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Gesundheit: In der Hitzespirale

Der Sommer 2003 war der heißeste seit Jahrhunderten – und zum Teil vom Menschen selbst verursacht

Die Schweizer sind um ihren Sommer nicht zu beneiden. Die Durchschnittstemperaturen in den Monaten Juni bis August liegen bei 17 Grad Celsius. Ein kalter oder warmer Sommer weicht von diesem Wert nur um ein, vielleicht schon mal um zwei Grad ab. Der Rekordsommer von 1947 mit einer Durchschnittstemperatur von 19,8 Grad war eine seltene Ausnahme – die im vergangenen Jahr jedoch weit übertroffen wurde. Der Sommer 2003 ließ die Alpengletscher in bislang ungeahntem Ausmaß schmelzen, als das Thermometer im Schnitt 22,3 Grad anzeigte. Das waren 5,3 Grad mehr als üblich. Wie konnte das passieren?

Die extreme Hitzewelle, die ganz Zentral- und Südeuropa im Sommer 2003 erfasste, ist wahrscheinlich vom Menschen mit verursacht worden. Das berichten Peter A. Stott vom Hadley Centre im britischen Reading und seine Kollegen im Fachmagazin „Nature“ (Band 432, Seite 610). Erstmals haben sie damit einen wissenschaftlich belegten Zusammenhang zwischen der weltweiten Erwärmung und einem Einzelereignis hergestellt.

Der Sommer 2003 sei der heißeste in Europa seit 1500 gewesen, erklären sie. Bis zu 35000 Menschen starben in Folge der Hitze, die Schäden für die Landwirtschaft belaufen sich auf mehr als zehn Milliarden Euro.

In einem statistischen Verfahren haben Stott und sein Team jene Einflüsse, die sich durch die Sonneneinstrahlung oder durch Vulkanausbrüche ergeben, von denen separiert, die sich auf die Treibhausgas-Ausstöße aus Verkehr, Haushalten und Industrie zurückführen lassen. Das gelang ihnen mit mehr als 90-prozentiger Sicherheit.

„Das ist der erste erfolgreiche Versuch, den menschlichen Einfluss auf ein spezifisches, extremes Klima-Ereignis zu ermitteln“, schreibt Christoph Schär, Klimaexperte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, in einem „Nature“-Kommentar. Die Ergebnisse seien glaubhaft, das britische Klimamodell eines der besten.

Forscher haben in den vergangenen Jahrzehnten festgestellt, dass sich die europäischen Sommertemperaturen zu immer höheren Werten hin verschoben haben. Schär selbst hat diesen Trend im Januar ebenfalls in „Nature“ (Band 427, Seite 332) beschrieben. Diese Temperatur-Verschiebung zieht auch immer höhere Extremwerte nach sich. Sehr heiße Sommer sind viel häufiger geworden.

„Doch der Sommer 2003 lässt sich nicht allein mit dieser Verschiebung erklären“, sagt Stefan Rahmstorf, Klimaexperte des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Es müsse bisher unverstandene Mechanismen geben, die zu einem derart sprunghaften Anstieg der Hitze geführt haben. Dem stimmt auch Schär zu. „Statistisch gesehen hätte es so einen Sommer gar nicht geben dürfen“, sagt er. Ein solches Ereignis wurde eigentlich nur etwa alle 10000 Jahre erwartet.

Doch das Klima scheint dynamischer zu sein als gedacht. Schär hat dafür eine mögliche Erklärung parat: Wenn Europa in der Sommersonne brutzelt, wird ein großer Teil der Sonnenenergie durch die Verdunstung aufgebraucht. Die Hitze zieht Wasser aus den Seen, den Flüssen und dem Erdboden, die Landschaft trocknet aus. Etwa 60 Prozent der Sonnenenergie werden in derartigen Verdunstungsprozessen umgewandelt und tragen daher nicht direkt zur Erwärmung bei.

Irgendwann aber, wenn die Hitze nur lange genug anhält, ist das Erdreich ausgetrocknet. In Spanien sei dies bereits jetzt jeden Sommer der Fall, sagt Schär. Die Verdunstung nimmt folglich ab, und nahezu die gesamte Sonnenenergie fließt in die Erwärmung ein. Aus der Hitzeperiode ist eine Art Hitzespirale geworden. Das passiert aber nicht jedes Jahr. In Zukunft werde sich das Sommerklima von Jahr zu Jahr stark unterscheiden, sagt Schär voraus. Die Sommer könnten uns sowohl neue Hitzerekorde bescheren als auch noch mehr Überschwemmungen bringen. Stott und seine Kollegen haben berechnet, dass sich die Wahrscheinlichkeit für solch extreme Sommer wie 2003 in 40 Jahren auf das 100-fache erhöht haben wird. Schär rechnet damit, dass wir dann alle paar Jahre mit solcher Hitze werden rechnen müssen.

„Es wäre aber sicherlich falsch zu denken, dass man Einzelereignisse künftig generell einer Klimaveränderung zurechnen kann“, sagt Schär. Es sei sogar unmöglich, eine derartige kausale Kette zu bilden, die das Einzelereignis klipp und klar mit den Veränderungen in der Atmosphäre verbindet. Man könne auch künftig den Einfluss des Menschen stets nur mit Wahrscheinlichkeiten beziffern.

Beim Elbe-Hochwasser von 2002 etwa lässt sich ein solcher Zusammenhang nur schwer fassen. Denn während die Hitzewelle 2003 eine ganze Jahreszeit und eine ganze Region betraf und direkt auf dem Thermometer abzulesen war, war das Elbe-Hochwasser Folge einer kurzfristigen Extremwettersituation. Und diese ließ sich nicht anhand der Temperaturwerte charakterisieren, sondern nur anhand der Niederschlagsmenge.

Es ist allerdings nahe liegend, dass es zu extremeren Wetterereignissen kommt, wenn sich die Atmosphäre mit Hitze auflädt. Stürme und Unwetter nehmen bereits zu. Deshalb fordert etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Politik und Wirtschaft zu stärkeren Anstrengungen im Klimaschutz auf. DIW-Experte Hans-Joachim Ziesing warnte vor einem Schaden für Deutschland von 140 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050. Dies sei nur durch weniger Treibhausgase abzuwenden.

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