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Gesundheit: Wärme als Waffe

Im Kampf gegen Krebs gibt es einen neuen Hoffnungsträger: Die Magnet-Flüssigkeits-Hyperthermie wird an der Charité erprobt

Das Glioblastom ist ein besonders bösartiger Hirntumor. Trotz Operation, Bestrahlung und Chemotherapie bleibt den Patienten nach der Diagnose nur eine durchschnittliche Lebensspanne von acht bis 15 Monaten. An der Klinik für Strahlenheilkunde der Charité Campus Virchow wird seit zwölf Jahren an einer neuen Waffe gegen diese Krebserkrankung geschmiedet: dem gezieltem Einsatz von Wärme in der „Magnet-Flüssigkeits-Hyperthermie". Sie soll später auch anderen Krebspatienten zugute kommen.

Das Verfahren, das der Biologe Andreas Jordan zusammen mit seinen Kollegen entwickelt, bedient sich der Nanotechnologie (siehe Kasten): Winzige eisenoxidhaltige Teilchen werden in eine Hülle aus biologischem Material gepackt und in Flüssigkeit gelöst. Durch ein feines Loch, das in die Schädeldecke gebohrt werden muss, gelangen sie millimetergenau in die Tumore.

Ein eigens für die neue Behandlungsmethode entworfenes Magnet-Wechselfeld-Gerät erzeugt ein Magnetfeld, mit dessen Hilfe die Eisenteilchen im Tumor auf 45 Grad erhitzt werden können. Dabei erwärmen sich auch die Tumorzellen, das umgebende gesunde Gewebe bleibt von der Veränderung jedoch weitgehend unberührt. Bisherige Hyperthermie-Konzepte gegen Krebs beschränkten sich dagegen auf die Wärmezufuhr von außen.

Die Erwärmung auf 45 Grad tötet die bösartigen Zellen nicht ab. Sie beeinträchtigt aber die Aktivität von Reparaturenzymen in den Krebszellen. In Teamwork mit der schon bisher üblichen Strahlentherapie, die die Zellen ebenfalls schädigt, soll es gelingen, die Reparaturwerkstätten dauerhaft zu schädigen und damit die Krebszellen zum Tod zu verurteilen.

Bei höheren Temperaturen könnte die Magnet-Flüssigkeits-Hyperthermie kleineren Tumoren auch ohne begleitende Strahlen- oder Chemotherapie den Garaus machen. Das gelang zumindest im Tierversuch: Ratten überlebten Hirntumoren nach der Überwärmungstherapie viermal länger als ohne Behandlung. Bei Mäusen bildete sich Brustkrebs in 44 Prozent der Fälle zurück.

Was die Wirkung beim Menschen betrifft, so gibt es allerdings bisher mehr Hoffnungen als konkrete Erfahrungen. Noch ist ungewiss, wie gut die Behandlung wirkt, aber auch, wie gut sie überhaupt vertragen wird. Innerhalb der ersten Studie sollen 15 Patienten mit Glioblastomen und Tochtergeschwulsten anderer bösartiger Tumoren im Gehirn behandelt werden. Dafür arbeitet die Charité-Klinik mit der Neurochirurgischen Abteilung des Bundeswehr-Krankenhauses zusammen. Deren Leiter Klaus Maier-Hauff berichtet, bisher habe es keine technischen Probleme gegeben. Der erste Patient wurde zehnmal mit dem Magnet-Therapiegerät wärmebehandelt und wöchentlich fünfmal bestrahlt. Inzwischen ist die Röntgenbestrahlung abgeschlossen, und bislang ist der Rest-Tumor im Gehirn zumindest nicht gewachsen.

„Ein Durchbruch wäre es, wenn wir mit der Wärme allein Tumoren wirklich abtragen könnten", sagt Maier-Hauff. In einer zweiten Studie wollen Mediziner nun untersuchen, ob die Magnet-Flüssigkeits-Hyperthermie auch bei bösartigen Tumorresten wirkt. Zudem ist die wissenschaftlich kontrollierte Anwendung der Methode bei fortgeschrittenem Prostata-Krebs geplant.

Der Charité-Biologe Jordan ist Geschäftsführer von zwei Ausgründungen der Charité, die die technischen Voraussetzungen für die neue Therapieform bereitstellen: der „MFH Hyperthermiesysteme GmbH“ und der „MagForce Applications GmbH“. Bis 2001 wurde die Forschung im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, seit letztem Jahr stellt das Bundesforschungsministerium jährlich eine Million Euro bereit. Die Nanopartikel werden zusammen mit dem Saarbrücker „Institut für Neue Materialien" hergestellt. Inzwischen hat sich gezeigt, dass für unterschiedliche Tumorarten eine jeweils individuelle Gestaltung der Oberfläche günstig ist. Von ihrer Beschaffenheit hängt es ab, wie effektiv die Partikel in die Krebszellen eindringen und sich im Tumor verteilen.

Der Abbau der Flüssigkeit aus abgestorbenen Krebszellen und Eisenteilchen geschieht langsam, wie man aus den Tierversuchen weiß: Um das Zellmaterial kümmert sich das Immunsystem. Die Hülle der Nanopartikel wird von Milz und Leber abgebaut, das Eisenoxid, in roten Blutkörperchen verpackt, erst nach Monaten ausgeschieden. Und Monate, das darf man bei aller Hoffnung auf die neue Methode nicht vergessen, sind in der Zeitrechnung von Glioblastom-Patienten heute eine lange Zeit.

Adelheid Müller-Lissner

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