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Gesundheit: Neue Hoffnung für alte Knochen

Das Berliner Naturkundemuseum soll wegweisend für Deutschland werden – aber noch ist es teilweise eine Ruine

Auf der Berliner Museumsinsel kreischen die Bohrer, Hammerschläge hallen durch die ehrwürdigen Gebäude – seit der Bund mit erheblichen Mitteln in die Sanierung eingestiegen ist. Anders in der westlich davon gelegenen Invalidenstraße: Dort hat das Naturkundemuseum seine Alterspatina noch immer nicht abgelegt. Zwar sind die Dächer mittlerweile neu gedeckt. Doch die Fassade bröckelt, Ungeziefer frisst an den zoologischen Exponaten.

Der Ostflügel, seit dem Zweiten Weltkrieg eine Ruine, dämmert in Agonie. „Für die Sanierung dieses Gebäudeteils hat das Land für 2005 und 2006 rund 30 Millionen Euro geplant“, gibt Torsten Wöhlert Auskunft. Er ist Sprecher von Wissenschaftssenator Thomas Flierl, dem das Museum untersteht. In zweifacher Hinsicht: als bedeutende Kulturstätte und als Zentralinstitut der Humboldt-Universität. Doch schon am heutigen Dienstag könnten im Senat neue Weichen gestellt werden:

„Wir haben einen Entwurf zur Änderung des Museumsgesetzes erstellt, der im Senat beraten und dem Abgeordnetenhaus vorgelegt wird“, stellt Torsten Wöhlert in Aussicht. Das heißt, das Museum soll eine zeitgemäße Verwaltung erhalten. Bislang unterliegt es als Zentralinstitut der Humboldt-Universität akademischen Regeln. Die Leiter der drei Institute sind allesamt Professoren.

Gerhard Neuweiler, Zoologe an der Universität München und ehemaliger Vorsitzender des Wissenschaftsrates, führte im vergangenen Jahr eine Expertengruppe an, die das Museum analysierte. „Die Forschung erfolgt auf Kosten der Sammlungen“, schrieb er der Universitätsleitung ins Stammbuch. „Die Sammlungen müssen wissenschaftlich verwaltet, entwickelt, erfasst und über das Internet zugänglich gemacht werden.“

In seinem Abschlussbericht vom August des vergangenen Jahres schlug er vor, die Institutsstruktur aufzulösen und das Museum in moderne Abteilungen zu gliedern. Um die Macht der Professoren zu brechen, soll ein Generaldirektor an die Spitze treten, der den Ausstellungen und dem öffentlichen Erscheinungsbild des Museums mehr Gewicht verleiht.

25 Millionen Stücke

Mit 25 Millionen Exponaten gehört das Naturkundemuseum in die Reihe der großen Sammlungen in London, Paris, Washington und Sankt Petersburg. Seit 1969 vereint es die zoologischen, mineralogischen und paläontologischen Museen in Berlin sowie die anthropologischen und botanischen Sammlungen einschließlich der Pflanzensammlung am Baumschulenweg. Dafür stehen derzeit 16 Säle zur Verfügung.

Weil Labore und Arbeitsräume fehlen, können nur zwei Drittel der Ausstellungsfläche von 10 000 Quadratmetern genutzt werden. Im vergangenen Jahr kamen 250 000 Besucher in die Invalidenstraße.

Das Naturkundemuseum ist von seiner Bedeutung her durchaus mit dem Pergamonmuseum vergleichbar. Dorthin strömten mehr als 850 000 Besucher. Gerhard Neuweiler sieht die wissenschaftliche Zukunft des Museums in der biologischen Beschreibung lebender und fossiler Arten und in der kosmischen Mineralogie. „Es könnte ein deutsches Referenzzentrum für die Evolution der Erde und des Lebens werden.“ Dafür gebe es zurzeit zu wenig Austausch zwischen dem Museum und der Universität. „Das Museum bildet einen Fremdkörper in der Universität.“

Bewerbungsfrist beendet

Ende August dieses Jahres lief die Bewerbungsfrist für die neue Stelle eines Generaldirektors ab. Noch befinden sich vier aussichtsreiche Kandidaten im Rennen. Die Auswahlgespräche laufen in dieser und der kommenden Woche. Das Kuratorium wird den Generaldirektor vorerst auf Zeit benennen. Künftig könnte das Museum dem Kuratorium der Universität direkt unterstellt werden. Bei der Bund-Länder-Kommission liegt ein Antrag des Landes Berlin, das Museum in die Leibniz-Wissenschaftsgemeinschaft aufzunehmen. Erst dann käme der Bund in die Pflicht, der alle Leibniz-Institute zu fünfzig Prozent finanziert. Die andere Hälfte trägt das jeweilige Bundesland.

Letztlich geht es vor allem ums Geld. Der jährliche Etat des Museums liegt derzeit bei 8,73 Millionen Euro. Sein Etat gehört zur Universität, alle Einnahmen muss es an die Verwaltung abführen. Von den Mitteln lassen sich nicht einmal die gröbsten Kriegsschäden beheben, geschweige denn die Sammlungen modernisieren. „Hoffnungslos unterfinanziert“, urteilten Neuweilers Museumsexperten. Zum Vergleich: Das Natural History Museum in London hat 837 Angestellte. Sein jährliches Budget beträgt 38,7 Millionen Pfund. Das Muséum National d´Histoire Naturelle in Paris beschäftigt 2000 Mitarbeiter. Es erhält jährlich 103 Millionen Euro.

Allein um den Bau des Berliner Museums auf Vordermann zu bringen, müssten 128 Millionen Euro her. Das Land hat den Sanierungsfall beim Hochschulbauförderungsprogramm angemeldet. 30 Millionen Euro für die Instandsetzung des zerstörten Ostflügels könnten 2005 kommen. Dorthin könnten Labore, Bibliotheken und Magazine aus dem Hauptbau umziehen.

Anschließend würden die frei werdenden Flächen im Hauptgebäude für weitere Ausstellungen hergerichtet. Dafür fallen 28,5 Millionen Euro an. Das Problem: Beim Hochschulbau muss das Land einen Anteil übernehmen, sonst fließt kein Geld vom Bund. Das Land wiederum verlangt dafür von der Humboldt-Uni, Immobilien zu verkaufen.

Heiko Schwarzburger

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