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Gesundheit: Immer mehr Roboter helfen beim Operieren - Beispiel künstliche Hüfte

Die Chirurgie hat gerade eine Revolution hinter sich, da kündigt sich schon die nächste an. Kaum hat man die Schwemme an Erneuerungen durch die minimal-invasive "Schlüssellochchirurgie" einigermaßen verdaut, klopft es an der Tür: der Kollege Robodoc möchte hereingebeten werden.

Die Chirurgie hat gerade eine Revolution hinter sich, da kündigt sich schon die nächste an. Kaum hat man die Schwemme an Erneuerungen durch die minimal-invasive "Schlüssellochchirurgie" einigermaßen verdaut, klopft es an der Tür: der Kollege Robodoc möchte hereingebeten werden. Und immer mehr Chefärzte gewähren ihm mittlerweile Zugang in ihr Allerheiligstes. Roboter operieren in deutschen Operationssälen inzwischen Herzen, Hüften und Kniegelenke.

Bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie im ICC prallten in der letzten Woche Gegner und Befürworter eines Robotereinsatzes am Hüftgelenk aufeinander. Vorausgegangen war am 29. Juli eine Pressekonferenz von Roboter-Gegnern, die vor Nerven- und Muskelschäden, falsch eingesetzten und gelockerten Kunstgelenken und anderen Gesundheitsproblemen durch den Roboter warnten. Immerhin 60 Kliniken aber sollen in Deutschland bereits einen der beiden konkurrierenden automatischen Chirurgen - das System "Robodoc" oder das System "Caspar" besitzen, zu Preisen von rund einer Million Mark.

Das Einsetzen einer künstlichen Hüfte ist ein weitgehend standardisiertes Verfahren. Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als 100 000 künstliche Hüftgelenke eingesetzt. Zunächst muss das kugelige Hüftgelenk freigelegt werden. Es verbindet den Beckenknochen (dieser bildet das Gelenklager) mit dem Oberschenkelknochen (an dessen Ende der kugelförmige Gelenkkopf sitzt). Nun werden die erkrankten oder verletzten Teile des Gelenks entfernt, die Gelenkpfanne der Hüfte wird ausgefräst und die künstliche Pfanne eingesetzt. Jetzt wird die mit Knochenmark und Knochenbälkchen ausgefüllte Höhle des röhrenförmigen Oberschenkelknochens eröffnet und mit einer Raspel Raum für die Gelenkprothese geschaffen. Schließlich wird der metallene Schaft des Kunstgelenks mit Hammerschlägen in den Oberschenkelknochen eingetrieben, bis er fest sitzt. Schaft und Pfanne können nun zusammengefügt werden.

Der Roboter übernimmt nur einen einzigen Schritt dieser Operation: er fräst die Höhle für den Schaft des Kunstgelenks in den Oberschenkelknochen. Das allerdings erledigt der Automat mit millimetergenauer Präzision. Grundlage seiner Arbeit ist eine detaillierte und rechnergestützte dreidimensionale Planung vor der Operation. Dazu wird eine Comutertomografie der Hüfte benötigt. Lohnt dieser eine Arbeitsgang den Kauf des Roboters?

Nein, meinte Peter Kirschner vom Mainzer St. Vincent-Hospital auf dem Kongress. Und er sprach davon, dass heutige Roboter "mit hohen Kosten präzise Löcher in dünne Bretter bohren". Der Robotereingriff benötige viel Zeit, und da das Bein exakt und unverrückbar fixiert werden müsse, seien Muskeln, Nerven und Gefäße stärker gefährdet als beim konventionellen Eingriff. Zudem sei der Blutverlust größer und das Infektionsrisiko steige. Die 99-prozentige Passgenauigkeit des Kunstgelenk-Schaftes bei der Roboterchirurgie sei gar nicht notwendig, die herkömmliche Operation erreiche zu fast 100 Prozent ein "optimales Hüftimplantat", sie spare Zeit, sei arm an Komplikationen und kostengünstig. "Die Chirurgenhand ist noch immer ein sicheres Werkzeug, um dauerhaft Gelenkprothesen einzusetzen", endete Kirschner.

Das sahen die Robotikfreunde natürlich etwa anders. Martin Börner von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main, ein Vorreiter der Robotertechnik im OP, warf Kirschner vor, die Probleme herkömmlicher Hüftgelenk-Operationen denn doch ein bisschen zu verniedlichen. So komme es nach den Eingriffen nicht selten zu O- oder X-Fehlstellungen des Beins, mitunter passten die Prothesen nicht oder der Knochen "sintere" zusammen, auch Knochenrisse oder sogar Brüche nach dem Einschlagen des Gelenkschaftes kämen vor.

Friedrich Hennig vom Universitätsklinikum Erlangen räumte zwar ein, dass der Roboter mehr Zeit als der Mensch benötige. Aber schon den höheren Blutverlust bestritt der Chirurg. Die Anhänger des Roboters, das machte die Tagung deutlich, faszinieren vor allem die genaue Planung und die präzise Umsetzung durch den Automaten. Wie ihre Gegner reklamieren sie, das für den Patienten schonendere Verfahren zu haben.

Umstritten ist noch, ob die durch den Roboter passgenau ausgefräste Knochenhöhle im Oberschenkel das "Einheilen" des Implantats und den Langzeiterfolg begünstigt. Die beim herkömmlichen Eingriff größeren Schäden in der Struktur der Knochenbälkchen sollen nach Ansicht "konventioneller" Operateure eine Art Heilungsimpuls setzen. Die andere Seite argumentiert genau umgekehrt, dass die Erhaltung der Bälkchenstruktur beim Roboterfräsen den Heilungsprozess begünstige und weniger Schmerzen verursache. Sie verweist auf Tierversuche, die darauf hindeuteten.

Fest steht, dass der Körper das Kunstgelenk in jedem Fall als fremd erkennt und durch eine dünne Schicht aus Bindegewebe isoliert. Die künstliche Hüfte bleibt auf ewig ein Fremdkörper, und die Tatsache, dass es Hunderte von verschiedenen Kunstgelenk-Typen gibt, spricht dafür, dass auch in der etablierten Hüftchirurgie noch nach dem idealen Weg gesucht wird. Die entscheidende Frage, ob mit Roboterhilfe eingesetzte Kunstgelenke länger halten, kann vorerst jedoch nicht beantwortet werden. Den Siegeszug der Roboter wird das kaum aufhalten.

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