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Gesundheit: „So etwas ist tabu“

Stammzellforscher Hescheler zu dem Experiment

Britische Forscher wollen aus menschlichen Zellen und entkernten Rinder-Eizellen Embryonen herstellen. Ist das ein vielversprechender Weg, um embryonale Stammzellen zu gewinnen?

Diese Stammzellen werden Rinder-Mitochondrien enthalten. Mitochondrien sind die „Kraftwerke“ der Zelle, und sie haben eigene Gene. Es sind also Mischzellen, die menschliches und tierisches Erbgut enthalten. Wenn man sie in der Medizin einsetzen würde, wären Abstoßungsreaktionen zu befürchten. Für therapeutische Zwecke kommen sie also nicht in Frage.

Und wie sieht es mit der Grundlagenforschung aus?

Für die reine Forschung können diese Zellen durchaus von Nutzen sein. Man möchte verstehen, wie sich Zellen „zurückprogrammieren“ lassen. Wie also aus einer ausgereiften wieder eine jugendliche, unbegrenzt teilungsfähige Zelle wird. Wenn man das versteht, kann man auch eines Tages embryonale Stammzellen herstellen, ohne weibliche Eizellen zu verbrauchen.

Wie groß sind die Erfolgsaussichten für das Experiment?

Bisherige Versuche mit Mischzellen waren wenig effektiv. In China wurden vor einigen Jahren Stammzellen aus Kaninchen-Mensch-Embryonen gewonnen. Davon hat man nie mehr etwas gehört. Offenbar haben sich bei den unterschiedlichen Arten auch verschiedene Signalwege für die Entwicklung und die Programmierung der Zellen ausgeprägt. Ich bin deshalb skeptisch, ob das Experiment funktioniert.

Wäre so ein Experiment in Deutschland erlaubt?

Nach deutscher Rechtslage wäre so ein Experiment wohl auch bei uns machbar. Denn das Embryonenschutzgesetz schützt nur die menschliche befruchtete Eizelle, nicht die tierische. Auch das Stammzellgesetz geht nicht auf Mischzellen ein. Aber es gibt natürlich große moralische Bedenken. Wir Stammzellforscher wollen nicht nur die Gesetze beachten, sondern auch die Meinung der Öffentlichkeit respektieren. Wir wollen das Vertrauen nicht durch unsinnige Experimente auf die Probe stellen.

Kritiker sagen, die naturgegebene Grenze zwischen Mensch und Tier werde überschritten.

Solche Experimente sind allenfalls zu tolerieren, solange der Embryo nur wenige Zellen umfasst. Es ist strikt abzulehnen, dass so ein Mischwesen in eine Gebärmutter eingepflanzt und ausgetragen wird. Man kann sich gar nicht ausmalen, was dabei herauskommt. Die Arten haben sich in Jahrmillionen herausgebildet. Wir sollten die Gene nicht vermischen. Da könnten Dinge entstehen, die wir nicht mehr kontrollieren können. So etwas ist tabu.

In Deutschland ist das Herstellen von embryonalen Stammzellen verboten. Nur die Einfuhr von solchen Stammzellen ist erlaubt, die vor 2002 erzeugt wurden.

Damit haben wir große Probleme. Denn mittlerweile gibt es sehr viel bessere Stammzell-Linien. Wir befürchten, dass unsere europäischen Kollegen nicht mehr mit uns zusammenarbeiten wollen. Außerdem ist zu beobachten, dass viele Kollegen ins Ausland abwandern.

Kritiker sagen, dass man mit „adulten“, ethisch unproblematischen Stammzellen aus Blut oder anderem Gewebe ebenfalls gute Ergebnisse erzielen kann.

Nein, diese Zellen sind nicht so erfolgreich. Die Resultate sind sehr durchwachsen. Ein möglicher Ausweg aus unserer Zwangslage ist die Verschmelzung von embryonalen Stammzellen und „erwachsenen“ Zellen. Auf diese Weise hoffen wir, Gewebe für die Behandlung von Krankheiten zu gewinnen. Aber bis zur Anwendung ist es noch ein weiter Weg.

Das Gespräch führte Hartmut Wewetzer.

Jürgen Hescheler (47) ist Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Universität Köln. Er erforscht, ob menschliche embryonale Stammzellen für Therapien eingesetzt werden können.

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