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Gesundheit: Hotel Mama: Der Wohnort begünstigt das Studium zu Hause

In den USA ist es üblich, dass sich die Studenten die Hochschulen aussuchen, die im nationalen Ranking Spitzenplätze erreichen. Diese Elitehochschulen wie Stanford, Harvard, Berkeley, das MIT, Georgetown oder Chicago können sich die besten Bewerber aussuchen und den Durchschnitt abweisen.

In den USA ist es üblich, dass sich die Studenten die Hochschulen aussuchen, die im nationalen Ranking Spitzenplätze erreichen. Diese Elitehochschulen wie Stanford, Harvard, Berkeley, das MIT, Georgetown oder Chicago können sich die besten Bewerber aussuchen und den Durchschnitt abweisen. Sie verlangen die höchsten Studiengebühren, weil sie so begehrt sind. Kein Wunder, dass die amerikanischen Eliteuniversitäten ein extrem großes Gewicht auf die Lehre legen: Schon für die Anfängerstudenten sollen sich die besten Professoren engagieren, um die Highschoolabsolventen an die Wissenschaft heranzuführen. Und von den Erfolgen in der Lehre hängt das Urteil der Studenten ab, das beim Ranking ermittelt wird.

In Deutschland ist das noch anders. Hier mussten erst die Zeitschriften zu Beginn der 90er Jahre die Lücke entdecken und ein Ranking versuchen. Offiziell gingen die staatlichen Einrichtungen von der Fiktion der Gleichheit der Hochschulen aus, obwohl auch hierzulande die Niveauunterschiede groß sind.

Seitdem es auch in Deutschland hinreichend differenzierte Informationen über die verschiedenen Hochschulen und die Ausstattung der Fächer gibt - die Magazine "Stern", "Spiegel", "Focus" und das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) haben für Transparenz gesorgt - , stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Studenten von diesen Informationen Gebrauch machen. Auf einer Tagung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), das gemeinsam von der Bertelsmannstiftung und der Hochschulrektorenkonferenz getragen wird, kamen ernüchternde Ergebnisse zutage: Nur etwa 20 Prozent der Abiturienten und Fachoberschüler orientieren sich an den Rankings. Zu diesem Ergebnis ist Professor Hans-Dieter Daniel gekommen, der die Wirkung des im Magazin "Der Spiegel" veröffentlichten Rankings auf die Bewerberströme im Numerus-Clausus-Fach Medizin untersucht hat. Das Ergebnis: Unmittelbar nach der Veröffentlichung nahm bei den am besten beurteilten Hochschulen die Bewerberzahl um 20 Prozent zu, bei den schlechter beurteilten ging sie entsprechend zurück. Und auf 20 Prozent kommt auch das Hochschulinformations-System (HIS) in Hannover bei seinen empirischen Untersuchungen über das Verhalten der Studierenden.

Für die große Masse der Jugendlichen ist nach wie vor die im Umkreis gelegene Hochschule auch die Hochschule erster Wahl. Das liegt vor allem am "Hotel Mama". Solange es sich zu Hause am billigsten lebt und dennoch im Elternhaus genügend Freiraum für die Gestaltung des Privatlebens geboten wird, bleiben die künftigen Studenten am liebsten im gewohnten Umkreis. Hier kennen sie die Szene, haben ihre Freunde. Wenn sie den Hochschulort wechseln, dann bevorzugen sie nicht etwa die kleinen Hochschulen, selbst wenn diese eine bessere Betreuung und kürzere Studienzeiten bieten, sondern meist die großen Universitäten in Metropolen mit einem interessanten Freizeitangebot und einem entsprechenden Ruf in der Szene. Für die meisten Studenten spielt daher die Meinung der Kommilitonen über eine sympathische Hochschule eine entscheidende Rolle. Der Professorentipp, an welche Hochschule der Wissenschaftler seinen Sohn oder seine Tochter zum Studieren schicken würde, hat einen verschwindend geringen Aussagewert für die Masse.

Professor Hans Daniel spricht zugespitzt sogar davon: "Die Wirkung des Professorentipps auf die Präferenz der Studenten ist null". Das ist insofern übertrieben, weil das für die übergroße Masse der Studenten gilt, die sich allein am Urteil ihrer Kommilitonen und der Nähe zum Elternhaus orientiert. Aber es gibt jene 20 Prozent der Studieninteressenten, die sich ihr Urteil aus den differenzierten Angaben in den Rankings bilden. Für diese 20 Prozent hat der Professorentipp herausragende Bedeutung.

Das sind jene Studenten, die sich die Hochschulreformer wünschen: hochmotiviert und leistungsbereit. Sie wollen ihr Studium auf einen späteren beruflichen Erfolg mit hohen Einkommenserwartungen hin anlegen. Für sie spielt, weil sie selbst auf Ansehen aus sind, die Reputation eines bestimmten Faches die ausschlaggebende Rolle. Das Ansehen kann bisher immer noch am besten von den Professoren eingeschätzt werden, sofern das mit einigen Leistungsindikatoren wie der Einwerbung von besonders vielen Drittmitteln für die Forschung einhergeht und auch die Ausstattung des Faches nicht gerade schlecht ist.

Professor Daniel zieht aus den Untersuchungen den Schluss: Wenn man den sehr geringen Kreis der jungen Menschen, die sehr mobil sind und es sich leisten können, die Hochschule ihrer Wahl nach einem Ranking auszuwählen, vergrößern will, dann muss man das Prinzip "Hotel Mama" durchbrechen. Bekämen alle Studenten einen vom Einkommen der Eltern unabhängigen Sockelbetrag von 400 Mark, wie es einst in der großen Bafög-Reform angedacht war, dann könnte das die gewünschte Mobilität verstärken.

Die Reform kommt erst dann richtig in Gang, wenn kürzere Studienzeiten und gute Leistungen in Forschung und Lehre auch für die Studenten zu ausschlaggebenden Orientierungen werden. Außerdem dürfte die Massen-Uni mit ihrem breiten Fächerangebot von Profiluniversitäten herausgefordert werden, die in einem begrenzten Fächerspektrum Spitzenleistungen erbringen. Es gibt kein Profil ohne die passenden Studenten und Professoren.

Uwe Schlicht

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