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Gesundheit: Uni-Start: Studenten zu Putzhilfen. Früh aufstehen, Los ziehen und gut Deutsch können - Tipps für angehende "Heinzelmännchen"

Der Lautsprecher knattert, dann ertönt eine Stimme. Es wird mucksmäuschenstill im Raum, etwa fünfzig Studenten unterbrechen ihre Gespräche und das Zeitungsknistern.

Der Lautsprecher knattert, dann ertönt eine Stimme. Es wird mucksmäuschenstill im Raum, etwa fünfzig Studenten unterbrechen ihre Gespräche und das Zeitungsknistern. Der in Schwarz gekleidete Langhaarige gegenüber falzt eine Ecke in "Harry Potter". Ein Mädchen rückt raschelnd ihr Kopftuch zurecht. Dann springen die einen auf, die anderen erheben sich gemächlich. Das Ziel: die geöffnete Tür von Raum 110.

Zum Thema Online Spezial: Uni-Start Dienstagmorgen, neun Uhr, bei den "Heinzelmännchen", der Arbeitsvermittlung des Berliner Studentenwerks. Viermal täglich werden hier auf sieben Tage befristete Jobs versteigert, um 9, 11, 14 und 16 Uhr. Wer an der "Versteigerung" teilnehmen will, der muss erstens bei den "Heinzelmännchen" angemeldet sein und eine Mitgliedskarte besitzen und zweitens gerne früh aufstehen. Ab 7 Uhr 45 Uhr stehen die etwa 40 bis 80 Jobsuchenden an, um ihre Karten in eine "Lostrommel" werfen, um 8 Uhr erfolgt die Ziehung. Je niedriger die hier zugeloste Nummer ist, desto größer ist die Auswahlmöglichkeit aus dem Jobangebot. Denn bei begehrten oder gut bezahlten Arbeitsangeboten bekommt derjenige mit der niedrigsten Losnummer den Zuschlag.

"Prenzlauer Berg. Ein Mann. Eine Frau. Bierzapfen, Buffet, nur mit Erfahrung. Und gute Deutschkenntnisse. Ganz wichtig. Ein Tag. Wer will? Die 16! Jemand niedriger? Nein, ok! Und jetzt noch jemand von den Damen. Wer meine Damen, hat denn hier gute Deutschkenntnisse? Sie? Wirklich? Na bitte, die 25. Jemand niedriger? Nein. Gut, Sie haben den Zuschlag." Zwei rote Plastikkärtchen, die Losnummern, wechseln über den Tresen und werden gegen zwei ausgedruckte Arbeitsaufträge eingetauscht. Ohne einmal Luft zu holen, macht der Auktionator Studenten zu Putzhilfen, Umzugshelfern, Plakatklebern und Telefonisten.

Nach und nach wird es immer leerer in Raum 110, nach einer halben Stunde ist der Spuk beendet. Die Tür schließt sich hinter dem letzten Studenten. Die übrig gebliebenen Jobs werden später draußen aufgehängt. Während in den Jahren nach der Gründung der "Heinzelmännchen" am 1. April 1949 noch Teppichklopfen, Holzhacken, Koffertragen und das Abholen von Lebensmittelmarken - für 1 Mark 20 pro Stunde - übliche Studententätigkeiten waren, werden heute Chinesisch-Dolmetscher und Mathe-Nachhilfen zur Aushilfe gesucht.

Aber das ist nur eine kleine Auswahl der rund 150 Angebote pro Tag. Etwa 40 000 Jobs vermitteln die "Heinzelmänner" in einem Jahr, das entspricht einer Bruttolohnsumme von 23,5 Millionen Mark. Ganz schön viel - und für mehr als die Hälfte der Studenten sind die Arbeitsangebote der Vermittlung die wichtigste, oftmals die einzige Finanzierungsquelle. Die "Heinzelmännchen" garantieren ein kontinuierliches Jobangebot, bieten flexible Arbeitszeiten und jede Menge Abwechslung. Das bedeutet aber auch, sich alle paar Tage in eine neue Situation und einen neuen Job hineinzudenken. Um dann wieder früh morgens bei dem Herrn im rosa Hemd einen Job ersteigern zu müssen. Tipp: Unbedingt gute Deutschkenntnisse mitbringen!

Juliane von Mittelstaedt

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