt, fängt es bunt an, mit einem großen Büffet. Jeder näher das Spiel rückt, desto mehr reduziert er die Auswahl. „Da kommen zum Beispiel keine Chili-Marinaden mehr drauf, weil sehr scharfe Aromen die Verdauung irritieren können. Am Mittag vor dem Spiel gibt es dann Basics, ein Kartoffelpüree, Pasta, aber keine schweren Saucen, keinen rohen Fisch, da wird auch kein Schnittlauch übers Essen gestreut.“ Die Spieler wollen sich sowieso auf keine Experimente mehr einlassen.

Die Mahlzeit direkt nach dem Spiel ist für Stromberg die schwierigste, weil die Spieler dann an alles denken, nur nicht ans Essen. Doch gerade diese Mahlzeit ist wichtig, weil die Energiespeicher schnell wieder aufgefüllt werden müssen. Stromberg stellt dann Cookies, einen Vollkorngugelhupf und Trockenobst in die Kabine, manchmal drückt er einem Spieler auch einen Teller Nudeln in die Hand. Hinterher darf es dann durchaus mal etwas Besonderes sein, „ein paar frische Burger vom Grill oder ein japanisches Büffet, eine Brotzeit oder Hausmannskost mit Rahmspinat, Spiegelei und Bratkartoffeln“.

Bei den Spielern hätte er mit seinen Tipps schon viel erreicht, sagt Stromberg. Ein Ärger bleibt für ihn das Essen im Stadion. „Den Rasen bestrahlt und behandelt man mit höchstem Aufwand, aber den Zuschauern, die das finanzieren, setzt man zum Dank Junkfood vor.“

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