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Gesundheit: Hart, aber fair

Nach dem Pisa-Test streiten Bildungsministerin Bulmahn und Unionskandidatin Schavan um Ganztagsschulen, Bund-Länder-Zuständigkeiten und Studiengebühren

Von Bärbel Schubert

Zwei Frauen im Duell um die besten Ideen für Bildung und Forschung: Die Sozialdemokratin, Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (51), wirbt engagiert für eine Fortsetzung des rot-grünen Reformkurses bei Bildung und Forschung, den sie 1998 mit ihrer Amtsübernahme vor allem beim Bafög und beim Professoren-Dienstrecht eingeleitet hat. Ihre Unions-Herausforderin, Annette Schavan (47), CDU-Vizevorsitzende und Kultusministerin in Baden-Württemberg, will nicht alles völlig anders machen, dennoch aber deutlich andere Akzente bei der Studentenauswahl an den Hochschulen und auch bei Studiengebühren setzen. Vor allem sollen die Länder in der Bildungspolitik wieder mehr zu sagen haben.

Schavans große Bürde: Sie muss am 22. September mit der Union nicht nur Bulmahn und die SPD erfolgreich schlagen, sondern sich auch gegen den möglichen Koalitionspartner FDP durchsetzen. Denn die Truppe um Guido Westerwelle und Cornelia Piper beansprucht bei einer Koalition selbst vehement das Bundesbildungsministerium als Zukunfts-Schlüsselressort für sich – mit deutlich anderen Positionen, als Schavan sie vertritt.

Die Unionsfrau gilt als hartnäckige Föderalistin, die trotz des auseinander klaffenden und im internationalen Vergleich wenig erfolgreichen bundesdeutschen Schulsystems weiter vehement auf die Kulturhoheit der Länder – und damit auf den Wettbewerb der Länder untereinander um die besten Konzepte für Schulen und Hochschulen setzt. Im aktuellen Schlagabtausch um die besten Rezepte für die Schulreform kann sie auf ihre Erfolge in Baden-Württemberg verweisen, das mit recht guten Ergebnissen zwar nicht aus dem internationalen, aber immerhin aus dem bundesdeutschen Pisa-Vergleich hervorgegangen ist.

Nach Baden-Württemberg kam sie durch Ministerpräsident Erwin Teufel selbst. Zuvor leitete sie die bischöfliche Studienförderung im Cusanus-Werk. In der Union hat sie zudem Erfahrungen in der Frauen- und Familienpolitik gesammelt, die sie als Bundesgeschäftsführerin der Frauen-Union gesammelt hat.

Pluspunkt Bildungsetat

Bulmahns Bekenntnis zur Chancengleichheit, resultiert aus ihrer eigenen Lebenserfahrung im eher armen Elternhaus. So pocht sie glaubwürdig und hartnäckig auf bessere Fördermöglichkeiten für Kinder aus bildungsfernen Familien. Als „gemäßigte" SPD-Linke war sie in den letzten Jahren eher formal Mitglied bei der „Parlamentarischen Linken“ – das Regierungshandeln hat sie ausgesprochen pragmatisch gestimmt. Kritiker werfen ihr vor, dass sie manchmal zu lange gezaudert hat, etwa beim Verbot von Studiengebühren. Auch die Reform des Professoren-Dienstrechts hätte mit schnellerem Handeln aus dem Wahlkampf heraus gehalten werden können.

Dicke Pluspunkte sammelte Bulmahn in dieser Legislaturperiode, als erstmals wieder der Etat für Bildung und Forschung deutlich angehoben wurde. Mit Elan ging sie auch die ganze Liste unerledigter Reformen aus der Regierungszeit von CDU und FDP an: Das Bafög wurde zwar nicht grundlegend erneuert, wie angestrebt, aber wieder deutlich angehoben und für mehr Studenten zugänglich. Der Qualifikationsweg für junge Wissenschaftler wurde mit der Juniorprofessur reformiert und ein neues Professoren-Dienstrecht eingeführt, was ihr allerdings viel Streit mit konservativen Professoren einbrachte .

Dabei ließ sich die Sozialdemokratin in ihrer Grundüberzeugung keinen Augenblick irritieren: Die lange persönliche Abhängigkeit der jungen Wissenschaftler von ihrem Professor, die sonst kaum ein Industrieland so beibehalten hat, muss ein Ende haben.

Nach der Veröffentlichung der miserablen deutschen Pisa-Ergebnisse spielte im Bundestagswahlkampf auch die Schulpolitik eine Rolle. Das war ungewöhnlich, wachen doch die Länder ansonsten argwöhnisch über diese ihre Kernzuständigkeit.

Und so stand plötzlich die Ganztagsschule im Mittelpunkt der bildungspolitischen Auseinandersetzung. Die SPD setzt ganz auf den Ausbau dieser Schulform und scheut dabei auch den Streit mit den Ländern nicht. Vier Milliarden Euro will sie dafür investieren. Dabei hat sie auf ihrer Seite, dass Deutschland bei der Ganztagsbetreuung von Kindern im internationalen Vergleich einen riesigen Aufholbedarf hat. „Den Ausbau der Ganztagsschulen wird es nur mit der SPD geben“, kann Bulmahn im Wahlkampf verkünden.

Für die Union ist das nicht die entscheidende Frage. Doch obwohl Schavan in Baden-Württemberg durchaus mehr Ganztagsangebote schuf – an sozialen Brennpunkten konzentriert – vertritt sie dies nicht als Unionslinie. Einheitliche Bildungsstandards und ihre kontinuierliche Überprüfung als Mittel zur Verbesserung der Schulen fordern inzwischen SPD wie Union nahezu übereinstimmend – überhaupt hat ja der Bund in der Schulpolitik nichts verloren, folgt man der Unionslinie.

Allerdings hat Annette Schavan – ansonsten als „rheinische Frohnatur“ nur schwer verdrießlich zu stimmen – es bei den gemeinsamen Auftritten mit Bulmahn im Streit um die Schulpolitik schwer: Das Primat der Länder lässt sich eben nur schwer verteidigen, wenn die Mängel dieses Systems gerade so überdeutlich bloß gelegt worden sind wie bei Pisa.

Wenn die rot-grüne Regierungskoalition im Bund nach dem 22. September weiterbestehen sollte, gilt Bulmahn als unangefochten in ihrem Amt. Dass sie SPD-Landesvorsitzende im Heimatland von Bundeskanzler Gerhard Schröder ist, stärkt ihr den Rücken. Über die Zusammenarbeit in der laufenden Legislaturperiode war zudem überwiegend Positives zu hören. Gefährlich könnte allerdings auch ihr ein Bündnis mit der FDP werden.

Bei ihren persönlichen „Duell“-Begegnungen jedenfalls schenkten sich Schavan und Bulmahn nichts: Hart, aber fair, lautete hinterher jedesmal der Kommentar. Persönliche Polemik erlaubten sich beide kaum. Orientierung an der Sachpolitik lautete das Credo. Immerhin eine Übereinstimmung.

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