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Schwerer Busunfall auf Autobahn 2 in Niedersachsen - Zahlreiche Tote

© ddp

Hannover: Busunglück auf A2: Opferidentifizierung schwierig

Bei einem schweren Busunglück auf der Autobahn 2 sind am Dienstagabend in Niedersachsen 20 Menschen ums Leben gekommen, darunter auch ein Jugendlicher. Vier Verletzte schweben noch in Lebensgefahr. Jetzt beginnt die Ursachenforschung.

Es ist das schwerste Busunglück in Deutschland seit über 15 Jahren: 20 Menschen starben am Dienstagabend auf der Autobahn 2 nahe Hannover, als ihr Bus in Flammen aufging und völlig ausbrannte. Viele ältere Fahrgäste konnten sich nicht mehr rechtzeitig aus den Flammen retten. 13 Menschen wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte. Vier der Verletzten rangen am Mittwoch noch mit dem Tod. Sie lagen im künstlichen Koma. Die Gruppe war auf der Rückfahrt von einer Kaffeefahrt im Münsterland. Der Innenraum des Busses brannte vollständig aus. Die Leichen der Opfer seien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, sagte ein Polizeisprecher.

Die Identifizierung der 20 Opfer des verheerenden Busunglücks auf der Autobahn 2 bei Hannover gestaltet sich offenbar schwierig. Zu der Kaffeefahrt nach Haltern in Nordrhein-Westfalen hatten sich mehr Menschen angemeldet als letztlich mitfuhren. "Wir gehen
davon aus, dass wir die 20 Personen kennen", sagte Einsatzleiter Thomas Rochell am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Brennpunkt". Die Bergung der Leichen aus dem Wrack sollte am späten Abend abgeschlossen werden.

Auch ein Jugendlicher unter den Opfern

Unter den 20 Todesopfern war nach Informationen der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" auch ein Jugendlicher. Bisher waren die Ermittler davon ausgegangen, dass sich nur Senioren an der Kaffeefahrt beteiligt hatten. Polizeisprecher Stefan Wittke bestätigte am Mittwochabend den Bericht der Zeitung: "Wir müssen davon ausgehen, dass es so ist", sagte Wittke. Es handele sich um eine Familie, die zusammen unterwegs war. Der Jugendliche sei unter 18 Jahre alt gewesen.

Vier Verletzte schweben weiterhin in Lebensgefahr: Die Kombination aus den Verbrennungen, den eingeatmeten Rauchgasen und dem hohen Alter der Patienten sei lebensbedrohend, sagte der Leiter des Bereichs Verbrennungsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, Prof. Hans-Oliver Rennekampff. Dort werden sieben Schwerstverletzte behandelt, fünf Opfer liegen in anderen Krankenhäusern. Nur der 51 Jahre alte Fahrer des Busses konnte die Klinik bereits verlassen. Bei den Verletzten handelt es sich um sieben Männer und sechs Frauen im Alter von 46 bis 79 Jahren.

Stichflamme aus der Bordtoilette

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat indes ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Das Feuer in dem Unglücksbus breitete sich nach Angaben des Polizeipräsidenten "blitzartig und sehr, sehr schnell aus". Der genaue Hergang ist aber noch unklar: Vermutet wird unter anderem, dass ein Fahrgast in der Toilette heimlich rauchte und die Zigarette nicht ordentlich löschte. "Wir wissen die Ursache einfach nicht", betonte Bernd Keitel von der Feuerwehr Hannover.

Augenzeugen hatten von Rauchentwicklung in der WC-Kabine berichtet. Zuvor war ein Mann auf der Toilette, ob er dort rauchte, steht nach Polizeiangaben bisher nicht fest. Unklar ist auch, ob dieser Mann unter den Toten ist. Als die Toilettentür geöffnet wurde, schoss eine Stichflamme aus dem kleinen Raum ins Fahrzeuginnere. Das Feuer habe den Hochdeckerbus unter Umständen auch deshalb so schnell ganz erfassen können, weil sich die Flammen wie durch einen Kamineffekt nach oben ausbreiten konnten. Wenn sich der Rauch sehr schnell im Bus verteile, bildeten sich zudem entzündliche Gase, erklärten die Ermittler.

Busfahrer reagierte sofort

Der Busfahrer habe nach den Feuerrufen der Passagiere sofort reagiert, sein Fahrzeug von der mittleren Spur an den Rand gesteuert und die Türen entriegelt und geöffnet. Der Fahrer habe noch bis zuletzt versucht, Menschen ins Freie zu bringen, sagte der Anwalt der Inhaberfamilie des Unternehmens.

Der Geschäftsführer des Ausflugslokals, Thomas Döpper, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, bei der Reisegruppe habe es sich ausschließlich um Stammgäste gehandelt, die das beliebte Ausflugsziel im Münsterland zum Teil schon zehn Mal und mehr besucht hätten. "Wir sind tief betroffen", sagte Döpper.

Tiefensee kündigt Überprüfung von Sicherheitsbestimmungen an

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) fordert nun eine rasche Aufklärung. Er sprach den Angehörigen der Opfer und Verletzten am Mittwochmorgen sein Mitgefühl aus. Der Untersuchungsbericht müsse nun schnell vorgelegt werden. Zuvor war der auf der Autobahn 2 bei Hannover verunglückte Reisebus am frühen Morgen abtransportiert worden. In dem ausgebrannten Wrack befanden sich noch die 20 getöteten Fahrgäste. Tiefensee kündigte eine Diskussion über Sicherheitsbestimmungen an. Nach Vorlage des Untersuchungsberichts müsse gesehen werden, "ob sie für Senioren gut" seien. Derzeit sei es für eine solche Einschätzung aber noch zu früh.

Nach Augenzeugenberichten schoss eine Stichflamme aus der Toilette des Busses. Möglicherweise habe dort ein Passagier heimlich geraucht. Ein Mann hatte die Toilette kurz zuvor verlassen. "Dies ist allerdings nur eine Annahme", sagte Polizeisprecher Stefan Wittke. Ein technischer Defekt könne eher ausgeschlossen werden. "Die Reifen sind intakt, der Motor ist intakt." Nach Einschätzung des Internationalen Bustouristik Verbands RDA geht das schwere Unglück ebenfalls nicht auf einen Motor- oder Reifenschaden zurück. Die Feststellungen vor Ort hätten ein "neuwertiges Fahrzeug" ohne Unfall-Beschädigungen gezeigt, teilte der Verband am Mittwoch in Friedberg mit.

Unfallexperten des RDA hätten das ausgebrannte Buswrack bereits wenige Stunden nach dem Unglück untersucht. Der Bus habe auf allen sechs Reifen gestanden, hieß es. Der Motorraum sei vom Brand ebenso wenig betroffen gewesen wie der untere Bug- und Heckbereich sowie die untere Hälfte der linken Fahrzeugseite. Lack und Beschriftungen seien in diesen Bereichen noch nahezu komplett vorhanden gewesen.

Bild des Grauens

Der Reisebus eines Unternehmens aus Hannover war gegen 20.45 Uhr bei der Ausfahrt Garbsen in Fahrtrichtung Berlin in Brand geraten. Aus dem Wrack wurden Rollatoren (Gehhilfen) getragen. Den Rettern bot sich ein Bild des Grauens.

In Hannover war vor dem Rathaus Halbmast geflaggt. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) drückte den Angehörigen sein Mitgefühl aus. Auch die EU-Kommission zeigte sich bestürzt.  Eine zentrale Trauerfeier der Stadt Hannover ist für den kommenden Montag geplant.

Die A2 zwischen Hannover und Berlin gilt als eine der unfallträchtigsten Autobahnstrecken Deutschlands. Immer wieder kommt es dort zu folgenreichen Unglücken. Im Januar starben drei Menschen durch einen Unfall mit einem voll beladenen Lastwagen, ein Jahr zuvor kamen bei einem Busunfall zwei Menschen aus Polen ums Leben.

Schwerstes Busunglück seit 15 Jahren

1992 waren auf einem Autobahnzubringer in der Nähe von Donaueschingen im Schwarzwald 20 Menschen gestorben, 35 wurden verletzt. Im vergangenen Jahr kamen auf der A14 in Sachsen-Anhalt 13 Mitglieder einer Reisegruppe aus Nordrhein-Westfalen ums Leben, als ihr Bus auf der Fahrt nach Dresden von der Fahrbahn abkam und mehrere Meter die Böschung hinabstürzte. (nal/HX/dpa/ddp/AFP)

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