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Eine Überlebende des Unglücks irrt nach ihrer Rettung fassungslos umher. Foto: Reuters

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Panorama: Gewaltige Schlagseite

Das Schiffsunglück auf der Wolga offenbart haarsträubende Zustände auf der „Bulgaria“

Nach dem Schiffsunglück auf der Wolga am Sonntag waren Russlands Staatssender RTR und dessen Nachrichten-Kanal sichtlich bemüht, die Nerven ihrer Zuschauer zu schonen. Die Bilder zeigten Rettungsmannschaften des Ministeriums für Katastrophenschutz, vor allem Taucher, schweres Gerät zur Bergung am Ufer, eine graue, vom Wind gefurchte Wasserfläche, die sich bis zum Horizont dehnt und das Foto eines Schiffs, das für die in Russland sehr beliebten Flusskreuzfahrten gebaut wurde. Allein auf der Wolga, Europas längstem Fluss, der im Gebiet Twer nördlich von Moskau entspringt und 3500 km weiter südlich bei Astrachan ins Kaspische Meer mündet, sind im Sommer Tausende Touristen unterwegs. Das Unglück ereignete sich in der autonomen russischen Republik Tatarstan. So mancher Fernsehzuschauer dürfte für die Ferien auch eine Wolgakreuzfahrt gebucht haben, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, welches Risiko er dabei eingeht. Weiß lackierte Decks können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Schiffe ähnlich hoffnungslos veraltet sind, wie die am Sonntagabend gesunkene „Bulgaria“. Gebaut wurde sie bereits Ende der 60er Jahre in der Tschechoslowakei und seither nicht einmal gründlich überholt. Und die Lizenz zur Beförderung von Passagieren hatte die Aufsichtsbehörde den Reedern längst entzogen. Die scherte das offenbar nicht im Geringsten. Mehr als 200 Passagiere sollen an Bord gewesen sein, obwohl Schiffe dieser Klasse für maximal 120 Fahrgäste zugelassen sind. Die Rettungsboote bieten Platz für 156 Menschen. 25 Passagiere hatten kein Ticket und keinen Eintrag in die Bordliste. Das Schiff sank in weniger als zehn Minuten, auch weil die Fensterluken alle offen waren. Die „Bulgaria“ lag schon beim Start tief im Wasser und hatte Schlagseite. Vor allem aus dem Musiksalon schaffte es kaum jemand an Deck.

Das Unglück ereignete sich drei Kilometer vom Ufer entfernt, die Sicht war schlecht und heftiger Wind sorgte für ein Meter hohe Wellen. Zwar verfolgten zwei Schiffe die Katastrophe aus der Nähe. Doch deren Besatzungen rührten zunächst keinen Finger. 80 Menschen überlebten die Katastrophe dennoch. Vor allem dank der Rettungshubschrauber des Ministeriums für Katastrophenschutz, die bereits eine halbe Stunde nach dem Alarmsignal über dem Wasser kreisten. Wer sich so lange über Wasser halten konnte, wurde gerettet.

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