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Gesundheit: Qualität, die Leben rettet

Mehr Transparenz, bessere Therapie: Immer mehr Kliniken stellen sich dem Vergleich

Jede Operation birgt medizinische Risiken. Wenn Patienten in einer Klinik sterben, kann es aber auch an menschlichem oder technischem Versagen liegen. Verbessertes Teamwork und gezielte Schulungen können helfen, solche Fehler zu vermeiden.

So sind Themen wie Qualitätssicherung und Fehlermanagement in medizinischen Fachjournalen präsent, vor allem, seit eine US-Studie mit dem einprägsamen Titel „Irren ist menschlich“ im Jahr 1999 die Fachwelt aufschreckte: Bis zu 98 000 Todesfälle pro Jahr könnten demnach in amerikanischen Krankenhäusern vermieden werden. So viele Tote gingen der Studie zufolge auf das Konto von falschen Medikamentenverordnungen, Schlampereien bei Operationen und mangelhafter Pflege. Schuld seien allerdings weniger „schlechte“ Ärzte und Pflegekräfte, die Ursache liege meist in unkoordinierten Abläufen und mangelnder Kommunikation, also schlicht im System.

Noch vor den Amerikanern ließen sich einige Deutsche von der alarmierenden Studie zu Taten inspirieren, so berichtet im Gespräch mit dem Tagesspiegel Thomas Mansky, Leiter der Medizinischen Entwicklung des Helios-Konzerns, zu dem heute in Deutschland 55 Krankenhäuser gehören. Mansky und seine Mitarbeiter entwickelten ein System von Indikatoren, mit dem die wichtigsten Qualitäts- und Leistungsmerkmale von Kliniken vergleichbar und transparent gemacht werden sollen. 110 Häuser, die nicht zum Konzern gehören, haben es inzwischen übernommen.

„Auch in deutschen Krankenhäusern sind 30 000 bis 40 000 Todesfälle im Jahr vermeidbar“, sagt Mansky. Das wären von der Größenordnung her immerhin etwa zehn Prozent der 394 684 Todesfälle, die sich 2005 in deutschen Krankenhäusern ereigneten. Statt von „vermeidbar“ sollte man vielleicht genauer von „zu diesem Zeitpunkt vermeidbar“ oder von „aufschiebbar“ sprechen. Doch es geht um gewonnene Lebensjahre. „Wenn man anfängt, sich gezielt darum zu kümmern, kann man die Sterblichkeit deutlich senken“, sagt Mansky.

Als Beispiel nennt er die Herzschwäche: Zwischen 2000 und 2006 ging die Herzinsuffizienz-Todesrate, die zuvor als Problem identifiziert worden war, in den konzerneigenen Krankenhäusern von 20,4 Prozent auf 8,3 Prozent herunter. Im altersentsprechenden Bundesvergleich lag sie im gleichen Jahr bei 10,6 Prozent.

Eine Rückmeldung darüber, wie sie im Vergleich dastehen, bekommen Deutschlands Krankenhäuser mittlerweile einmal im Jahr auch von der Bundesgeschäftstelle Qualitätssicherung (BQS). Diese Gesellschaft wertet im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen Daten aus, die zuletzt 1708 Krankenhäuser lieferten.

Dabei geht es in 20 Bereichen, untergliedert in 169 Qualitätsziele, um drei Fragen: Wird das Richtige getan? Wird es richtig gemacht? Was kommt dabei heraus? Findet sie Auffälligkeiten, dann fragt die BQS nach und fordert Kliniken zur Stellungnahme auf. 6666 solcher Nachfragen hat es im Jahr 2005 gegeben. „Inzwischen werden die Qualitätsziele zu 21 Prozent voll, zu 63 Prozent im Wesentlichen erreicht“, sagte BQS-Geschäftsführer Volker Mohr kürzlich bei einer Veranstaltung in Berlin.

An Verbesserungen kann bisher diskret unter Ausschluss der Öffentlichkeit gearbeitet werden. Das dürfte sich jedoch bald ändern. Für die große Serie über Berliner Kliniken, die der Tagesspiegel im letzten Jahr veröffentlichte, stellten fast alle Krankenhäuser ihre BQS-Daten zur Verfügung.

Das Interesse ist in einer rankingorientierten Zeit riesig: Ein Klinikführer der Rhein-Ruhr-Region, für den die Hälfte der Kliniken ihre Daten bereitstellten, verkaufte sich in den ersten Monaten über 30 000 Mal. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat denn auch die BQS beauftragt nachzuprüfen, welche ihrer Gütekriterien für die Veröffentlichung geeignet seien.

Woran ist Qualität nun festzumachen? Die BQS-Daten beschränken sich bewusst nicht auf die Frage der Sterblichkeit. Wer ein neues Knie- oder Hüftgelenk braucht, interessiert sich ja vornehmlich dafür, welche Chancen er hat, sich nach der Operation wieder gut bewegen zu können. Zudem monieren Kritiker, der Blick auf die Todesstatistik benachteilige Kliniken, die besonders viele alte, mehrfach kranke Patienten behandeln. Solche Unterschiede kann man zwar rechnerisch ausgleichen. „Um aber einen Zustand perfekter Vergleichbarkeit herstellen zu können, müssten die Patienten den Kliniken nach dem Zufallsprinzip zugeteilt werden“, sagt Karl Wegscheider vom Institut für Statistik und Ökonometrie der Uni Hamburg.

Schließlich geht es aber nicht allein um den Vergleich mit anderen Kliniken. Ziel ist auch der Blick nach innen, um die eigene Arbeit zu verbessern. In dieser Hinsicht hält Mansky die Sterblichkeit, zu der US-Kliniken inzwischen regelmäßig ihre Daten veröffentlichen, für das beste Kriterium. „Wenn die Sterblichkeit zurückgeht, hat man zuvor automatisch auch die Komplikationsraten gesenkt.“

Informationen im Internet:

www.bqs-outcome.de

www.helios-kliniken.de

Adelheid Müller-Lissner

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