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Gesundheit: Kampf ums Korn

Kennzeichnen und kontrollieren: Wie die EU die Pflanzen-Biotechnik eingrenzen will

GENTECHNISCH VERÄNDERTE LEBENSMITTEL: NEUE GESETZE IN EUROPA

Wenn dieser Text eine Satire wäre, dann würde er von einem transatlantischen Obst-und-Gemüse-Krieg handeln. Von Bataillonen genetisch veränderter Sojabohnen, die in gewaltigen Kähnen die Festung Europa erreichen. Von Maiskolben, die ihr prallgelbes Haupt drohend gegen den Kontinent erheben. Und vom tapferen europäischen Verbraucher , der mit schrumpeligen Bio-Äpfeln und genfreien Weizen-Brigaden Widerstand leistet.

Seit Jahren streitet sich Europa mit Amerika um die grüne Gentechnik. Denn während in der EU seit 1998 der kommerzielle Anbau verboten und die Einfuhr erschwert wird, sind die USA und einige andere Länder mehr und mehr auf Landwirtschaft mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) umgestiegen. In den USA werden auf 39 Millionen Hektar genetisch veränderte Nutzpflanzen angebaut. An zweiter Stelle steht Argentinien (13,5 Millionen Hektar), gefolgt von Kanada (3,5 Millionen) und China (2,1 Millionen). Allerdings sind 99 Prozent des Anbaus auf vier Länder konzentriert, und vier Nutzpflanzen dominieren 95 Prozent der Flächen: Soja, Mais, Raps und Baumwolle.

Nun hat Europa seine Bedenken in Gesetzesform gegossen. Denn am 7. November tritt in der gesamten EU eine neue Verordnung in Kraft, mit der die Pflanzen-Gentechnik ein eigenes Gesetz und damit einen verbindlichen juristischen Rahmen bekommt. Zwar wird auf der einen Seite die Blockade damit aufgehoben, doch schreibt das „Genfood“-Gesetz gleichzeitig Kennzeichnung, Schwellenwerte, Zulassungsverfahren und Überwachung vor. Zudem gibt es jede Menge komplizierte Übergangsregelungen, so dass frühestens im April 2004 mit der endgültigen Genehmigung eines GVO-Produkts zu rechnen ist.

Der politische Streit geht unterdessen unvermindert weiter. Heftig umkämpft ist der symbolträchtige Schwellenwert. Von einem bestimmten Anteil von „Genfood“ im Produkt an muss gekennzeichnet werden. Die EU-Kommission schlug vor, von einer unbeabsichtigten Beimischung von 0,3 (Raps) bis 0,7 Prozent (Soja) an zu kennzeichnen. Verbraucherschutzministerin Renate Künast, Fürsprecherin der Biobauern, kämpft für 0,1 Prozent – das ist die Nachweisgrenze. Jetzt hat man sich vertagt.

Und noch eine andere europäische Regelung sorgt für Unfrieden, diesmal allerdings bei Rot-Grün: die EU-Freisetzungs-Richtlinie 2001/18. Das strenge Gesetzeswerk reguliert die Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Organismen, begrenzt das Inverkehrbringen auf zehn Jahre und soll Transparenz schaffen. Anders als die Verordnung über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel, die am 7. November automatisch gültig ist, muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Doch stieß der erste Entwurf aus dem Hause Künast bei den SPD-geführten Justiz-, Forschungs- und Wirtschaftsministerien auf Ablehnung. „Das Gesetz hätte auch kurz und bündig ,Gentechnik ist verboten’ lauten können“, sagt ein Insider. Zum Beispiel machte das Ministerium den Pollenflug zur Sachbeschädigung, sofern der Pollen von „Gen-Pflanzen“ stammte.

Tatsächlich drängt sich dem Beobachter der Eindruck auf, dass mit dem Wust an Bürokratie die grüne Gentechnik so lange wie möglich verhindert werden soll. Den Herstellern sollen beim Anrennen gegen juristische Hürden die Puste und das Geld ausgehen. Hinzu kommen das schlechte Image der Gentechnik, das in jeder neuen Umfrage bestätigt wird, der Druck von Umweltaktivisten und das Zerstören von Versuchsfeldern. Manchmal kommt es gar nicht mehr zum Anbau: Vor wenigen Tagen verbot das Künast-Ministerium die Freisetzung gentechnisch veränderter Apfelbäume in Dresden-Pillnitz und Quedlinburg. Es entschied damit gegen das Expertenvotum der Zentralen Kommission für biologische Sicherheit, die keine Einwände hatte.

Das schlechte Klima hat Folgen. Die Anträge auf Freisetzungsversuche sind in der EU mittlerweile drastisch zurückgegangen. Und der amerikanische Saatgutkonzern Monsanto gab Mitte Oktober bekannt, seine europäische Zentrale zu schließen. Nicht jeder wird das bedauern.

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