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Gesundheit: Keine Lösung zum fehlerhaft erteilten Patent EP 695 351

Ein Proteststurm aus deutschen Landen wehte in der vergangenen Woche über das Europäische Patentamt in München hinweg. Wer die empörten Äußerungen deutscher Politiker, Theologen und Umweltschützer zum fehlerhaft erteilten Patent EP 695 351 für die Universität Edinburgh vernahm, konnte meinen, Greenpeace habe mit seinem Aufdecken eines Patentamt-Irrtums noch einmal die kommerzielle Menschenzüchtung durch "Gen-Konzerne" verhindert.

Ein Proteststurm aus deutschen Landen wehte in der vergangenen Woche über das Europäische Patentamt in München hinweg. Wer die empörten Äußerungen deutscher Politiker, Theologen und Umweltschützer zum fehlerhaft erteilten Patent EP 695 351 für die Universität Edinburgh vernahm, konnte meinen, Greenpeace habe mit seinem Aufdecken eines Patentamt-Irrtums noch einmal die kommerzielle Menschenzüchtung durch "Gen-Konzerne" verhindert. Stand der "Dammbruch" kurz bevor?

Patentiert worden war ein Verfahren zur Herstellung von tierischen, genetisch veränderten Stammzellen. Da in der englischen Fassung des erteilten Patents von "transgenic animal" die Rede war und im englischen wissenschaftlichen Sprachgebrauch das Wort "animal" (Tier) auch den Menschen einschließt, ist nun das Verfahren auch zur Herstellung menschlicher Stammzellen patentiert. Denn das Patentamt vergaß, vor das Wort "animal" ein "non human" (nicht menschlich) zu setzen.

Dennoch ist die Annahme einer bevorstehenden Menschenzüchtung aufgrund eines solchen Lapsus aus mehreren Gründen unzutreffend. Ein Patent, auch eines fehlerhaft erteiltes, ist keine Erlaubnis für illegale Handlungen, sondern es bedeutet nur den Schutz geistigen Eigentums und die Möglichkeit kommerzieller Nutzung. Und "Menschenzüchtung" ist und bleibt nun einmal gesetzlich verboten.

Auch wenn also der Handlungsspielraum durch ein Patent begrenzt ist, so hat es dennoch einen strategischen Sinn, wenn Greenpeace mit seiner Kampagne den Zorn auf das Europäische Patentamt lenkt. Denn mit Patenten lassen sich Erfindungen absichern, werden Investitionen erst lohnenswert. Patente sind ein Ansporn für findige Köpfe, sie stimulieren die Industrie, treiben die technische Entwicklung voran und gelten so nicht zu Unrecht als wichtiger Maßstab für die Innovationskraft eines Landes. Wer in die andere Richtung denkt und etwa die Entwicklung der Biotechnik bremsen will, muss folgerichtig das Recht auf Patente auf diesem Gebiet zurückdrängen. Dem dient die Kampagne "Kein Patent auf Leben", die nicht zuletzt suggeriert, dass Menschen oder ihre Bestandteile zum geistigen Eigentum von Patent-Inhabern würden.

In Wirklichkeit aber geht es darum, Investitionen in die Genforschung rentabel zu machen. Wer nach langem Suchen und unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel zum Beispiel ein wichtiges Krankheitsgen gefunden hat, möchte, dass seine Arbeit sich bezahlt macht, etwa durch (zeitlich beschränkte) Patentgebühren auf einen genetischen Test. Das mag in mancher Hinsicht fragwürdig sein, aber die Behauptung von Kritikern, diese Praxis führe zu so etwas wie moderner Leibeigenschaft, schießt übers Ziel hinaus.

Auch wenn es den umstrittenen Forschern aus Edinburgh nicht um Menschenzüchtung geht, sondern lediglich um die Erforschung von Stammzellen: diskussionswürdig ist dieser junge Zweig der Biowissenschaft durchaus. Stammzellen sind "Alleskönner", sie sollen eines Tages menschliches Gewebe ersetzen, zum Beispiel bei der Schüttellähmung (Parkinson), bei der Zuckerkrankheit oder bei Blutkrankheiten. Damit sie ihr universales medizinisches Talent entfalten können, müssen Stammzellen "jungfräulichen" Charakter haben. Deshalb werden sie entweder aus Keimzellen toter Feten aus Fehlgeburten oder Abtreibungen gewonnen oder entstammen Embryonen, die bei der Reagenzglasbefruchtung "übrig geblieben" sind und nicht eingepflanzt wurden (diese Möglichkeit ist in Deutschland verboten).

Das Dilemma ist klar: auf der einen Seite die Möglichkeit, mit einer neuen Therapie viele schwere Leiden lindern oder Leben verlängern zu können, auf der anderen das Problem, dazu Gewebe aus menschlichen Embryonen benutzen zu müssen. Zwar ist das Ausweichen auf tierische Stammzellen oder auf "umerzogene" körpereigene Zellen des Patienten denkbar. Aber zum ethischen Nulltarif scheint der medizinische Fortschritt nicht zu haben zu sein.

Mit einer Anti-Gentechnik-Kampagne dürfte Greenpeace nicht nur in den Medien, sondern auch in der deutschen Regierung manche Sympathien auf seiner Seite haben. Das zeigt das Verbot des "Gen-Mais", mit dem die Bundesregierung sich kürzlich über das Votum des im Gentechnik-Gesetz vorgesehenen Expertengremiums hinwegsetzte.

Der Wind hat sich gedreht, am Himmel der Biotechnik ziehen Wolken auf. Vielleicht wird irgendwann die deutsche Gentechnik ins Abseits gedrängt. Vielleicht aber hilft die neu aufgebrochene Diskussion der Wissenschaft auch, ihre Argumente der nicht immer gut informierten Öffentlichkeit nahe zu bringen. Die Aussicht auf neue Therapien und bessere Nahrungsmittel dürfte selbst Skeptiker nicht unbeeindruckt lassen.

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