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Risikofaktor Leistungssport: Zusammenbruch ohne Warnzeichen

Der plötzliche Herztod – ein Risiko auch für Spitzensportler. Gerade unter körperlicher Schwerstbelastung können Störungen auftreten. Untersuchungen vor Wettkämpfen könnten zur Pflicht werden.

Wenn ein 22-jähriger Spitzensportler plötzlich zusammenbricht und wenige Tage darauf auf der Intensivstation stirbt, ist das schockierend. Und es wirft Fragen auf. Wie kann es sein, dass der spanische Fußballer Antonio Puerta, Verteidiger beim FC Sevilla, am Samstag mitten im Spiel und ganz ohne Fremdeinwirkung ohnmächtig zu Boden fiel, es kurz darauf zwar selbst vom Platz schaffte, in der Folge aber fünfmal einen Herzstillstand erlitt und trotz des Einsatzes eines Defibrillators und der intensivmedizinischen Maßnahmen nicht gerettet werden konnte, weil gleich mehrere lebenswichtige Organe ihren Dienst versagten?

Was hier geschah, erregt schon deshalb Aufsehen, weil ein plötzlicher Herztod bei jungen Menschen selten ist. Und weil nach allgemeiner Meinung Sport vor Herzproblemen doch eher schützen sollte. Eine Studie des Italieners Domenico Corrado und seiner Arbeitsgruppe hat allerdings 2006 gezeigt, dass Spitzensportler in dieser Hinsicht ein 2,5-fach höheres Risiko tragen als ihre durchschnittlich aktiven Altersgenossen.

Häufigste Ursache für den plötzlichen Tod von Sportlern unter 35 Jahren ist eine zumeist genetisch bedingte krankhafte Verdickung des Herzmuskels, von Medizinern als hypertrophe Kardiomyopathie bezeichnet. „Das Herz kann durch diese Verdickung eingeschnürt werden“, sagt der Kardiologe Michael Oeff vom Städtischen Klinikum Brandenburg, einem Zentrum für Herzrhythmusstörungen. Solche Rhythmusstörungen können vor allem bei körperlicher Schwerstbelastung auftreten. Und sie können zum gefürchteten Kammerflimmern führen, einer elektrisch kreisenden Erregung der Herzmuskelzellen, die wohl auch bei Puerta schon im Stadium den Einsatz des Defibrillators nötig machte.

Auch wenn der vor Ort vorhanden ist, ist die Gefahr noch nicht gebannt. Denn bleibt das Herz mehr als drei bis vier Minuten stehen, dann droht durch die mangelnde Sauerstoffversorgung schon eine Schädigung. Am sensibelsten reagiert das Gehirn. Auf der Intensivstation wird versucht, das empfindliche Organ durch Unterkühlung zu entlasten. In ein solches „künstliches Koma“ wurde auch Puerta versetzt.

Aber kann man die hypertrophe Kardiomyopathie oder eine andere Veränderung nicht schon feststellen, ehe der Fußballer sich in Lebensgefahr bringt und seinem Sport schließlich sogar zum Opfer fällt? Wenn in einer Herzstromkurve, einem EKG, unter körperlicher Belastung Rhythmusstörungen oder eine Minderdurchblutung festgestellt werden, „ist das immer ein Alarmzeichen“, sagt Oeff.

Eine Verdickung der Herzwand kann man im Herz-Ultraschall sehen, bei der Echokardiographie. Allerdings gibt es auch Herzmuskelerkrankungen, die nicht mit einer Verdickung, sondern einer falschen Anlage der Muskelfasern einhergehen. Die ist im Ultraschall nicht erkennbar. „Sind solche Fälle in der Familie schon aufgetreten, dann sollte man den Sportler besonders gründlich untersuchen“, erklärt der Herzspezialist Oeff.

Im normalen EKG werden andere, noch seltenere Fehlbildungen erkannt, etwa elektrische Störungen, die Kammerflimmern hervorrufen können. Und: Auch junge Sportler können einen Herzinfarkt erleiden. Zum Beispiel, wenn sie eine ererbte Fettstoffwechselstörung als ungünstige Voraussetzung mitbringen, die frühzeitig krankhafte Veränderungen der Herzkranzgefäße hervorruft. Auch der Riss einer Gefäßausbuchtung, ein Aneurysma oder eine Lungenembolie können in seltenen Fällen bei jungen Leuten zum Herztod führen.

2004 forderte die Europäische Gesellschaft für Kardiologie, dass europaweit eine Herz-Kreislauf-Untersuchung aller Sportler vor Wettkämpfen Pflicht werden sollte. Vorbild ist Italien: Dort werden alle organisierten Sportler jährlich untersucht, EKG inklusive.

Besonders für Leistungssportler, die als persönliche Hypothek schon eine Veränderung des Herzens oder der Herzkranzgefäße mitbringen, ist der Herztod eine ernst zu nehmende Gefahr. „Ein Rest Unsicherheit wird trotzdem immer bleiben“, sagt Oeff. Insgesamt aber sind solche Ereignisse selten. In den allermeisten Fällen stimmt es, dass Sport gut für Herz und Gefäße ist. Aktiver Sport. Während der Olympiade 2004 in Athen erlitten fünf Menschen einen Infarkt. Sie waren allesamt Zuschauer.

Adelheid Müller-Lissner

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