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HeilSTÄTTEN: Mit Germania fing alles an

Vor Haus 16 des Evangelischen Waldkrankenhauses Spandau (EWK) steht ein Mahnmal. In Stein gemeißelt ist dort zu lesen: „Sklaven- und Zwangsarbeit bedeutete nicht nur das Vorenthalten des gerechten Lohnes.

Von Heike Gläser

Vor Haus 16 des Evangelischen Waldkrankenhauses Spandau (EWK) steht ein Mahnmal. In Stein gemeißelt ist dort zu lesen: „Sklaven- und Zwangsarbeit bedeutete nicht nur das Vorenthalten des gerechten Lohnes. Sie bedeutete Verschleppung, Heimatlosigkeit, Entrechtung, die brutale Missachtung der Menschenwürde. Oft war sie planvoll darauf angelegt, die Menschen durch Arbeit zu vernichten.“ Das Zitat stammt aus einer Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau von 1999. Die Skulptur des Falkenseer Künstlers Ingo Wellmann sowie eine Dauerausstellung in Haus 16 soll die Erinnerung an die bewegte Geschichte des Ortes wachhalten.

Die Nationalsozialisten erbauten in den späten 1930er Jahren auf dem Grundstück im äußersten Nordwesten Spandaus eine Arbeitersiedlung mit dem Ziel, dort Menschen unterzubringen, die Städtebauprojekte für die „Reichshauptstadt Germania“ umsetzen sollten. Albert Speer plante in Berlins Zentrum die sogenannte „Große Halle“, auch die Arbeiterstadt wurde so genannt. 1941 kam das Ende für die größenwahnsinnigen Pläne. Die Zwangsarbeiter, die aus den von der Wehrmacht eroberten Gebieten kamen, aus den Niederlanden, Belgien oder Frankreich, später auch aus Russland, der Ukraine oder der Tschechoslowakei – sie wurden jetzt für den Bau von Luftschutzkellern und Rüstungsanlagen benötigt.

Nach 1945 entstand das Krankenhaus. Dem „Verein zur Errichtung evangelischer Krankenhäuser“ ist es zu verdanken, dass Patienten mit der zu dieser Zeit häufig auftretenden Knochentuberkulose in der Orthopädie des Waldkrankenhauses behandelt werden konnten. 1946 herrschte allerdings Mangel an allem, nicht einmal genügend Laken waren vorhanden. Der Tagesspiegel veröffentlichte damals einen Aufruf, dass Patienten möglichst ihre Bettwäsche oder gar eigene Betten selbst mitbringen sollten.

Auch im Kalten Krieg blieb das Krankenhaus politisch brisant. Die Einführung der Deutschen Mark durch die Alliierten und die Berlin-Blockade brachten das Haus in finanzielle Schwierigkeiten. Als 1949 auch noch der Gründer und Geschäftsführer durch einen Autounfall ums Leben kam, war das Haus von Schließung bedroht. Doch dann kam alles anders. Der Innenminister unter Konrad Adenauer stellte 1952 fest, dass sich die Bonner Regierung schon aus politischen Gründen nicht leisten könne, das Waldkrankenhaus zu schließen. Denn man empfand die medizinische Versorgung von Menschen aus der DDR, die seinerzeit einen Großteil der Patienten ausmachte, als Triumph über den SED-Staat.

Heute ist das EWK unter der Trägerschaft der Paul-Gerhardt-Diakonie akademisches Lehrkrankenhaus der Charité mit mehr als 470 Betten. In acht Fachabteilungen und zwölf medizinischen Zentren werden jährlich rund 19 000 Patienten stationär und 40 000 ambulant versorgt. Neben den modernen Klinikbauten sind einige Häuser der Arbeiterstadt „Große Halle“ bis heute erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Darunter auch Haus 16. Heike Gläser

WALDKRANKENHAUS SPANDAU

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