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Gesundheit: Viele Studenten, wenig Geld

Ansturm auf die Unis: „Hochschulpakt“ steht – aber Rektoren sind besorgt

Bund und Länder sind sich über die Eckpunkte beim „Hochschulpakt 2020“ einig. Das teilte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Mittwoch in Berlin mit. Demnach will der Bund zwischen 2007 und 2010 insgesamt 565 Millionen Euro für zusätzliche Studienplätze ausgeben. Das sind 265 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen. Über diesen Teil der Summe müsse jedoch erst verhandelt werden, es gebe innerhalb der Regierung noch keine Zustimmung, sagte Schavan.

Die Länder seien bereit, die Bundesmittel in gleicher Höhe gegenzufinanzieren. In den kommenden vier Jahren stünden dann zusätzlich 1,13 Milliarden Euro zur Verfügung – im Schnitt pro Jahr 280 Millionen Euro. Dieses Geld dürfte jedoch nicht ausreichen, um die erwartete Studierendenwelle zu bewältigen. Der Wissenschaftsrat hatte errechnet, dass schon im kommenden Jahr zusätzlich 400 Millionen Euro benötigt werden. Die Kosten steigen jährlich an, bis sie auf dem Höhepunkt des Studierendenandrangs in den Jahren 2012 bis 2014 jährlich 2,2 Milliarden Euro betragen. Der Bund will in den 13 Jahren bis 2020 jedoch insgesamt knapp eine Milliarde ausgeben. Mit dem Geld der Länder stünden dann nur zwei Milliarden für 13 Jahre zur Verfügung – ein Bruchteil der nach Ansicht des Wissenschaftsrats benötigten Summe.

Der größere Teil der Mittel im Hochschulpakt soll für die Forschung ausgegeben werden. Rund 700 Millionen Euro sollen zwischen 2007 und 2010 in die Vollkostenfinanzierung von Projekten der Deutschen Forschungsgemeinschaft fließen. Hier leisten die Länder keinen eigenen Beitrag. Bund und Länder rechnen nach Angaben von Schavan damit, dass die Zahl der Studierenden in Deutschland in den kommenden vier Jahren um zusätzliche 90 000 steigen wird.

Bei der Berechnung der anfallenden Kosten habe man die allgemeine Finanzstatistik und die durchschnittlichen Kosten für einen Studienplatz von 22 000 Euro über vier Jahre zugrunde gelegt, sagte Schavan. Unter den Kultusministern umstritten sei noch, wie die Situation der neuen Länder im Pakt berücksichtigt werden soll. Die neuen Länder wollen die in den kommenden Jahren frei werdenden Studienplätze nur dann nicht abbauen, wenn sie mit zusätzlichen Mitteln rechnen können. Jürgen Zöllner, Wissenschaftsminister von Rheinland Pfalz, erwartet, dass nicht solche Länder begünstigt werden, die in den vergangenen Jahren keine Studienplätze aufgebaut oder sogar Plätze abgebaut haben. „Wir müssen einen Weg finden, der die bisherigen Anstrengungen der Länder berücksichtigt“, sagte Zöllner dem Tagesspiegel auf Anfrage. Die Länder wollen die offenen Punkte am 19. Oktober klären.

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel, sagte am Mittwoch in Berlin, sie sei enttäuscht. Martin Timpe vom Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen sagte, die „Dramatik der Situation“ sei offenbar noch nicht erkannt worden: „Nicht nur mehr Studienplätze sind dringend notwendig, sondern eine Qualitätsoffensive in der Lehre ist mehr als überfällig.“

Die HRK-Chefin stellte ein Konzept für den Hochschulpakt vor, auf das sich die Rektoren jetzt geeinigt haben. Ostdeutsche Hochschulen sollten Studienplätze, die dort aufgrund der demografischen Entwicklung frei werden, nicht streichen, sondern erhalten. Sie könnten „mindestens ein Viertel der national zusätzlich benötigten Studienplätze bereitstellen“. Um Studierende anzuziehen, sollten sie beim Marketing unterstützt werden.

Den Studentenandrang auffangen könnten auch doppelt besetzte Professuren; ab 2015 frei werdende Stellen sollten sofort neu ausgeschrieben und aus dem Hochschulpakt finanziert werden. Die Lehre müsse auch mit einer neuen Personalkategorie mit erhöhtem Lehrdeputat gestärkt werden. Außerdem sollten vermehrt Lehraufträge erteilt und die Lehr- beziehungsweise Forschungstätigkeit von Professoren flexibel gestaltet werden. Die HRK fordert auch eine bessere Betreuung der Studierenden in Bachelor- und Masterstudiengängen, betont jedoch, dass dies mit den geforderten Finanzmitteln nicht zu erreichen sei.

Auch Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) stellt die Pläne für den Hochschulpakt in Frage. Baden-Württemberg geht davon aus, dass der bisher prognostizierte Anstieg der Studentenzahlen von rund zwei Millionen auf 2,5 bis 2,7 Millionen Studenten in der Zeit von 2010 bis 2020 zu niedrig angesetzt wurde. Nach einer internen Prognose der Kultusministerkonferenz werde die Zahl der Schulabgänger mit einer Studienberechtigung stärker steigen als nach der Prognose von 2005.

Unterdessen arbeitet Baden-Württemberg an einem eigenen „Masterplan“ zur Bewältigung des Studentenbergs. Das Land werde Millionenbeträge aufwenden, um 16 000 neue Studienplätze zu schaffen, kündigte Ministerpräsident Günther Oettinger an. Für den Doppelhaushalt 2007/2008 sind zusätzlich 20 Millionen Euro vorgesehen, 2009/2010 werden bereits 40 Millionen eingeplant und 2011/2012 zusätzliche 150 Millionen Euro. Um tatsächlich 16 000 Studienplätze zu finanzieren, würden allerdings insgesamt 300 Millionen Euro gebraucht. Wer den Fehlbetrag aufbringen soll, ist offen, nachdem sich die Wirtschaft in Baden-Württemberg in geringerem Maße als erhofft engagieren will.

Frankenberg kritisierte, dass sich außer Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen bislang kein Bundesland ernsthaft auf den Studentenberg vorbereite. Es wäre fatal, wenn sich die meisten Länder auf die Bundesmittel aus dem Hochschulpakt verlassen würden.

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