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Gesundheit: Sprungbrett in die Führungsetage

Karriere und Familie unvereinbar? Nein, diese Mutmaßung wollte keine der 26 jungen Hochschulabsolventinnen, die drei Monate bei Frauen in Top-Positionen in Politik, Verbänden und Wirtschaft hospitiert hatten, gelten lassen.

Karriere und Familie unvereinbar? Nein, diese Mutmaßung wollte keine der 26 jungen Hochschulabsolventinnen, die drei Monate bei Frauen in Top-Positionen in Politik, Verbänden und Wirtschaft hospitiert hatten, gelten lassen.Diese Frage sei in Zukunft vor allem Männern zu stellen, korrigierten die Teilnehmerinnen des Programms "Preparing women to lead" die Medienvertreterinnen beim Kamingespräch in der Europäischen Akademie.Im eleganten Ambiente der Grunewald-Villa hatte das Nachwuchsförderungsprogramm Ende März mit einem zweiwöchigen Vorbereitungsseminar begonnen (der Tagesspiegel berichtete), nun folgte die Auswertung.Was hat das "Internship" gebracht und wie geht es weiter?

Daß das Programm keine Jobvermittlung sei, hatten Barbara Schaeffer-Hegel und Helga Lukoschat von der "Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft", der Trägerin des von der Europäischen Union und dem Bundesministerium für Frauen finanzierten Projekts, jedoch gleich zu Beginn klargestellt."Wir wollen den Frauen vor allem Mut machen und helfen, ihre eigenen Fähigkeiten zu erkennen und zu nutzen", betont Barbara Schaeffer-Hegel, Professorin für Erziehungswissenschaft an der Technischen Universität, unter deren Leitung das Programm entwickelt wurde.

Rund 200 Frauen aus vier Ländern hatten sich für diesen ersten Durchgang um ein "Internship" bei einer Führungsfrau beworben.Nach einem eintägigen Assessmentcenter durften schließlich zwölf deutsche, acht österreichische, vier belgische und zwei holländische Hochschulabsolventinnen den Sprung von der Uni ins Top-Management wagen.Die wenigsten der 25-35jährigen Teilnehmerinnen verfügen bereits über berufliche Erfahrungen.

Dabei unterscheidet sich das Programm von den gängigen Praktika.In der Regel bearbeiten die "Interns" oder "Mentees" ein eigenes Projekt und begleiten ihre Mentorin bei allen Sitzungen, Gesprächen und Verhandlungen.Bei Frauen wie der bayerischen Staatsministerin Ursula Männle erfordere das schon eine gehörige Portion Kondition, wie die Politologin Babette Claas aus München versichert."Für mich war es hochinteressant zu sehen, wie Kandidatinnen bei der Listenplazierung von der Partei unterstützt werden - oder auch nicht." Das gibt Futter für ihre Doktorarbeit über Frauen in politischen Führungspositionen.

Für Hanna Fearns, Volkswirtin aus Konstanz, ist klar, daß sie noch lange nicht soweit ist, eine Führungsposition einzunehmen."Aber ich weiß jetzt eher, was für Fähigkeiten ich mir noch aneignen muß." Das Internship hat ihr "einen ungeheuren Motivationsschub" gegeben, nun ihre Doktorarbeit fertigzustellen, um sich dann bei ihrer Mentorin, der kaufmännischen Leiterin der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, zu bewerben.

Der wichtigste Unterschied zu einem "normalen Praktikum" ist für Hanna Fearns, daß die Teilnehmerinnen des Programms "gleich ganz oben einsteigen".Die Nähe und der direkte Kontakt zu einer Frau in der Führungsetage verschafften ihr bei den Angestellten im Unternehmen die nötige Akzeptanz, um ihr Projekt, eine Mitarbeiterbefragung, erfolgreich durchführen zu können.

Die Erfahrung, daß diese Nähe sich auch negativ auswirken kann, machte Heike Pratsch bei der Programmdirektorin des Deutschlandradios.Gerda Hollunder war durch akute organisationsinterne Probleme so eingespannt, daß sie wenig Zeit für ihre Mentee hatte.Die Kulturwirtin aus Passau wechselte aus der Programmplanung in die Redaktion des Senders, wo sie eigene Beiträge produzieren konnte.

Ein kurzfristiger Erfolg des dreimonatigen Internships: Die jungen Frauen sind selbstbewußter geworden.Sibylle Müller-Garnn aus Berlin, die die letzten zwei Jahre mit Jobben verbracht hat, weil sie als Sinologin keine entsprechende Stelle finden konnte, blickt nun wieder viel optimistischer in die Zukunft.Sie half ihrer Mentorin Barbara Assmann vom Vorstand des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg dabei, erste Ansätze für ein künftiges Qualititätsmanagement in der kirchlichen Sozialarbeit zu entwickeln.Jetzt will sie sich im Bereich Organisationsentwicklung weiterbilden.Daß die Teilnehmerinnen sich während des Internships selbst finanzieren müssen, findet sie normal: "Ich betrachte das als Investition in meine Zukunft!"

Hanna Fearns dagegen, Mutter eines 14jährigen Sohnes, befürchtet, daß ohne geregelte Finanzierung sozial schwächere Frauen ausgeschlossen werden könnten.Die Bosch GmbH zahlte ihr ein kleines Salär - in Wirtschaftsunternehmen sind bezahlte Praktika allerdings auch üblicher als in der Politik und bei Verbänden.Helga Lukoschat von der Europäischen Akademie ist sich des Problems bewußt und verweist auf den Förderkreis, der aufgebaut werden soll, um weitere Gelder zu akquirieren.Sie hebt aber auch hervor, daß das gesamte begleitende Trainingsprogramm inklusive Unterkunft kostenlos sei: "In anderen Ländern zahlt man dafür viel Geld!"

Beim nächsten Durchlauf im Herbst sollen mehr Seminare in Englisch laufen.Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen sollen gezielt angesprochen werden, da einige Mentorinnen in diesem Bereich diesmal leer ausgingen.Wieviele Frauen durch das Programm tatsächlich in Führungsetagen oder zumindest in guten Jobs landen, wird man spätestens zur Jahrtausendwende erfahren, wenn die Pionierinnen des ersten Durchgangs im Rahmen der wissenschaftlichen Evaluation erneut interviewt werden.

MARTINA KRETSCHMANN

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