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Gesundheit: Kiffen und schlafen

Studenten greifen häufiger zu Drogen als andere Menschen – und bleiben morgens länger im Bett

Schlaflose Nächte, Brechanfälle und Durchfall: Zu Prüfungszeiten ist das Studentenleben für viele nur schwer zu ertragen. Manch einer kann die Angstanfälle nicht bewältigen und flüchtet – in die Apotheke. Nicht immer verlangen die Kunden nur Johanniskraut oder Baldrian. Manche Studenten lassen sich Benzodiazepine verschreiben, zum Beispiel Valium. Diese Stoffe können stressgeplagte Menschen auf der Suche nach ein bisschen Ruhe durchaus abhängig machen.

Genau wie Cannabis, neben Alkohol und Tabak die beliebteste Droge der Studenten, wie der Soziologe Theo Baumgärtner herausgefunden hat. Für sein Buch „Kiffen, Koksen und Klausuren“ befragte er 1500 Erstsemesterstudenten an den Universitäten Leipzig, Dresden und Hamburg zu ihrem Umgang mit legalen und illegalen Drogen. Das Ergebnis: 40 Prozent haben Erfahrungen mit Haschisch oder Marihuana. Von denen gibt die Hälfte an, Gewohnheitskonsument zu sein. Noch vor zehn Jahren sagten das nur 23 Prozent. Damit liegen Studenten weit über dem Durchschnitt der Bevölkerung. 21,8 Prozent der westdeutschen und elf Prozent der ostdeutschen Bürger geben an, mindestens einmal in ihrem Leben eine illegale Droge probiert zu haben, wie die vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene „Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen 2000“ zeigt.

Warum greifen Studenten so viel häufiger zu Drogen als andere Menschen? Ist das Dasein in Bibliotheken und Hörsälen wirklich so deprimierend, dass man es nur umnebelt aushält? Für den Soziologen Baumgärtner ist eher das Gegenteil wahr. Die Masse der Studenten greift nicht aus Angst und Kummer zu Drogen, sondern weil ihre Lebensweise meist genug Zeit lässt, die Folgen des Konsums zu verarbeiten. Studierende müssen nicht jeden Morgen im Büro erscheinen, wie etwa Bankangestellte. Wer zu viel gefeiert hat, bleibt einfach im Bett. Gerade in großen Universitäten fällt es kaum auf, wenn in der Vorlesung einer fehlt.

So bleibt Studenten auch mehr Zeit neue Dinge auszuprobieren. Neugierde ist das Hauptmotiv, Drogen auszuprobieren, ebenso wie der Wunsch „mal abschalten und den Alltag vergessen zu können“, sagt Baumgärtner. Dabei wird Ecstasy überwiegend in der Partyszene genommen, von Heroin oder Kokain hingegen lassen die meisten die Finger. Um so lieber trinken die befragten Studenten Alkohol: Für über 90 Prozent gehören Bier, Wein oder Spirituosen „regelmäßig oder zu bestimmten Anlässen einfach zum Leben dazu“, hat Arthur Kreuzer, Kriminologe an der Uni Gießen, in seiner Befragung von Erstsemesterstudenten der Rechtswissenschaften festgestellt. Fast jeder dritte Mann gibt an, „schon über 50 Mal betrunken“ gewesen zu sein. Bei den Studentinnen waren es 14 Prozent. Über drei Viertel der zuletzt befragten Studenten hätten schon einmal Haschisch angeboten bekommen, rund die Hälfte von ihnen habe schon selbst konsumiert – das sind so viele wie seit fast 30 Jahren nicht mehr.

Allerdings: „Insgesamt entspricht die Konsummenge aller Drogen bei den Studenten dem der Durchschnittsbevölkerung“, sagt Sozialwirtin Svenja Berner, die die Umfrage jedes Semester gemeinsam mit Arthur Kreuzer durchführt. Anders ist nur, dass die Hauptdroge bei den Studenten Cannabis ist.

Das hängt vor allem damit zusammen, dass mittlerweile selbst ein unerfahrener Konsument leicht an Cannabis kommt, meint Baumgärtner. Die Studenten kaufen den Stoff entweder von Fremden oder lassen ihn sich von Freunden schenken. „Kiffen ist doch normal, selbst Prominente und Politiker brüsten sich damit, schon mal gekifft zu haben“, sagt der Politologie-Student Jochen, der nach der Uni regelmäßig ein paar Joints raucht. Schuldgefühle hat er nicht, auch über Konflikte mit dem Gesetz macht er sich keine Sorgen. Die Droge ist zwar illegal. Aber Strafverfahren wegen des Besitzes von Cannabis in geringen Mengen werden meist eingestellt. Berlin hat die Grenze der „geringfügige Menge“ auf sechs Gramm festgelegt, während in Bayern schon der Besitz von einem Gramm zur Strafverfolgung führt. „Welche Droge verantwortbar ist und welche nicht, wird bei vielen Studenten nicht entlang der Legalitätsgrenze entschieden, sondern danach, welches Risikopotenzial dem Rauschmittel zugeschrieben wird“, hat Baumgärtner festgestellt.

Dabei verschätzen sich jedoch manche Studenten. Klaus Krzyszycha, Psychotherapeut beim Studentenwerk, berichtet von Studenten, die in seiner Sprechstunde saßen, weil sie „ihr Studium richtig verkifft haben“. Aber auch studentische Alkoholiker kamen schon zu ihm, ebenso wie Ecstasy-Konsumenten. Jochen, dem Politologie-Studenten, machen solche Geschichten keine Angst: „Beim Kiffen kann ich mich gut entspannen“, sagt er. Aber genau solche lockeren Sprüche sind in der Drogenberatung nicht unbekannt.

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