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Gesundheit: Wie man Professor wird

Edelgard Bulmahn will die Habilitation abschaffen. Jetzt beraten die Richter in Karlsruhe

Von Anja Kühne

und Ursula Knapp

Als Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn vor vier Jahren den „Juniorprofessor“ erfand und ankündigte, die Habilitation verbieten zu wollen, erschütterte das die Wissenschaftsszene. Die konservativen Fakultätentage und die Interessenvertretung der Professoren, der Hochschulverband, befürchteten einen Niveauverfall der Forschung, Nachwuchswissenschaftler protestierten gegen die „Verschrottung einer Generation“, und die konservativ regierten Bundesländer liefen Sturm gegen Bulmahns Eingriffe in die Autonomie der Hochschulen.

Der Widerstand der Länder ist der Grund, warum am Mittwoch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Juniorprofessur verhandelt wurde. Denn Bulmahn hat sich von ihrem Ziel, der Abschaffung der Habiliation, nicht abbringen lassen. Sie will die wissenschaftlichen Laufbahnen kürzer, übersichtlicher und international besser kompatibel gestalten und den Nachwuchs schon früh in die Verantwortung entlassen. Juniorprofessoren sind anders als Assistenten keinem Lehrstuhl zugeordnet. Sie werben Drittmittel ein und haben das Promotionsrecht. Zum Ablauf ihrer Stellen, nach drei und sechs Jahren, werden sie evaluiert.

Damit sich der neue Karriereweg zur Professur auch wirklich gegen die Habilitation durchsetzt, hat Bulmahn im Hochschulrahmengesetz von 2002 die Habilitation ausgeschlossen. Andernfalls hätten die Fakultätentage die Juniorprofessur verhindert, wie sie dem Gericht erklärte. Tatsächlich heißt es in Bulmahns Gesetz, der wissenschaftliche Nachwuchs solle sich „in der Regel“ auf der Juniorprofessur für einen Ruf zum Professor qualifizieren. Und weiter steht dort über die Qualifikation zum Professor auf Lebenszeit: Wissenschaftliche Leistungen, „auch soweit sie nicht im Rahmen einer Juniorprofessur erbracht werden, sollen nicht Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein“. Damit ist die Habilitation nach dem Ablaufen der Übergangsfrist im Jahr 2010 faktisch ausgeschlossen – denn sie ist eine Prüfung.

Ein großer Kampf

Die drei vor dem Verfassungsgericht klagenden Länder, Bayern, Sachsen und Thüringen, würden die Juniorprofessur nur als einen Weg neben der Habiliation akzeptieren. Sie wollen sich vom Bund nicht vorschreiben lassen, welche Qualifikationswege der wissenschaftliche Nachwuchs einschlägt, wie der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) kritisiert. Der Streit um die Juniorprofessur ist Teil eines großen Kampfes zwischen Bund und Ländern über die Zuständigkeit im Bildungswesen. CDU-Länder klagen auch gegen das Verbot von Studiengebühren und die Vorschrift, verfasste Studentenschaften einzuführen, die Bulmahn ebenfalls im Hochschulrahmengesetz verankert hat.

Im juristischen Teil der Anhörung ging es vor allem um die Bedeutung des neu geschaffenen Grundgesetzartikels 72 Absatz 2. Dadurch wurde die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Wesentlichen auf Fälle eingeschränkt, in denen die Einheit der Wirtschafts- und Rechtsordnung Bundesgesetze erfordere. Die Länder sehen die Voraussetzungen bei der bundesweiten Einführung des Juniorprofessors als nicht erfüllt an. Der Staatsrechtler Josef Isensee (Bonn) stritt seitens der klagenden Länder. Hans Meyer (Frankfurt a.M., früher Humboldt-Universität Berlin) warnte dagegen als Prozessvertreter der Bundesregierung vor einer engen Auslegung des neuen Grundgesetzartikels. Dann könne nicht einmal mehr eine Bundesbauordnung verabschiedet werden.

Bei der Juniorprofessur argumentieren die klagenden Länder auch damit, dass es sich bei der Novelle des Hochschulrahmengesetzes um ein zustimmungspflichtiges Gesetz gehandelt habe. Schließlich betreffe es die Verwaltung der Länder, deren Behörden Hochschulen nun einmal seien. Auch verstoße das Gesetz gegen den Grundsatz der Bestenauslese: Bislang war es verboten, dass Wissenschaftler an der Universität eine Professur auf Lebenszeit erhalten, an der sie zuletzt gearbeitet haben. Mit der Juniorprofessur sind Hausberufungen denkbar geworden – aber nur, wenn die Juniorprofessoren auch schon an einer anderen Hochschule geforscht. Auf über die Hälfte der Juniorprofessuren trifft das nach einer Untersuchung der Jungen Akademie nicht zu, für sie wird es einen „Tenure track“ nach amerikanischem Vorbild also nicht geben.

Ein weiterer Punkt, um den es in Karlsruhe geht, ist der Gleichheitssatz im Grundgesetz, auf den sich die klagenden Länder berufen. Juniorprofessoren seien geringer qualifiziert als die jetzigen C3- oder C4-Professuren und gehören der Hochschule nur für einen gewissen Zeitraum an, da ihre Stellen befristet sind. Das Hochschulrahmengesetz stellt die Juniorprofessoren aber den Ordinarien korporationsrechtlich gleich, worin man eine Unterminierung der „Gruppenhomogenität“ sehen kann. Diese Gleichsetzung stört auch manche Professoren. An vielen Fachbereichen werden die Juniorprofessoren einfach dem Mittelbau zugerechnet.

Bei der Anhörung in Karlsruhe sagte Peter Gaehtgens, der Chef der Hochschulrektorenkonferenz: „Wir unterstützen die Juniorprofessur voll“ – doch wollten sich die Hochschulen nicht vorschreiben lassen, auf welchem Weg sie ihren Nachwuchs rekrutieren. Ob die Habilitation eines Tages von der Juniorprofessur flächendeckend ersetzt wird, werde sich im Wettbewerb der beiden Modelle herausstellen. Bis Ende des vergangenen Jahres sind nach Angaben des Bildungsministeriums 800 Stellen für Juniorprofessoren an 54 Hochschulen bewilligt worden.

Das „Hausgut“ der Länder

Von den bereits als Juniorprofessoren arbeitenden Wissenschaftlern versuchen jedoch viele, sich zugleich noch zu habilitieren, wie Thomas Mergel von der Initiative „Wissenschaftlicher Nachwuchs“ sagt. Denn die Lage ist unübersichtlich: Eine Reihe von Ländern haben ihre Gesetze dem neuen Hochschulrahmengesetz noch nicht angepasst, sie warten auf das Urteil aus Karlsruhe. Auch Mergel hält es für besser, die Habilitation nicht zu verbieten.

Das Urteil wird im Sommer erwartet.

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