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Gesundheit: Rettung vor der Pest

Ölkatastrophen treffen besonders die Tierwelt. Ein neues Verfahren soll verseuchten Vögeln helfen

Jedes Jahr sterben Tausende Meeresvögel bei Ölverschmutzungen. Tankerunglücke, Raffinerie- und Kraftwerksunfälle, auslaufende Pipelines – sie alle fordern ihren Blutzoll in der Tierwelt. Das jüngste traurige Beispiel ist das jenes vor den Philippinen gesunkenen Tankers „Solar I“, aus dem schon mehr als 350 000 Liter Öl ausgelaufen sind. An Bord des Schiffes lagert noch die sechsfache Menge.

Meeresvögel, die in den sich ausbreitenden Ölteppich geraten, haben fast keine Chance. Die schwarze Schmiere verklebt ihre Federn und beeinträchtigt ihre Bewegungsfreiheit. Schlimmer noch: Die Tiere versuchen ihr Gefieder zu putzen und verschlucken das Öl dabei. Hinterher gehen sie qualvoll an Vergiftung zugrunde.

Australische Wissenschaftler haben jetzt eine neue Methode entwickelt, um ölverschmutzte Vögel zu reinigen. Das Forscherteam um John Orbell von der Victoria Universität in Melbourne benutzt feines Eisenpulver, das für die Tiere ungiftig ist. In dem Verfahren wird das Pulver auf die verschmutzten Federn aufgetragen. Die winzigen Eisenkörnchen, jedes nur wenige hundertstel Millimeter groß, binden das Öl. Mithilfe eines starken Magneten entfernen die Forscher anschließend das Eisen-Öl-Gemisch aus dem Gefieder.

„Nach acht bis zehn Behandlungen – abhängig von der Vorbereitung – können wir den Vogel nahezu vollständig säubern“, sagt Orbell. Die verwendeten Eisenkörnchen seien so klein, dass sie unter die Federn des Tieres bis auf dessen Haut dringen. Dadurch wäre es möglich, auch das tief liegende Gefieder zu reinigen. Die Forscher haben ihre Ergebnisse in mehreren Fachblättern veröffentlicht, darunter die „Environmental Chemistry Letters“ und der „Marine Pollution Bulletin“.

Als Nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob sich das Verfahren in der Praxis anwenden lässt und was es kostet. Auf lange Sicht möchte Orbell ein tragbares Reinigungsgerät entwickeln, das es Tierschützern ermöglicht, ölverschmutzten Vögeln sofort zu helfen. „Uns schwebt eine Art Pistole vor, deren Abzug einen starken Magneten an- und ausschaltet“, erläutert Orbell. „Damit und mit dem Eisenpulver wird die Reinigung des Tieres sehr einfach sein.“ Noch am Unglücksort soll das Gerät den größten Teil der Schmiere aus dem Gefieder entfernen.

Bislang werden ölverschmutzte Vögel mit einem aufwändigen Verfahren gesäubert. Naturschützer fangen die Tiere und waschen sie in speziellen Rettungsstationen mit warmem Wasser und Spülmittellösung. Sie benutzen Handbürsten, um die schwarze Schmiere aus den Federn zu streichen. Es überrascht wenig, dass das den Vögeln nicht besonders gut tut.

„Abgesehen von der körperlichen Belastung ist die Prozedur ein erheblicher Stress für die Tiere“, sagt Silvia Gaus von der Naturschutzstation Wattenmeer. Sie untersucht schon seit Jahren, wie sich Ölverschmutzungen auf die Umwelt auswirken. Fragwürdig sei, sagt Gaus, ob den Vögeln mit derartigen Rettungsaktionen wirklich geholfen ist. Viele Tiere würden trotz der Behandlung sterben. Auch Rüdiger Rosenthal vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sagt: „Das Waschen von verunreinigten Vögeln ist sehr aufwändig und kompliziert, die behandelten Tiere verenden häufig trotzdem.“

Bis heute findet sich laut Gaus in der Fachliteratur kein überzeugender Beweis dafür, dass das Waschen von ölverschmutzten Vögeln deren Überlebenschance deutlich erhöht. Daher würden sich viele Naturschutzverbände nicht mehr an solchen Rettungsversuchen beteiligen. Sie seien nur eine zusätzliche Quälerei für die Tiere.

Kann das neue Verfahren aus Australien Abhilfe schaffen? Gaus ist skeptisch: „Das Hauptproblem bei Ölkatastrophen besteht darin, dass die Tiere sich vergiften. Da kann eine äußerliche Reinigung nicht helfen.“ Naturschützer hätten schon vielfach versucht, den Vögeln Aktivkohle und Elektrolytlösungen einzutrichtern, um dem Körper das Gift zu entziehen – mit zweifelhaftem Erfolg.

Je länger ein Vogel mit dem Öl in Kontakt komme, umso geringer seien seine Überlebenschancen. In der Nordsee zum Beispiel läge eine „schleichende Ölpest“ vor – eine permanente Belastung der Tierwelt mit dem schwarzen Rohstoff. Viele betroffene Vögel seien, wenn sie von Tierschützern gefunden würden, völlig kraftlos und bereits irreversibel geschädigt. „Bei uns“, so sagt Gaus, „gilt die Faustregel: Wenn man einen Vogel ohne Probleme greifen kann, ist ihm in der Regel nicht mehr zu helfen.“

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