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Gesundheit: Vorhersagen, ob die Therapie greift

Chemotherapie ist belastend für Krebspatienten. Mit Hilfe eines neuen Verfahrens soll die Behandlung individuell zugeschnitten werden

Am Anfang steht eine Zelle, die ihre Kontrolle verliert und sich ungehemmt teilt. Es kommt dann zu jener Neubildung von Gewebe, die durch unkontrolliertes Wachstum und zerstörendes Eindringen in umliegende Organe gekennzeichnet ist. Ein Tumor ist entstanden. Was der Auslöser für Krebs genau ist, diese Antwort müssen Ärzte – abgesehen von eher allgemeinen Aussagen wie Alter, genetischer Veranlagung oder Ernährung – meist schuldig bleiben. Auch warum sich Tumor in ihrem Verhalten voneinander unterscheiden, ist noch ungeklärt.

Fest steht: Jedes Jahr erkranken rund 340000 Menschen in Deutschland an Krebs. Neben dem operativen Entfernen des Tumors sind Strahlen- und Chemotherapie die häufigsten Behandlungsformen. Bei Chemotherapie kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, die das Tumorwachstum auf unterschiedliche Weise hemmen sollen. Die Medikamente, auch Zytostatika genannt, sollen den Tod der Tumorzellen auslösen. Die Behandlung wird in Intervallen durchgeführt. Die Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, Fieber oder Haarausfall sind gefürchtet. Die Prognose ist günstig, wenn schon das erste Intervall wirksam ist. Ob die verabreichten Medikamente letztlich zum Erfolg führen, konnte man bisher nur während der Therapie feststellen.

Die Forscher Timo Schinköthe und der Mediziner Peter Staib vom Labor für molekulare Hämatologie und Onkologie der Uni-Klinik Köln haben nun ein Verfahren entwickelt, das eine einfach durchzuführende Vorhersage der Wirkung einer Chemotherapie ermöglichen soll. "Das ist nicht nur wichtig für das Wohl des Patienten, es hilft auch, Kosten einzusparen", sagt Schinköthe.

Seit über zehn Jahren beschäftigten sich der Biologe und sein Kollege Staib, Facharzt für Innere Medizin, mit der Verbesserung der Chemotherapie. Für die Entwicklung ihres Test-Verfahrens haben die beiden Wissenschaftler über 100000 Patientendaten ausgewertet und eine Menge klinischer Studien durchgeführt. Daraus wurde ein mathematisches Modell errechnet, das nun, mittels einer speziellen Software zum Einsatz kommt: Als „Testkit“ – in Form eines praktischen Mini-Labors – soll das Verfahren möglichst schnell bundesweit eingesetzt werden.

Um die Wirksamkeit einer Chemotherapie zu bestimmen, legen Schinköthe und Staib zunächst einige Proben aus dem Tumormaterial des Patienten an, das mit unterschiedlichen Zytostatika versetzt wird. Die Proben werden vier Tage lang in einem Inkubator gelagert und mit einem Marker versehen. Ein spezielles Analysegerät, ein „Durchflusszytometer“, misst automatisch die Intensität der Fluoreszenzmarkierung. Die Ergebnisse fließen in ein Auswertesystem ein, das mit den ermittelten Daten der Mediziner arbeitet.

Bei der Analyse kommt es vor allem auf folgendes an: Haben die mit dem Medikament versetzten Tumorzellen überlebt? Und: welche Medikamente zeigten die beste Wirkung? Daraus lässt sich eine Empfehlung für die spätere Chemotherapie ableiten und ein Ranking der verschiedenen Mittel aufstellen.

„Wir haben damit zu kämpfen, dass Tumorzellen nicht eindeutig reagieren; die Ergebnisse liegen oft in einem Graubereich“, sagt Timo Schinköthe. Durch Messungen in großer Zahl ließ sich diese Schwierigkeit überwinden, gleiches gilt für die Übertragbarkeit der Ergebnisse vom klinischen Bereich in den medizinischen Alltag. Die Genauigkeit des zugrunde liegenden Verfahrens haben Schinköthe und Staib bereits in mehreren Studien getestet.

„Die zuletzt durchgeführte Reihe mit 164 Patienten, die an Leukämie erkrankt waren, ergab eine Vorhersagegenauigkeit von 98 Prozent“, berichtet Staib. Die jüngsten Ergebnisse sind im Fachjournal „British Journal of Haematology“ erschienen. Zudem läuft aktuell eine Studie mit Patienten, die an Chronisch Lymphatischer Leukämie (CLL) erkrankt sind. Innerhalb der Untersuchung, die von mehr als 50 Zentren und Schwerpunktpraxen unterstützt wird, läuft das Testkit als Studienbegleitforschung.

Derzeit liegt das Testkit als Prototyp vor. Für die Weiterentwicklung und Vertrieb ist nun die Gründung eines eigenen Unternehmens geplant.

Nicola Kuhrt

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