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Gesundheit: Spitz, pass auf!

Der einst beliebte Hofhund ist vom Aussterben bedroht – Grund: Schlechtes Image

„O du Spitz, du Ungetüm! Aber wart! Ich komme ihm!“, droht Witwe Bolte ihrem vierbeinigen Hausgenossen an, nachdem sie entdecken musste, dass die drei Brathühnchen nebst dem Brathähnchen nicht mehr „lieblich in der Pfanne schmurgeln“, sondern auf mysteriöse Weise verschwunden sind. Dabei hatte der arme Hund in Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ gar nichts mit dem dreisten Hühnerklau durch den Schornstein zu tun, sondern ganz artgemäß mit lautem „rawau! rawau!“ sein Frauchen warnen wollen.

Heute sind es nicht mehr Brathühner, die zu verschwinden drohen, sondern der Spitz selber. Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) in Witzenhausen schlägt Alarm: Bundesweit gebe es nur noch fünf Hündinnen und sechs Rüden des Großspitzes, wie der stattlichste Spitz-Vertreter mit seiner Schulterhöhe von bis zu 50 Zentimetern und dem flauschigen Fell genannt wird. Diese Variante gilt deshalb als „extrem gefährdet“. In ganz Deutschland kümmern sich nur noch vier Züchter um den Fortbestand des weißen und eine Züchterin um den des schwarzen Großspitzes. Fast alle noch lebenden Exemplare sind miteinander verwandt – kein geringes Inzucht-Risiko.

Nicht viel besser sieht es beim maximal 38 Zentimeter hohen Mittelspitz aus, den Wilhelm Busch verewigt hat: 25 Hündinnen und 10 Rüden stehen noch im Zuchtbuch. Die GEH hat ihn deshalb als „stark gefährdet“ eingestuft. Vom Deutschen Pinscher, ebenfalls einem typischen Haus- und Hofhund, sind gerade noch 40 Zucht-Hündinnen und bereits keine reinrassigen Rüden mehr bekannt; auch er ist in seinem Bestand „gefährdet“. Wohlgemerkt geht es beim Warnruf der GEH aus Anlass der „Grünen Woche 2003“ Ende Januar um reinrassige Hunde. Mischlinge bei Spitz und Pinscher „wird es sicher ganz viele geben“, sagt Christa Raddatz von der Interessengemeinschaft der Großspitzfreunde und selber Züchterin in Schwerin.

Doch wie konnte es so weit kommen? Spitzartige Haushunde gelten als älteste Form des Haushundes in Europa. Sie werden auf den steinzeitlichen Torfhund „Canis familiaris palustris Rüthimeyer“ zurückgeführt, so dass sie eine der ältesten Hunderassen der Welt sind. Als Busch 1865 seine Lausbuben-Streiche veröffentlichte, aber auch noch in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts, durften Spitz oder Pinscher auf keinem Bauernhof fehlen. „Wir brauchen nur einen Schritt auf die Straße zu tun, so wird es sicher nicht lange dauern, daß wir einen spitzartigen Hund zu sehen bekommen, dies mag nun sein wo es will, von Petersburg angefangen, bis Italien hinab“, vermerkte ein Zeitzeuge 1904.

Pinscher stellten auf Bauernhöfen Mäusen und Ratten nach, was ihnen auch den Beinamen „Stallpinscher“ oder „Rattler“ eintrug. Auch Spitze duldeten die kleinen Nager nicht. Obendrein bewachten sie als exzellente Meldehunde die Fracht auf Fuhrwerken und vertrieben auf Weinbergen Vögel, die Trauben vertilgen wollten („Weinbergspitz“). Da sie nicht umherstreunen und zuverlässig anschlagen, wann immer ein Unbekannter das Hofgelände betritt oder wenn ihnen – wie beim Brathuhnklau durch Max und Moritz – etwas beunruhigend vorkommt, eignen sie sich hervorragend als Wachhunde. Nicht zuletzt das Kinderspiel „Spitz pass auf!“ erinnert daran.

Zwar gehört der Job als Hofwächter nicht mehr zu den zukunftsträchtigsten unter den Aufgaben für Hunde, doch als aufmerksamer Meldehund müsste der Spitz jedem hundelieben Haus- und Grundeigner mit Angst vor Dieben willkommen sein. Aber dagegen steht offenbar das schlechte Image der gelehrigen Hunde. „Behaupten Sie mal gegenüber Bekannten, sie wollten sich einen Spitz zulegen“, schlägt Christa Raddatz vor. Sofort werde man mit Warnungen und Bedenken überhäuft. Das versteht die Züchterin nicht, denn der Spitz sei ein „ganz toller Hund“. Auch seien Spitze keine Kläffer, wenn sie gut erzogen würden. Sie meldeten vielmehr nur Fremdes, das ins Revier ihres Halters eindringt. Was jenseits des Zaunes vor sich gehe, kümmere Spitze nicht mehr.

Die GEH bezeichnet Spitze als „selbstständige, selbstbewusste Persönlichkeiten“, die Familienanschluss brauchten und „überall dabei sein“ wollten. Die „meist recht langlebigen“ Hunde seien zudem „wenig krankheitsanfällig“. Ein Tier mit so vielen guten Eigenschaften sollte überleben dürfen, hofft die GEH.

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