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Gesundheit: Segeln im All

Eine neue Sonde wird in den Kosmos geschossen – und dort von Sonnenstrahlen angetrieben

Von Rainer Kayser, dpa

Mit der Kraft des Sonnenlichts durch den Kosmos segeln – davon träumen Science- Fiction-Autoren und Weltraumforscher seit fast hundert Jahren. Nun soll der Traum Wirklichkeit werden: Morgen, pünktlich zum Sommeranfang, will die amerikanische Planetary Society, ein Verein von Raumfahrt-Enthusiasten, den Satelliten Cosmos-1 ins All schießen. In 800 Kilometern Höhe soll er ein großes Sonnensegel entfalten, das den Satelliten – so die Hoffnung – auf eine höhere Umlaufbahn trägt.

Bescheidene vier Millionen Dollar kostet das ausschließlich mit privaten Spenden finanzierte Experiment – so viel hätte die Nasa bereits für die Vorstudien ausgegeben, meint Projektleiter Lou Friedman. Denn schon in den 70er Jahren hatte Friedman für die Nasa eine mit einem Sonnensegel ausgerüstete Mission zum Kometen Halley entworfen, die jedoch aus Kostengründen gestrichen wurde.

Projektleiter Friedman gehört zu den Gründern der Planetary Society, die seit zwanzig Jahren auch Kontakte zu russischen Weltraumforschern und Raketenentwicklern pflegt. Kontakte, die sich nun auszahlen: Cosmos-1 startet von einem russischen Atom-U-Boot in der Barentssee – mit einer umgebauten SS-18-Interkontinentalrakete. Der Satellit wurde von dem russischen Raumfahrtunternehmen Lavochkin entwickelt und gebaut. Amerikanische Hardware wäre für die Planetary Society unbezahlbar gewesen.

Nach der Entfaltung des 600 Quadratmeter großen Sonnensegels gleicht Cosmos-1 einer kosmischen Windmühle: Das Segel setzt sich aus acht jeweils 15 Meter langen, wie bei einer Mühle angeordneten Dreiecken zusammen. Diese „Windmühlenflügel“ bestehen aus einer nur fünf Tausendstelmillimeter dicken, mit Aluminium beschichteten Polyesterfolie. Die Folie muss extrem dünn sein, damit die Gesamtmasse des Satelliten bei der großen Fläche des Sonnensegels nicht zu groß wird. Cosmos-1 wiegt gerade einmal 100 Kilogramm.

Denn von der Größe des Segels und der Masse des Satelliten hängt die Schubkraft ab, die das Sonnenlicht dem Raumfahrzeug verleiht. Licht besteht aus Teilchen, den Photonen. Wenn das Segel diese Photonen reflektiert, übertragen sie Impuls und damit Bewegungsenergie auf den Satelliten. Die Schubkraft des Sonnenlichts ist allerdings äußerst schwach: Innerhalb eines ganzen Tages könnte das Segel eine Raumsonde lediglich um 160 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Dafür steht das Sonnenlicht dauerhaft zur Verfügung, im Gegensatz zu den begrenzten Treibstoffmengen an Bord von Raumschiffen.

Nach hundert Tagen könnte eine interplanetarische Raumsonde bereits 16000 Kilometer pro Stunde erreichen, nach drei Jahren gar das Zehnfache – damit wäre sie dreimal schneller als die Voyager-Sonde, die gerade die Grenze unseres Sonnensystems erreicht hat. Per Sonnensegel ließe sich Pluto, der äußerste Planet des Sonnensystems, in fünf Jahren erreichen, rechnet Friedman vor. Die Nasa rechnet für ihre konventionell angetriebene Pluto-Mission „New Horizons“ dagegen mit mindestens der doppelten Reisezeit.

Ähnlich wie bei einem Segelboot lässt sich auch bei einem Sonnensegler durch das Anstellen des Segels die Flugrichtung verändern. So könnte eine Sonde völlig ohne Treibstoff von Planet zu Planet kreuzen. Sogar „gegen das Licht“ ließe sich segeln. Sowohl bei der Nasa als auch bei der europäischen Weltraumbehörde denken deshalb die Forscher über mit Sonnensegeln ausgestattete Sonden nach, die unsere Sonne auf polaren Bahnen umkreisen sollen.

Vorerst aber hat die Planetary Society mit Cosmos-1 die Nase vorn. Niemand weiß allerdings im Voraus, wie sich die hauchdünne Folie im Weltall verhält. Vielleicht beginnt sie zu flattern oder Wellen zu schlagen wie die Bespannung eines billigen Drachens bei zu starkem Wind. „Unser Ziel ist bescheiden“, erklärt Friedman deshalb, „wir wollen zeigen, dass das Segel funktioniert, dass es uns Schub gibt, um auf eine höhere Umlaufbahn zu kommen. Und dass es sich steuern lässt.“

Wenn Cosmos-1 diese Erwartungen erfüllt, ist ein weiteres Experiment geplant: Vom Erdboden aus will der Physiker und Science-Fiction-Autor Gregory Benford mit einer Radioantenne einen 450 Kilowatt starken, gebündelten Mikrowellenstrahl auf das Segel richten. Der Strahl soll dem Satelliten einen zwar kleinen, aber messbaren zusätzlichen Schubs geben.

In diesem Verfahren liegt, so glauben Friedman und Benford, die Zukunft der Raumfahrt. Jenseits der Bahn des Jupiters ist das Sonnenlicht zu schwach, um Raumsonden genügend Antrieb zu geben. Aber wenn das Sonnenlicht zu schwach wird, könnten gebündelte Mikrowellen oder Lasterstrahlen die nötige Schubkraft liefern.

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