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Gesundheit: Mehr Freiheit, mehr Tests

Die Kultusminister bereiten den Weg aus der Schulmisere vor – mit Bildungsstandards

Von „Mindeststandards“ wollen die Kultusminister der Länder nichts mehr wissen. Sie sprechen lieber von „Regelstandards“, wenn es darum geht, durch Tests zu erfahren, was die Schüler jenseits der Vorbereitung auf die Klassenarbeiten über einen längeren Zeitraum wirklich gelernt haben. Die Bildungsstandards sind ein Versuch, schrittweise die deutschen Schulen aus der Misere herauszuholen, die durch die international vergleichenden Schultests in Mathematik und Naturwissenschaften (TIMSS) sowie im Leseverständnis (PISA) zu Tage getreten ist.

Nachdem die Kultusminister im Sommer Musteraufgaben für Bildungsstandards in Deutsch, Mathematik und Englisch oder Französisch als erster Fremdsprache veröffentlicht hatten, fand jetzt eine Fachtagung über die Bildungsstandards in Berlin statt. Hier konnten sich Vertreter der Schüler, Eltern, Lehrer, Kirchen, Gewerkschaften und der Wirtschaft zu den Entwürfen für den mittleren Schulabschluss äußern. Vor Journalisten stellten die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Karin Wolff (CDU) und die Kultusministerin von Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen (SPD), heraus, wie groß der Konsens und wie positiv das Echo gewesen seien, mit denen die angehörten Verbände auf die Standards reagiert hätten. Nur eine Forderung wollen die Kultusminister offensichtlich nicht erfüllen: für den Deutschunterricht wieder einen verbindlichen Literaturkanon, Prüfungen des Wortschatzes und der Orthographie als Bildungsstandards vorzugeben. Wie Ministerialdirektor Josef Erhard vom bayerischen Kultusministerium betonte, stehen die Minister vor folgendem Dilemma: Für den Deutschunterricht gebe es so gut wie keine didaktischen Vorarbeiten für Bildungsstandards. Viel günstiger sehe es in der ersten Fremdsprache aus, für die es immerhin einen gemeinsamen europäischen Referenzrahmen gebe. Am besten stehe es in der Mathematik, wo man auf weltweit gebrauchte Vorbildaufgaben für Standards zurückgreifen könne.

Die Kultusminister sind sich über folgende Punkte weitgehend einig: Die Musteraufgaben für die Bildungsstandards in Deutsch, Mathematik und erster Fremdsprache für den mittleren Schulabschluss am Ende der zehnten Klasse sollen nach der gestrigen Anhörung so weit überarbeitet werden, dass die Kultusministerkonferenz auf ihrer Sitzung im Dezember die Bildungsstandards beschließen kann. Zum 1. August 2004 werden die Bildungsstandards bundesweit eingeführt. Die Veröffentlichung von Standards für den Hauptschulabschluss (9. Klasse) und für die vierte Jahrgangsstufe der Grundschule ist für das Frühjahr 2004 geplant.

Mit den Standards wird nicht nur der Versuch unternommen, sich in allen 16 Bundesländern anhand der Musteraufgaben zu vergewissern, was wirklich gelernt worden ist – die Standards sollen auf der anderen Seite auch dazu dienen, die Lehrer rechtzeitig über Mängel im Wissenserwerb und besondere Schwächen einzelner Schüler aufzuklären. Daraus folgt für die Kultusminister eine Selbstverständlichkeit: Lehrer müssen schon in der Universität oder in Fortbildungen auf die Arbeit mit Bildungsstandards und Tests vorbereitet werden.

Die Bildungsstandards sind die notwendige Voraussetzung, um für die einzelnen Fächer vier oder fünf Kompetenzstufen zu entwickeln, die zeigen, wie weit die Fähigkeit zur Anwendung des Wissens in dem jeweiligen Alter der Schüler reicht. Die Kompetenzstufen sind der Maßstab für das Profil, das jede Schule erreichen möchte. Einen Grundsatz geben die Kultusminister Eltern, Schülern und Lehrern mit auf den Weg: „Die größere Selbstständigkeit der einzelnen Schulen und vergleichbare Standards sind zwei Seiten einer Medaille. Mehr Freiheit für die einzelne Schule setzt Verbindlichkeit über Ziele und Standards voraus.“ So formulierte es Doris Ahnen, die Vizepräsidentin der Kultusministerkonferenz.

Uwe Schlicht

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