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Medizin: Den Krebs an der Wurzel gepackt

Schwarzer Hautkrebs – Erstmals ist es Forschern gelungen, Stammzellen des Tumors aufzuspüren und zu zerstören.

Seit einigen Jahren verfolgen Forscher eine heiße Spur in Sachen Krebsentstehung. Es gibt mittlerweile etliche Indizien dafür, dass Tumoren eine kleine Fraktion von Urzellen besitzen. Sie trotzen herkömmlichen Behandlungsversuchen und sorgen für Nachschub an Krebszellen. Jetzt haben Wissenschaftler einen Weg gefunden, diese Krebs-Stammzellen beim Melanom, dem schwarzen Hautkrebs, aufzuspüren und zu zerstören.

Im gesunden Organismus haben Stammzellen eine lebenswichtige Aufgabe: Sie sind dafür zuständig, verbrauchte Zellen zu ersetzen. Einen besonders hohen „Umsatz“ an Gewebe haben zum Beispiel die Darmschleimhaut und das Blut, während Nervenzellen so gut wie gar nicht ausgetauscht werden.

Auch „bösartige“ Stammzellen haben Nachkommen – Krebszellen. Doch werden diese Stammzellen, im Unterschied zu gewöhnlichen Tumorzellen, nicht durch eine Chemotherapie mit Zellgiften abgetötet. Denn diese Zellen können sich selbst entgiften. Und sie sind vielleicht ein Grund dafür, dass Krebs im späteren Stadium nicht mehr auf eine Behandlung reagiert. Mittlerweile wurden etwa bei Brust-, Dickdarm-, Bauchspeicheldrüsen- und Eierstockkrebs entsprechende Stammzellen gefunden.

Unklar ist noch, wie Krebs-Stammzellen entstehen. Es könnte sein, dass ausgereifte Zellen sich in diese Urzellen zurückverwandeln. Oder aber zuvor intakte Stammzellen geraten außer Rand und Band und produzieren plötzlich Krebszellen. Aus dem ehrenwerten Dr. Jekyll wird der zwielichtige Mr. Hyde.

Markus Frank und seine Mitarbeiter von der Harvard Medical School in Boston gelang es, Melanom-Stammzellen aufzuspüren, wie die Forscher im Fachblatt „Nature“ (Band 451, Seite 345) berichten. Jedes Jahr sterben in Deutschland knapp 3000 Menschen an einem Melanom. Zwar sind lediglich drei Prozent der bösartigen Tumoren Melanome. Allerdings ist es gut denkbar, dass sich die Forschungsergebnisse auch auf andere, häufigere Tumorarten anwenden lassen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Melanom-Stammzellen ein bestimmtes Eiweiß mit Namen ABCB5 herstellen. ABCB5 ist ein Protein, dass in der „Haut“ der Krebszellen sitzt und sie gegen die Behandlung mit Zellgiften schützt.

„Das Molekül ist eine Pumpe, die Chemotherapie-Medikamente aus der Krebszelle herausschleust“, sagte Markus Frank dem Tagesspiegel. So verwundert es nicht, dass Zellen, die ABCB5 herstellen, in fortgeschrittenen Tumorstadien gefunden werden. Zu einem Zeitpunkt, zu dem das Melanom nur noch schwer zu behandeln und eine Heilung nur selten möglich ist. „Wir haben zum ersten Mal eine Verbindung zwischen Krebs-Stammzellen und dem Fortschreiten einer Krebskrankheit hergestellt“, sagt Frank.

Nachdem die Wissenschaftler die Melanom-Urzellen eingekreist hatten, stellten sie sich die Frage, was passieren würde, wenn man diese gezielt bekämpfen würde. Sie bastelten einen monoklonalen Antikörper – ein Eiweißmolekül, das wie eine Lenkwaffe ABCB5 aufspürt, sich an das Molekül andockt und auf diese Weise die körpereigene Abwehr gegen die Krebszellen auf den Plan ruft. Die Forscher pflanzten Mäusen die Melanom-Stammzellen ein und spritzten einem Teil der Tiere den Antikörper. Mit Erfolg. Während sich der Krebs bei den nicht behandelten Tieren ungehindert ausbreitete, entwickelten sich nur bei drei der elf mit dem Antikörper behandelten Tiere neue Tumoren.

Es gelang also, just das Molekül, mit dem sich die Krebszellen gegen eine Therapie wappnen, zur Achillesferse für den Tumor zu machen. „Die Studie legt das Fundament für eine mögliche Behandlung, sie zeigt, dass es eine sinnvolle Strategie sein kann, Krebs-Stammzellen zur Zielscheibe zu machen“, sagt Frank.

Der nächste Schritt könnte darin bestehen, Patienten mit einem fortgeschrittenen, bisher meist unheilbarem Melanom zu behandeln. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass es in zwei bis drei Jahren so weit sein könnte. Neben einem Antikörper gegen ABCB5 wäre auch eine Therapie mit kleinen RNS-Molekülen eine Möglichkeit. Maßgeschneiderte RNSMoleküle könnten gefährliche Gene in der Krebs-Stammzelle gezielt lahmlegen. Aber Frank will sich zunächst auf ein Antikörper-Medikament konzentrieren.

Trotz dieser Aussichten bleibt die Früherkennung vorerst der beste Weg, um das Melanom zu bekämpfen. Muttermale, die Größe, Form oder Farbe verändern, sind ebenso verdächtig wie solche, die unregelmäßige Grenzen zur normalen Haut haben, die verschieden gefärbt oder asymmetrisch sind und jucken, bluten oder in deren Nachbarschaft plötzlich neue Muttermale auftauchen.

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