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Gesundheit: Übertragungsnetze: Staub in der digitalen Galaxis

Mika Häkkinen ist Rennfahrer. Als solcher kennt er die Zukunft.

Mika Häkkinen ist Rennfahrer. Als solcher kennt er die Zukunft. Er weiß: Der Mensch braucht sein Handy, denn das schafft Anschluss. Noch sind die Übertragungsraten im Mobilfunk lächerlich gering, aber der technische Fortschritt wird es früher oder später richten. Nicht mehr nur dürre SMS, sondern ganze digitale Filme werden dann über den Äther rauschen, direkt auf den flachen Bildschirm für das Mobiltelefon der Zukunft.

Jeder soll sein Heimkino für die Jackentasche bekommen, und sogar Julia Roberts kommt dann voll digital daher: als computergeneriertes Datenobjekt, das alle Sprachen der Welt spricht, sämtliche Bösewichte dieses Universums ihrer gerechten Strafe zuführt und vermutlich sogar fliegen kann, rein virtuell, versteht sich. Was werden wir davon noch glauben können? "Nichts", meint Christian Leonhardt, Vorstandsmitglied von "Das Werk", einer Effektenschmiede für Werbung, Video und Film. Fernsehen, Internet, Mobilfunk, und digitale Unterhaltung rücken enger zusammen.

Mit dem Ausbau der Übertragungsnetze stehen völlig neue Anwendungen offen, nicht nur in Reichweite der Telefonbuchse zu Hause. Der amerikanische Automobilzulieferer Delphi bastelt an einem System, das E-Mail, Internet, digitale Musiksequenzen und andere digitale Unterhaltungsmedien direkt in einen Personenwagen überträgt. Sony brachte unlängst seine PlayStation2 auf den Markt, deren Prozessor und Grafik durchaus mit der Leistung eines hochwertigen Computers mithalten kann. Dabei geht es nur indirekt um die junge Zielgruppe: "PlayStation3 wird sich an die Eltern wenden", verkündete Ken Kutaragi, bei Sony für die digitale Unterhaltung zuständig. "Wir bieten dann auch Online-Shopping und andere interaktive Dienste über das Internet."

Denkbar wäre, Musiktitel im MP3-Format oder digitalisierte Filme direkt aus dem Internet zu laden. Noch ist die Qualität der MP3-Daten deutlich schlechter als ein unkomprimierter Titel auf CD. Doch die Videoszene macht es vor: Die DVDs benutzen den Datenstandard MPEG-2. Für die superschnelle Übertragung von Filmen über Kabel oder Äther steht jetzt MPEG-4 bereit, damit dürfte auch die DVD bald aussterben.

"Das ganze Konzept, eine CD oder einen Film in der Hand zu halten, wird verschwinden", prophezeit Robert Saint John, Gründer von Nearly News Production, einer amerikanischen Tüftlerstube für digitale Videos. Bis 2020, so schätzen Fachleute, könnte das digitale Fernsehen (d-TV) über hochleistungsfähige Datennetze das herkömmliche TV verdrängen. Vorteile: höhere Bildqualität, mehr Kanäle und interaktive Angebote.

Die ersten Pflöcke wurden bereits eingeschlagen: Im März vergangenen Jahres boten die Macher der amerikanischen Spielshow "Who Wants to Be a Millionaire?" eine gleichzeitig laufende Plattform im Internet an. Die Zuschauer konnten digital mitspielen, während sie die Show im Fernsehen verfolgten. In den ersten drei Monaten klick^ten rund 3,5 Millionen Menschen auf das Millionärs-Portal. Noch brauchen sie dafür zwei Bildschirme, aber d-TV ist nicht mehr zu stoppen.

Ein amerikanischer Standard dafür liegt bereits vor. Doch der ist untauglich für alle Zuschauer, die noch über die gute, alte Dachantenne empfangen. Sie werten das d-TV-Sendesignal entweder in voller Brillanz aus oder überhaupt nicht. Abhilfe könnte der robustere europäische Standard COFDM schaffen. Einige Hersteller setzen auf HDTV (hochauflösendes Fernsehen), den Japan schon im kommenden Jahr einführen will.

Noch unübersichtlicher wird es beim interaktiven TV (ITV). AOL und Time Warner, die sich zum weltgrößten Konzern dieser Branche vereinigten, setzen auf OpenTV, das von einer kalifornischen Firma entwickelt wurde. Es bietet die Software und die technische Architektur, die den ITV-Sender mit dem Übertragungskabel und dem Zuschauer verbindet. Die Software basiert auf den Internetformaten HTML und seiner neuesten XML-Erweiterung. Etwa acht Millionen Nutzer haben dieses Zusatzgerät zum herkömmlichen TV bereits in ihren Wohnzimmer stehen, einige auch in England und Deutschland.

Liberate ITV, das britische Konkurrenzmodell zu OpenTV, unterstützt HTML und JavaScript. Es bietet Online-Shopping, E-Mail, Telefon und digitales TV aus einer Hand. Welches Endgerät schließlich das Rennen macht, ist noch offen: Fernsehgeräte sind nur mit Zusatzmodulen digitalisierbar und interaktiv anzusteuern. Ihr Vorteil: Sie produzieren keine Aussetzer wie ein PC, denn die Heimcomputer sind einfach noch immer zu unzuverlässig.

Wenn TV und PC nicht in Frage kommen, was dann? Mit Prozessortakten von mehr als 1000 Megahertz, 40-Gigabyte-Festplatten und leistungsfähiger Grafik ist der "Personal Video Recorder" dennoch bereits in Sicht, etwa in Gestalt der erwähnten PlayStation. Den Anschluss an das Datennetz besorgt ein leistungsfähiges Handy. Womit wir wieder bei Mika Häkkinen wären.

Aber die Zeit des geliebten Zelluloids ist längst nicht vorbei. Noch ist es billiger, konventionelle 35-Millimeter-Filmstreifen oder analoge Videos zu produzieren. Da weltweit fast alle Kinos und die überwiegende Mehrheit der Haushalte noch mit diesen Formaten erreichbar sind, bleibt ihnen nach wie vor das Massengeschäft vorbehalten. Vor 23 Jahren brachte George Lucas seine erste Star-Wars-Episode in die Kinos. Als er im Sommer 1999 als jüngste Folge "Episode 1" vorstellte, nutzte er ausschließlich Datenpakete, die er mit Digitalprojektoren auf die Leinwand warf.

Die bestechende Brillanz der Bilder und Audio-Sequenzen überraschte sogar das verwöhnte Premierenpublikum. Der Haken: So ein Digitalprojektor kostet ungefähr eine Viertelmillion Dollar. Herkömmliche Filmprojektoren sind ab 50 000 Dollar zu haben. Zumindest im Kino haben also die bewährten Kopien aus Zelluloid noch nicht ausgedient. Vorerst.

Heiko Schwarzburger

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