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Nummer fünf der Thronfolge: Prinz Andrew macht wieder Schlagzeilen.

© dpa

Großbritannien: Prinz Andrew und die "Sexsklavin"

Von Orgien ist die Rede, „Bunga Bunga“ im Berlusconi-Stil. Prinz Andrew soll 2001 Sex mit einer 17-jährigen "Sexsklavin" gehabt haben, auch auf Partys auf den Jungfraueninseln. Der Vorfall reiht sich ein in eine große Liste von Missbrauchsvorwürfen, die das Establishment des Vereinigten Königreichs erschüttern.

Das Dementi aus dem Buckingham Palace kam schnell und hätte deutlicher nicht sein können: „Kategorisch unwahr.“ So ließ der 54-jährige Prinz Andrew die Behauptungen dementieren, die den Sohn der Queen, die Nummer fünf der britischen Thronfolge, in einen neuen, alten Sexskandal hineinziehen könnten. Andrew, Herzog von York, habe sich 2001 an einer minderjährigen „Sexsklavin“ vergangen, einer 17-jährigen Amerikanerin, bei Partys in New York, in London und auf den Jungfraueninseln, heißt es in Akten, die bei einem Gericht in Florida hinterlegt wurden.

Von Orgien ist die Rede, „Bunga-Bunga“-Partys im Berlusconi-Stil, mit „zahlreichen Minderjährigen“, die der wegen Pädophilie verurteilte Milliardär und Lebemann Jeffrey Epstein organisiert habe. Epstein habe ihr gesagt, sie solle „dem Prinzen geben, was immer er verlange“, so eine heute 30-Jährige, die sich hinter dem Namen „Jane Doe #3“ verbirgt und gegen Epstein anonym klagt, ebenso wie drei andere Frauen. Ihr Vorwurf: Epstein habe junge Frauen gefügig gemacht und sie als "Sexsklavinnen" an einflussreiche Männer verliehen, um sich bei diesen beliebt zu machen. Epstein, ein ehemaliger Mathematiklehrer, der als Finanzier zu Geld kam, ist im internationalen Jetset bestens vernetzt. In seinem Adressbuch soll von Tony Blair über Bill Clinton, den Milliardär Donald Trump und Formel-1-Guru Bernie Ecclestone viel Prominenz vertreten sein.

Die Attacke wird vom Königshaus sehr ernst genommen

Ohnehin ist Prinz Andrew skandalerprobt. In den zehn Jahren, in denen er als Diplomat für britische Handelsinteressen um die Welt zog, wusste er zwischen Job und persönlichem Vorteil selten scharf zu trennen. Auch die aktuellen Vorwürfe sind in Wahrheit nicht neu. Sie wurden schon aktenkundig, als das FBI 2008 gegen Epstein ermittelte und dieser zu einer 18-monatigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Die vier Frauen klagen jetzt, weil ihr Fall damals unter den Teppich gekehrt worden sei. Dass man im britischen Palast die Anschuldigungen nun eines Kommentars würdigte, dass sogar Rechtsanwälte des Prinzen zu dem ungewöhnlich eindeutigen Dementi rieten, wie die „Daily Mail“ berichtet, zeigt, wie ernst man die neue Attacke auf das ohnehin schon angeschlagene Renommee des britischen Prinzen nimmt.

Zeitungen haben keine Schwierigkeiten, der Klägerin „Jane Doe #3“ einen bürgerlichen Namen zuzuordnen. Es soll sich um die Amerikanerin Virginia Roberts handeln, heute Mutter dreier Kinder. Es gibt ein Foto, auf dem Andrew ihr lässig den Arm um die Hüfte legt. Es soll 2001 in London in einer Wohnung Epsteins gemacht worden sein. Roberts packte vor Jahren schon unter eigenem Namen aus, unter anderem in der „Mail on Sunday“. „Alte, schlüpfrige Behauptungen, die sich immer wieder als grundlos erwiesen haben“, sagt Epsteins Anwalt Jack Goldberger dazu.

Roberts nahm das kategorische Dementi des Buckingham Palace nicht schweigend hin. Das sei wieder so ein typischer Mobbing-Versuch, teilte sie mit. Aber sie sei entschlossen, sich nicht noch einmal zum Opfer machen lassen.

Keine ehrwürdige Institution bleibt von den Vorwürfen verschont

Mit solchen Äußerungen reiht sich Roberts in die Reihe von Missbrauchsopfern ein, die nun in Großbritannien ihr langes Schweigen brechen und, oft erst Jahrzehnte später, auf Gerechtigkeit pochen. Seit über zwei Jahren ist die Aufklärung alter und nicht ganz so alter Pädophilenskandale die bestimmende Sittengeschichte Großbritanniens, angefangen mit der posthumen Aufdeckung der jahrzehntelangen Missbrauchskarriere des Pädophilen BBC-Stars Jimmy Savile bis zu einem vermuteten Pädophilenring, zu dem angeblich Prominente bis hinauf zu Kabinettsministern und Armeeoffizieren gehörten. Scotland Yard ermittelt sogar wegen Lustmorden an Jungen.

Institutionen von der BBC bis hin zur katholischen Kirche und dem staatlichen Gesundheitsdienst gehen in die Selbstprüfung, auch eine große richterliche Untersuchung ist geplant. Eine Nation geht mit ihrer Sexualmoral ins Gericht. Die Ideen von Freizügigkeit, die in den 60er Jahren eine unheilvolle Verbindung eingingen mit einem von Selbstüberschätzung verblendeten Establishment auf der einen Seite und der Bereitschaft zu rigoroser Unterordnung auf der anderen, stehen auf dem Prüfstand. So ist auch der neue, alte Skandal um den Lebemann Prinz Andrew für Großbritannien von besonderer Bedeutung.

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