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Gesundheit: Wie der Mann zum Pascha wird

Bei Löwen jagen die Weibchen und halten den Haremschef aus – der liegt im Schatten, denn er verträgt keine Hitze

Sie galten lange als die wahren Könige unter den Tieren. Tatsächlich wirken die langmähnigen Löwen-Männchen imposant. Und einen Harem haben sie auch.

Die Pelzträger leben dennoch nicht im Paradies. Zoologen haben die Legende von „König Löwe“ jüngst als solche enttarnt. Auch das Image vom Löwen-Mann als faulem Pascha, der seine Frauen auf die Jagd schickt, um sich dann als Erster am Riss satt zu fressen, hat dabei regelrecht Haare gelassen.

Die Löwen sind keineswegs despotische Patriarchen aus Faulheit, für die sie immer gehalten wurden. Vielmehr unterliegen die Männchen gerade wegen ihrer prächtigen Mähne gleich mehrfachen und zudem widerstreitenden evolutionären Zwängen. Und einmal mehr ist es die im Tierreich allgegenwärtige Damenwahl, die der Natur die Richtung vorgibt.

Der schnelle Betrachter denkt zweifellos: Der mit dem zotteligen Kopfschmuck muss das Oberhaupt der Familie sein. Und tatsächlich zeigen neueste Freilandstudien, dass der Pelzschmuck, der von hellblond bis tiefschwarz variieren kann, den Sex-Appeal des Löwen-Mannes ausmacht.

Im tansanischen Serengeti-Nationalpark zum Beispiel stehen Löwinnen nachweislich auf Männchen mit möglichst dunklen Mähnen. Wie die beiden amerikanischen Forscher Peyton West und Craig Packer von der Universität von Minnesota herausfanden, werden regelmäßig Mähnenträger mit der dunkelsten Haarpracht als Paarungspartner bevorzugt („Science“, Bd. 297, S. 1339). Die Auswertung ihrer Daten aus drei Jahrzehnten Feldbeobachtungen ergab, dass den Löwinnen die Dunkelheit der Mähne als Indikator für die Potenz ihrer Partner gilt.

Die Damen liegen damit richtig. Das jedenfalls zeigen Bluttests eben jener Löwen-Männer. Ein Vergleich der biologischen Eigenschaften bestätigte, dass die bevorzugten Mähnenträger auch stets die genetisch fittesten Löwen im Umkreis waren. Die Männchen mit der dunkelsten Mähne waren die am besten ernährten und wiesen auch die höchsten Testosteronwerte auf.

Ein Mehr des männlichen Geschlechtshormons ließ sie offenbar aber nicht nur besonders gut bei Löwen-Damen ankommen. Sie konnten sich auch gegenüber Konkurrenten behaupten. Die machten in der Regel einen größeren Bogen um den Pelzprotz, wenn dessen Mähne sehr dunkel war.

Lange Haare, langes Leben

Wer als Löwen-Mann dabei besonders lange Zotteln trug, hatte zudem noch einen ganz handgreiflichen Vorteil bei den nicht eben seltenen Kämpfen mit anderen Männchen. Denn lange und dichte Haare schützen die Tiere vor Hieben mit den krallenbewehrten Pranken der Rivalen. Die Forscher fanden auch heraus, dass Männchen mit dem dunkelsten Kopffell am längsten leben und somit mehr Zeit haben, sich zahlreich fortzupflanzen.

Doch die Zottelpracht birgt auch Nachteile: Je länger und dunkler die Mähne, desto mehr setzt den Männchen auch die sengende Sonne im äquatorialen Afrika zu. Ihnen wurde schneller heiß – und darunter litt dann auch die Qualität ihrer Spermien, die bei Säugern allgemein recht hitzeempfindlich sind. Zwar versuchten die Löwenmännchen dem beizukommen, indem sich ihre Mähne in den heißesten Monaten etwas ausdünnte und auch kürzer wurde. Aber so ganz ließen sich die Nachteile einer wilden Haarpracht nicht ausgleichen.

Beim Vergleich mit Löwen-Gruppen aus anderen Regionen Afrikas fanden die Forscher heraus, dass es aufgrund der Hitze offenbar sogar einen regelrechten Trend zur „Kurzhaarfrisur" bei Löwen gibt. Denn während im besonders heißen äquatornahen Tiefland Männchen mit kürzerer und dünnerer Mähne leben, wird die Haarpracht um so dunkler und dichter, je weiter entfernt vom Äquator und je höher das Revier der Löwen liegt.

Die Löwen schmücken sich – dem Geschmack der Weibchen folgend – offenbar vor allem dort mit einem besonders majestätischen Pelz, wo es die afrikanische Hitze am ehesten zulässt. Denn ansonsten verkümmert ihr Sperma, und von verringerter Zeugungskraft hätten auch die Weibchen auf lange Sicht nichts, testosterongetriebene Potenz hin oder her.

Somit stecken Löwen gleichsam in einer evolutionären Zwickmühle. Um ihren Fortpflanzungserfolg zu sichern, sollten jene Männchen, die in genetischer Hinsicht und insbesondere aufgrund ihres höheren Testosteronspiegels das Zeug dazu haben, den Löwinnen ihre besonderen Qualitäten mittels eindrucksvoller Mähne avisieren. Doch was sie bei den Damen als potente Paarungspartner ausweist und ihnen auch bei Rivalenkämpfen nützt, das macht sie unter der sengenden afrikanischen Sonne mürbe.

Es ist viel zu heiß

Die Mähne müsste eigentlich weg. Denn wenn Löwen-Männchen selbst auf die Jagd gehen, vermögen sie nur halb so viel Körperwärme an die Umgebung abzuführen wie die Löwinnen. Das entdeckten Wissenschaftler unlängst mit Hilfe der Infrarot-Thermographie. Da wundert es nicht, dass der Löwen-Mann lieber im Schatten liegt als auf die Jagd zu gehen.

Fast könnte man meinen, die Löwen-Weibchen hätten sich den Pascha gewissermaßen selbst herangezogen – dank ihrer Bevorzugung möglichst dunkler und zotteliger Mähnenträger als Erzeuger ihres Nachwuchses. Am Image des faulen Haremschefs sind sie, jedenfalls evolutionsbiologisch betrachtet, offenbar nicht ganz unschuldig.

Matthias Glaubrecht

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