zum Hauptinhalt

Gesundheit: Ungestört am Schreibtisch arbeiten

Die Universitäten brauchen keinen neuen Semestertakt, sondern Trimester Von Ursula Wolf

An den deutschen Universitäten steht der Semesteranfang zur Disposition. Sehen wir einmal von der Trivialität ab, dass eine Änderung nur sinnvoll ist, wenn sie gemeinsam von allen deutschen Universitäten eingeführt wird. Denn sonst wird nicht nur für Studierende der Hochschulwechsel unmöglich, sondern auch die Kooperation zwischen Hochschullehrern erschwert. Glauben wir für den Augenblick auch, dass es zutrifft, dass für den internationalen Anschluss eine Verlegung der Zeiten ratsam ist – obwohl die englischen Eliteuniversitäten und die meisten Universitäten in Spanien und Italien im Oktober beginnen.

Wer nur ein wenig Fantasie hat, kann sich klarmachen, dass die Umstellung in den Fächern, in denen die Forschung nicht ganzjährig in Labors stattfindet, sondern längere ungestörte Phasen am Schreibtisch erfordert, also insbesondere in den Geisteswissenschaften, die Forschungszeit beträchtlich verkürzt. Wieso, könnte man fragen, wo doch die Anzahl der freien Wochen gleich bleibt? Es liegt an der Verteilung.

Die bisherige Vorlesungszeit ging von Mitte Oktober bis Mitte Februar, unterbrochen von ein oder zwei Wochen Weihnachtspause, und von Mitte April bis Mitte Juli. Es gab also im Sommer eine längere Pause von drei Monaten, in der man sich kontinuierlich auf die Forschungsarbeit konzentrieren konnte. Man stelle sich jetzt vor, das geplante Herbstsemester beginnt Anfang September und endet Mitte Dezember. Um diese Zeit haben auch Wissenschaftlicher familiäre und soziale Verpflichtungen, Weihnachtsvorbereitungen, Weihnachten, Neujahr. Wenn man sich Anfang Januar an den Schreibtisch setzt, sind es nach dem neuen Rhythmus aber nur noch wenige Wochen, bis das Frühjahrssemester beginnt. Diese reichen gerade, um Klausuren und Arbeiten zu korrigieren und die nächsten Lehrveranstaltungen vorzubereiten. Forschung ade.

Und im Frühjahr ein ähnliches Bild. Zunächst ist Ostern im Weg. Dass ein Grund für die Änderung der Zeiten im Winter die Unterbrechung durch Weihnachten ist, kann daher nicht überzeugen. Dasselbe Problem tritt jetzt einfach an anderer Stelle auf. Entweder es gibt eine Osterpause, dann schleppt sich wie früher das Wintersemester jetzt das Frühjahrssemester hin. Oder es gibt keine Osterpause, dann ist zwei Wochen lang faktisch kein geregelter Betrieb möglich, weil die einen in der Karwoche vor, die anderen in der Woche nach Ostern abwesend sein werden, denn viele haben Schulkinder oder Partner im Schuldienst. Dank Ostern wird sich das Frühjahrssemester bis Mitte Juni hinziehen. Angesichts der klimatischen Entwicklung werden dann zwar alle froh sein, die Zeit nicht in stickigen Hörsälen zu verbringen. Aber ebenso stickig ist es dann in vielen privaten Behausungen, das Gehirn daher nicht in Höchstform. Im August aber, wenn allmählich arbeitsgeeignete Bedingungen einkehren, steht der Semesteranfang mit den erforderlichen Vorarbeiten bevor. Auch hier also: Tschüs Forschung.

Schon ein klein wenig Fantasie reicht also aus, um zu sehen: Das neue System hat mindestens ebenso viele Nachteile wie das alte, und für die Geisteswissenschaften eindeutig mehr. Mit nur etwas mehr Fantasie könnte man sich ein anderes Modell vorstellen, das die genannten Probleme umgehen würde. Statt zu sagen: Wintersemester ade und Sommersemester ade, liegt die Konsequenz nahe: Semester ade.

Die einfache Lösung ist eine Einteilung des Studienjahrs in Trimester mit je acht oder neun Wochen. Dann kann die dringend erforderliche Forschungsphase im Sommer beibehalten werden, und weder Weihnachten noch Ostern stören. An der Universität Oxford sind die Zeiten im Studienjahr 2006/7 so verteilt: Der Michaelmas Term geht vom 8. Oktober bis 2. Dezember, der Hilary Term vom 14. Januar bis 10. März und der Trinity Term vom 22. April bis 16. Juni.

Trimester würden auch der Umstellung des Studiums auf den Bachelor entgegenkommen. Denn hier soll in nur drei Jahren ein erster Abschluss gemacht werden, was bedeutet, dass relativ viel Stoff in kurzer Zeit untergebracht werden muss. Dieser lässt sich in einer größeren Zahl überschaubarer kürzerer Einheiten sicher besser vermitteln als in den langen Semestereinheiten.

Die Autorin ist Professorin für Philosophie an der Universität Mannheim. Die Uni hat seit diesem Herbst einen neuen Semestertakt eingeführt.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false