zum Hauptinhalt

Gesundheit: Nur die Besten sollen Lehrer werden

Hohe Hürden: Die Berliner Unis reformieren das Lehramts-Studium

Bernhard K. möchte unbedingt Lehrer werden. Er will im Oktober mit dem Studium in Anglistik und Sport an der Berliner Humboldt-Universität starten. Dort erwartet ihn ebenso wie seine Kommilitonen an der Freien Universität oder der Technischen Universität ein völlig reformiertes Studium: Alle Berliner Lehramtsstudiengänge werden vom Wintersemester an auf Bachelor und Master umgestellt.

Um das zu schaffen, haben die Studienreformer in den Universitäten in den letzten Wochen Schwerarbeit gleistet. Zunächst haben sie die Bachelorstudiengänge konzipiert – in Module unterteilt und mit Leistungspunkten durchgerechnet. Nun ist zu erwarten, dass die künftigen Lehrer in Berlin nicht mehr achteinhalb Jahre bis zum Referendariat in den Unis verbringen und danach noch zwei Jahre im Vorbereitungsdienst den Unterricht lernen, sondern bereits nach sieben Jahren als fertige Lehrer vor den Schülern stehen. Was für ein Erfolg, wenn die Ausbildungszeit von über zehn Jahren auf sieben Jahre verkürzt werden könnte.

Bernhard K. freut sich auf diese zeitlich überschaubare Ausbildungszeit. Aber wenn er erst einmal die Studien und Zulassungsbedingungen für das Lehramtsstudium genau studiert hat, werden sich Zweifel melden, ob er sein Ziel mit einiger Sicherheit erreichen wird. Angenommen, er schafft den Bachelorabschluss in drei Jahren „nur“ mit der Note „befriedigend“ – wird er dann noch zum Masterstudium zugelassen oder muss er seinen Wunsch aufgeben, eines Tages Lehrer zu werden? Denn mit der Note „befriedigend“ könnte er an den Aufnahmehürden scheitern, die die Berliner Universitäten vor die Zulassung zum Masterstudium setzen. Und ohne Master ist der Bachelor – jedenfalls für den künftigen Lehrerberuf – nichts wert.

Im Rahmenkonzept für die Bachelor und Masterstudiengänge hat etwa die Freie Universität festgelegt: Für die Zulassung zum Masterstudium gelten „besondere Zugangsvoraussetzungen. Diese bestehen in einem überdurchschnittlichen Bachelorabschluss“. Dazu kommt ein Auswahlgespräch. Die Notenhürde kann unter bestimmten Voraussetzungen auch durch dieses Auswahlgespräch oder nachgewiesene sonstige „wesentliche Kenntnisse“ ersetzt werden. Der Vizepräsident für die Lehre an der Humboldt-Universität, Heinz-Elmar Tenorth, kündigt auch für seine Universität an, dass zum Masterstudium ein „überdurchschnittlicher Bachelorabschluss“ nachzuweisen sei. Kein Wunder, dass die Studentenvertreter in der HU gegen diese Hürde Sturm laufen. Noch ist es Zeit für Änderungen, denn an der Humboldt-Universität werden die Zulassungsvoraussetzungen für den Master erst im Mai 2005 beschlossen.

Über das Lehrerstudium gab es vor kurzem eine hitzige Debatte im Akademischen Senat der Humboldt-Uni. Die Position der Studentenvertreter formulierte Heike Delling. Sie stellte die Frage: „Sollen künftig alle Bachelor-Absolventen, die einen Abschluss mit der Note drei oder schlechter haben, nicht mehr zum Masterstudium zugelassen werden?“ Ihre Forderung lautete: „Nicht die Zulassungspolitik darf über die Frage entscheiden, wer für den Lehrerberuf geeignet ist. Das muss während des Studiums festgestellt werden. Wer das Bachelorstudium bestanden hat, erscheint für die Fortsetzung des Studiums im Master geeignet.“

Vizepräsident Heinz-Elmar Tenorth wich einer präzisen Antwort aus und gab vor, dass sich das Problem auch ganz pragmatisch lösen könnte. Nämlich dann, wenn es den Berliner Universitäten schwer fallen würde, die erforderliche Zahl von 850 Lehramtsabsolventen jährlich zu erreichen. In einer solchen Situation werde die Humboldt-Universität jeden Bachelorstudenten für den Lehrerberuf „zusammenkratzen“, um überhaupt genügend Master-Studenten für das Lehramt zu bekommen. Die HU werde über 400 Studenten in den Bachelorstudiengängen für das Lehramt zulassen – in der Hoffnung, dass 80 Prozent von ihnen den Abschluss erreichen. Wenn am Ende wirklich 350 Lehramtskandidaten ihren Master an der Humboldt Universität machten, dann wären das pro Jahr sogar 50 mehr als zurzeit.

Aber dann brachte Tenorth den Ruf der um den Elitestatus kämpfenden Universität ins Spiel: „Unsere Grundidee ist nicht, dass 100 Prozent der Bachelor-Studenten das Masterstudium fortsetzen. Es wäre ein Armutszeugnis für die Humboldt-Universität, wenn wir den Übergang zum Master ohne Kriterien festlegen.“ Hartmut Böhme, bekannter Geisteswissenschaftler, sekundierte: „Wenn die Studenten mit dem Bachelor zugleich einen Rechtsanspruch auf den Lehrerberuf verbinden wollen, dann werden sie den Lehrerberuf weiter herabstufen. Wir brauchen eigentlich die besten Absolventen für den Lehrerberuf.“

Wenn Bernhard K. in drei Jahren an der HU nur einen befriedigenden Bachelorabschluss erreichen sollte, könnte er vor dem Verwaltungsgericht auf Zulassung zum Masterstudium klagen. Seine Chancen dürften nicht ganz schlecht sein. Denn es gibt im Grundgesetz die Freiheit der Berufswahl. Der Staat darf auf der objektiven Ebene diese Freiheit nur in geringem Umfang einschränken. Auf der subjektiven Ebene kann trotz Freiheit der Berufswahl ein Studienbewerber dann nicht zum Zuge kommen, wenn er die Anforderungen nicht erfüllt oder aus gesundheitlichen Gründen für den Lehrerberuf nicht in Frage kommt. Nun wird man kaum behaupten können, dass der Student Bernhard K., nur weil er den Bachelor mit einem befriedigenden Ergebnis abgeschlossen hat, für den Lehrerberuf ungeeignet wäre. Aber die Berliner Regelungen sind nun einmal so, dass der durchschnittliche Student wohl erst zum Gericht gehen muss, weil ihm das Lehrerbildungsgesetz zusammen mit den Zulassungsordnungen zum Masterstudium an den Berliner Universitäten keine andere Wahl lässt. Niemand wagt es offiziell zuzugeben, aber insgeheim denken Kritiker der Massenuniversität daran, dass zum Masterstudium nur 20 bis 50 Prozent der besten Bachelorabsolventen zugelassen werden sollen. Deswegen sind die Hürden so hoch.

Diese Hürden können durchaus für jene Masterstudiengänge sinnvoll sein, die an den Massenuniversitäten von heute einer künftigen Elite wieder ideale Studienbedingungen sichern sollen. Ist der Master auf die Forschung in der Physik, Biologie, Archäologie oder Philosophie ausgerichtet, dann stimmt das Konzept. Aber ein Student, der Lehrer werden will, wünscht sich einen normalen Beruf mit Praxisorientierung und kein Forschungsstudium für die hohen Weihen des Erziehungswissenschaftlers oder Psychologieprofessors.

Aber muss man ein intellektueller Überflieger mit einem Summa-cum- laude-Abschluss sein, um sich im rauen Alltag der Schulen zu behaupten? Gebraucht werden vielmehr nervenstarke Persönlichkeiten, die sich durchsetzen können, sagen Schulpraktiker.

Für den zukünftigen Literaturforscher ist der überdurchschnittliche Bachelorabschluss mit Sicherheit eine richtige Hürde. Ob dieser Maßstab auch für den künftigen Lehrer angemessen ist, darf demnach bezweifelt werden.

Uwe Schlicht

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false