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Gesundheit: Schätze im Müll

Es lohnt sich, Brustkrebs-Tumoren aufzubewahren

Nach der Diagnose Brustkrebs geht meist alles sehr schnell: Ab in den OP und raus mit dem Tumor. Was nach der Entnahme mit dem Tumorgewebe geschieht, darüber machen sich die meisten Frauen wenig Gedanken. Ein Fehler, meinen Irmi Gallmeier und ihre Mitstreiter von PATH – der "Patienteneigenen Tumorbank der Hoffung“: „Das Gewebe ist für die Patientinnen von unschätzbarem Wert. Schreitet die Krankheit fort oder bilden sich irgendwann Metastasen, können daran risikolos neue Medikamente oder Therapieverfahren getestet werden“, so Gallmeier.

Untersuchungen des Tumorgewebes gehören bei der Therapieplanung schon heute zur Routine. So wird jeder Tumor mikroskopisch begutachtet und auf bestimmte biochemische Eigenschaften hin untersucht. Nach dieser Diagnostik aber landet das Gewebe entweder im Klinikmüll oder geht als Spende an die wissenschaftliche Forschung.

PATH, 2002 von Brustkrebspatientinnen als Stiftung ins Leben gerufen, bietet Frauen mit Brustkrebs nun an, das entnommene Gewebe nach der Operation kostenlos einfrieren zu lassen. Ein weltweit einmaliges Angebot. Bei einem Rückfall kann der behandelnde Arzt auf das Gewebe zurückgreifen und auf verschiedenste therapierelevante Eigenschaften untersuchen lassen.

Dabei setzten die Frauen vor allem auf die Fortschritte der molekulargenetischen Forschung. Mit Hilfe von Gentests soll die Krebstherapie künftig auf die einzelne Patientin individuell zugeschnitten werden. Die Hoffnung der Frauen ist berechtigt, glaubt auch Manfred Dietel, Direktor des Instituts für Pathologie an der Berliner Charité: „Ich bin sicher, dass sich in diesem Bereich in den nächsten fünf Jahren viel tun wird“.

Ein Schwerpunkt werde darin liegen, die „Metastasierungspotenz“ eines Tumors bereits vor Beginn der Behandlung zu bestimmen, so Dietel. Derzeit bekommen fast alle Frauen nach der Entnahme eines bösartigen Tumors eine Chemotherapie. Aber nur bei einem Teil der Patientinnen ist das auch sinnvoll, nämlich bei denen, deren Tumor wirklich dazu neigt, Metastasen zu bilden. Bei ungefähr der Hälfte aller Tumore ist diese vorbeugende Behandlung überflüssig.

Mit Hilfe von molekulargenetischen Untersuchungen könnten künftig auch Resistenzen gegen Krebsmedikamente bereits vor Beginn der Therapie ermittelt werden, sagt Manfred Dietel. Ebenfalls mit dem Ziel, überflüssige Behandlungen – und unter Umständen heftige Nebenwirkungen – zu vermeiden.

Da das Tumorgewebe in eingefrorenem Zustand Jahrzehnte haltbar ist, können die Untersuchungen auch dann noch durchgeführt werden, wenn die Patientinnen nach Jahren möglicherweise einen Rückfall erleiden. Bis Ende dieses Jahres sollen insgesamt sechs Kliniken an die Initiative angeschlossen sein, dann rechnet Irmi Gallmeier mit einem Zugang von 800 bis 1000 Proben im Jahr und mit der Planung erster Forschungsprojekte. Sie hofft, dass eines Tages jeder Krebspatient in Deutschland „sein“ Tumorgewebe einfrieren lassen kann.

Anja Garms

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