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Gesundheit: „Offen über das Krebsrisiko sprechen“

Die Gynäkologen treffen sich in Berlin: ein Gespräch mit Kongresspräsident Klaus Vetter

Herr Vetter, das Motto des Kongresses lautet: Frauen – Medizin – Kommunikation. Müssen Frauenärzte noch mehr darauf achten als ihre Kollegen, dass die Kommunikation mit den Patientinnen stimmt?

Frauenheilkunde ist biografische Medizin. Es ist unsere Aufgabe, mit den Frauen über alle Phasen ihres Lebens hinweg im Gespräch zu bleiben. Das versuchen wir auch mit der Bildgeschichte zum Ausdruck zu bringen, die das diesjährige Kongress-Logo bildet. Da sitzt zuerst ein Mädchen, dann eine Schwangere, schließlich eine Frau im mittleren Alter und dann eine alte Frau ihrem Arzt gegenüber.

Sollte man heutzutage nicht eher eine Frau am Bildschirm zeigen, die sich im Internet ihre Informationen beschafft?

Nein, denn trotzdem bleiben Gynäkologin und Gynäkologe ja die Ansprechpartner. Aber wir müssen uns heute auch fragen: Wie gehen wir damit um, dass Patientinnen punktuell vielleicht besser informiert sind als ihre Ärzte? Wie kann man diese Informationen ins Gespräch einbetten? Wie sieht etwa professionelles Risikomanagement aus? Wir müssen zum Beispiel vernünftige Wege finden, über Statistik und Zahlen zu sprechen, wenn es um das Brustkrebsrisiko geht. Hier haben wir auch die Aufgabe der Lebensberatung. Denn inzwischen ist deutlich geworden, dass das Brustkrebsrisiko der Frauen nach den Wechseljahren auch von Messer und Gabel abhängt, weil es mit dem Gewicht steigt.

Pubertät, Pille, Postmenopause: Kritiker monieren, das gesamte gesunde Frauenleben werde heute als „behandlungsbedürftig“ betrachtet. Ist da was dran?

Ich glaube, die Zeit, in der Menschen sich ihren Alltag ganz unkritisch mit Medikamenten erleichterten und gegen jedes Wehwehchen gleich eine Pille nahmen, ist eigentlich vorbei. Aber es stimmt, dass gewisse Phasen des Lebens von Frauen heute sozusagen pharmakologisch stark bedient werden. Nehmen wir nur die Verhütung, bei der wir ja effektive Methoden anzubieten haben. Allerdings ist es nicht so, dass die Ärzte sie den Frauen aufdrängen würden!

Gibt es nicht bei der Hormonersatztherapie immer wieder diesen Verdacht?

Was die Zeit in und nach den Wechseljahren betrifft, so hat die Debatte um die Hormonersatztherapie dazu geführt, dass die Frauen individuell entscheiden. Die Behandlung geschieht nicht mehr mit der Streubüchse, die Diskussion hat eindeutig eine neue Qualität gewonnen.

Wenn Frauen im Lauf ihres Lebens regelmäßig zum Gynäkologen gehen, so hat das entscheidend mit den Angeboten zur Vorsorge und Früherkennung zu tun. Mit der bevorstehenden Zulassung von zwei Impfstoffen gegen Humane Papillomaviren (HPV), die Gebärmutterhalskrebs verursachen, haben die Frauenärzte eine neue Aufgabe vor sich.

Das ist für uns ein wichtiges Thema, denn wir werden mit den beiden Impfstoffen, die gegen die wichtigsten Auslöser des Gebärmutterhalskrebses gerichtet sind, eine neue Möglichkeit zur Prävention erhalten. In einer unserer zentralen Veranstaltungen wird Harald zur Hausen aus Heidelberg sprechen, einer der Väter dieser HPV-Impfung. Er konnte beweisen, dass Gebärmutterhalskrebs durch Viren ausgelöst wird – gegen die man impfen kann.

Wann sollte die Impfung erfolgen?

Am sinnvollsten ist es, das vor dem ersten sexuellen Kontakt zu tun, um eine Infektion mit diesen gängigen Erregern von vornherein zu verhindern. Wir sollten dafür zusammen mit den Kinder- und Jugendärzten, vielleicht auch mit den Allgemeinmedizinern ein Konzept erarbeiten. Und wir wissen noch nicht, wer das bezahlen wird. Auf lange Sicht werden womöglich nicht nur die Mädchen, sondern auch die Männer geimpft werden, um sie als Träger des Virus auszuschalten.

Alle Jahre wieder kommen die Frauen wegen dieser Krebsform zum Abstrich, den die Kasse bezahlt. Außerdem werden jetzt Tests auf die HP-Viren als „individuelle Gesundheitsleistung“ angeboten, die man aus der eigenen Tasche bezahlen muss. Wird das mit der Impfung alles hinfällig?

Der alleinige Nachweis der Besiedlung mit Viren ist nicht aussagekräftig, denn das Immunsystem wird in den allermeisten Fällen von selbst mit ihnen fertig. Anders ist es, wenn beim Abstrich schon Veränderungen am Gebärmutterhals festgestellt wurden und wir Differenzierungen brauchen. Dann kann es bedeutsam sein, ob krebserregende Viren im Spiel sind. Der klassische Pap-Abstrich bleibt also das Maß der Dinge. Allerdings wird diskutiert, wie oft er gemacht werden sollte, wenn eine Frau in einer stabilen Beziehung lebt und sich in der Zwischenzeit kaum neu mit HPV infiziert haben kann. Auch das ist ein Thema, das beim Frauenarzt besprochen werden sollte.

Zur Früherkennung von Brustkrebs, der Krebsform, von der sich Frauen heute am meisten bedroht fühlen, kommt jetzt das Mammografie-Screening. Geben Sie leichten Herzens eine Aufgabe an die Radiologen ab?

Zwar machen auch Frauenärzte Mammografien, aber es stimmt, die Gynäkologen stehen beim Screening-Programm nicht im Zentrum. Sie sind aber in vielen anderen Fällen mit Ultraschalluntersuchungen der Brust gefragt. Aus unserer Sicht ist hier wieder sehr wichtig, wie Kommunikation und Beratung funktionieren, das wird auch für die Akzeptanz entscheidend sein. In dieser Hinsicht habe ich aber Bedenken. Die Frauenärztinnen und Frauenärzte müssen meiner Ansicht nach ganz zentral eingebunden sein.

Kommen auf die Frauenärzte neue Aufgaben zu?

Die Harninkontinenz wird eine wichtige Aufgabe werden. Müssen wir uns damit abfinden, dass das Leben in Windeln beginnt und in Windeln aufhört? Oder finden wir neue Möglichkeiten zur Vorbeugung und nutzen die, die schon bekannt sind, wie das Beckenbodentraining? Diese Fragen gehören in einer älter werdenden Gesellschaft zur biografischen Medizin, sie sind aber auch ein besonderes Thema für Gynäkologen, schließlich bestehen Zusammenhänge zur Geburtsmedizin und zu den Hormonen.

Das Gespräch führte Adelheid Müller-Lissner

Klaus Vetter ist Leiter der Klinik für Geburtsmedizin, Vivantes-Klinikum Neukölln. Er ist Präsident des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

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