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Gesundheit: "Therapeutisches Klonen nicht nötig"

Peter Gruss wird im kommenden Jahr Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Deutschlands renommiertester Forschungsorganisation, die zahlreiche Nobelpreisträger hervorgebracht hat. Sie vereinigt 80 Institute mit mehr als 11 000 Mitarbeitern und einem Jahresetat von insgesamt 2,4 Milliarden Mark.

Peter Gruss wird im kommenden Jahr Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Deutschlands renommiertester Forschungsorganisation, die zahlreiche Nobelpreisträger hervorgebracht hat. Sie vereinigt 80 Institute mit mehr als 11 000 Mitarbeitern und einem Jahresetat von insgesamt 2,4 Milliarden Mark. Der Entwicklungsbiologe (52) ist Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.

Seit einigen Tagen sind Sie designierter Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Was reizt Sie besonders an Ihrer neuen Aufgabe?

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Dieser Posten ist das Schönste, was die Wissenschaft zu vergeben hat, hat ein früherer Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, nämlich Reimar Lüst, einmal darüber gesagt. Ich hoffe dass er Recht hat. In den letzten 20 Jahren habe ich Forschung betrieben, die Mittel dazu eingeworben, Mitarbeiter angeleitet - und war letztlich verantwortlich für den Erfolg. Im Prinzip werde ich in dem neuen Job nichts anderes tun, nur auf einer anderen Ebene. Die größere Dimension ist natürlich reizvoll. Weltweit gibt es ja nicht viele Organisationen, die, wie die Max-Planck-Gesellschaft, den Auftrag haben Grundlagenwissen zu produzieren. Darüber hinaus hat man in diesem Amt mit vielen intelligenten Menschen zu tun - das sind spannende Aussichten.

Wo sehen Sie Schwerpunkte Ihrer künftigen Arbeit?

Bis Mitte nächsten Jahres ist Hubert Markl Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Auf mein Programm müssen Sie schon bis zur Antrittsrede im Juni warten. Aber wir sind uns alle darüber einig, dass es die Aufgabe der Max-Planck-Gesellschaft ist, die besten Köpfe weltweit zu uns zu holen. Wir leben von den Spitzenwissenschaftlern, nicht nur bei den Direktoren. Auch beim wissenschaftlichen Nachwuchs müssen wir die Besten für uns gewinnen. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen, und da hat man in Deutschland nicht die besten Karten. Wir haben zwar ein Umfeld mit sehr guten Forschungsmöglichkeiten und auch Flexibilität bei den Neubesetzungen, weil beim Ausscheiden eines Max-Planck-Direktors seine Abteilung geschlossen wird. Für neue Entwicklungen ist damit grundsätzlich der Weg frei. Aber die Bindung an den BAT (Bundesangestelltentarif) beziehungsweise an das Beamtenrecht auch für unsere Spitzenwissenschaftler nimmt uns viel von dieser Flexibilität und behindert uns im Wettbewerb mit anderen Instituten. Das sind besonders die Forschungseinrichtungen in den USA, wie Stanford, Harvard oder das MIT, aber auch in England und der Schweiz, die solchen Einschränkungen nicht unterliegen.

Hilft da das geplante neue Dienstrecht des Bundes weiter?

Soweit ich das jetzt beurteilen kann: ja. Es öffnet die Tarifstruktur nach oben. Genau das brauchen wir. Ob die Neuregelung ausreicht, um die Konkurrenznachteile zu korrigieren, weiß ich allerdings noch nicht. Denn gerade Spitzenwissenschaftler bekommen aus anderen Staaten höhere Gehaltsangebote als von uns. Und es wird nicht leicht sein, Leute von uns zu überzeugen, die in den USA die Summe in Dollar bekommen, die wir in Mark bezahlen. Man kann nicht nur damit werben, dass wir schöne Institute haben, wenn ein Wissenschaftler gleichzeitig auf die Hälfte seines Gehalts verzichten soll. Das passt nicht zusammen. Für die Elite in der Forschung müssen auch wir eine besondere Ausstattung ermöglichen.

Sie kommen selbst aus der Zellforschung. Die Parlamentsentscheidung über Forschung an Stammzellen und ihren Import steht noch aus. Welche Forderungen haben Sie?

In der Grundlagenforschung braucht man die Möglichkeit, mit menschlichen embryonalen Stammzellen zu forschen, mit dem Ziel, neue Therapien gegen Krankheiten zu entwickeln, die bisher nicht oder nur schlecht behandelbar sind. Für die experimentelle Basis brauchen wir den Vergleich mit Versuchen an somatischen Stammzellen (von Erwachsenen, die Red.), um über den weiteren Weg zu entscheiden. Ich bin nach fast 20-jähriger Tätigkeit in der Entwicklungsbiologie der festen Überzeugung: Wenn wir die Programme der embryonalen Stammzellen verstehen, werden wir dies auf somatische Stammzellen anwenden können.

Dann braucht man die Forschung an embryonalen Stammzellen langfristig vielleicht gar nicht?

Exakt. Parallel dazu gibt es aber schon aus heutiger Sicht einige Therapiewege, um Krankheiten in naher Zukunft ausgehend von embryonalen Stammzellen behandeln zu können - beispielsweise Parkinson und Diabetes Typ I. Bei beiden Krankheitsbildern sind Therapiewege vorstellbar, bei denen man ausgehend von embryonalen Stammzellen den fehlenden Zelltyp wieder herstellen kann. Deshalb braucht man heute aus wissenschaftlicher Sicht die Möglichkeit zur Forschung mit embryonalen Stammzellen.

Was ist dafür notwendig?

Das geltende Gesetz, so wie es besteht und ohne Verschärfung. Und dass wir die Möglichkeit bekommen, im Ausland aus überzähligen Embryonen produzierte Stammzelllinien zu importieren.

Reicht das?

Ja, vorausgesetzt, die Eigenschaften dieser Stammzelllinien reichen aus. Für die schätzungsweise zwischen 60 und 80 Stammzelllinien, die es weltweit gibt, kann man das aber erst durch Forschung beurteilen. Keine Rechtfertigung gibt es aus meiner Sicht dagegen beim heutigen Kenntnisstand für das therapeutische Klonen. Wir haben jetzt zunächst einmal eine Forschungsverpflichtung. Erst wenn man einen Kenntnisstand erreicht hat, in dem man fundiert sagen kann, von hier aus geht es nur mit therapeutischen Klonen weiter, muss der Bundestag entscheiden. Aus heutiger Sicht sehe ich diesen Grund nicht. Ich wäre heute zufrieden, wenn der Bundestag - falls er im Januar zu diesem Thema zusammenkommt, das geltende Gesetz so bestehen lässt und wir so die Möglichkeit haben, Stammzelllinien zu importieren.

Was taugt aus Ihrer Sicht die jüngste Erfolgsmeldung der Firma ACT in den USA, sie habe ein menschliches Embryo geklont?

Ich habe die Publikation zwar nicht gesehen. Was ich in der Presse gesehen habe, erlaubt mehrere Schlussfolgerungen: Es ist anscheinend nicht einmal gelungen, ein Gebilde bis hin zur Blastozyste (ein 200-Zellen-Gebilde, die Red.) zu produzieren. Das Gebilde bei ACT ist aber schon im 6-Zell-Stadium abgestorben, das heißt, man hätte daraus nicht einmal eine Stammzelllinie ableiten können, was ja eigentlich Ziel des Versuchs war.

Ich sehe das als voreiliges, völlig unnützes Experiment, das in dieser Form keine Rechtfertigung hat. Zweitens macht das klar, dass wir in Deutschland gut beraten sind, keinen Unterschied zwischen öffentlich und privat geförderter Forschung zuzulassen. Denn in den USA ist dieses Problem durch Bushs Politik entstanden, alle diese Versuche in den Bereich der privaten Industrie abzuschieben, durch das Verbot öffentlicher Förderung.

Also keine staatliche Intervention?

Schon aus wissenschaftlichen Gründen brauchen wir das therapeutische Klonen menschlicher Embryos zumindest derzeit nicht. Bei den Regelungen zur Stammzellforschung brauchen wir aber letztlich die europäische Ebene. Sonst könnte es so kommen, dass in den Nachbarstaaten Therapien entwickelt werden, die bei uns verboten sind und Patienten aus Deutschland zur Behandlung dorthin reisen. Die deutschen Krankenkassen müssten das nach europäischem Recht ohnehin bezahlen. Eine so widersprüchliche Situation sollten wir uns ersparen.

Seit einigen Tagen sind Sie designierter Präs

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