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Panorama: Höhlendrama: Verschmiert, zerzaust, müde und glücklich

"Mit Spielen, Singen und Aerobic haben wir das überstanden", sagte eine Studentin nach ihrer Rettung. Verschmiert, zerzaust, müde, aber glücklich kletterten die in einer Höhle im französischen Jura eingeschlossenen Schweizer nach über 70 Stunden ans Tageslicht.

"Mit Spielen, Singen und Aerobic haben wir das überstanden", sagte eine Studentin nach ihrer Rettung. Verschmiert, zerzaust, müde, aber glücklich kletterten die in einer Höhle im französischen Jura eingeschlossenen Schweizer nach über 70 Stunden ans Tageslicht. In Decken gehüllt traten die jungen Leute am Sonnabendabend ins Freie, empfangen vom Jubel der Retter. "Ich danke Ihnen allen, das ist großartig, was sie für uns getan haben", waren die ersten Worte eines der Studenten vor dem Eingang der Goumois-Höhle.

Zum Thema Hintergrund: Wasser macht Höhlen oft zur Falle - dramatische Rettungsaktionen Rund drei Tage lang hatten die Studenten, Teilnehmer eines Kurses "Erlebnispädagogik", in der überfluteten Höhle ausharren müssen. Retter und Angehörige hatten zwischenzeitlich um das Leben der unerfahrenen Wanderern gefürchtet.

Nach ihrer glücklichen Rettung am Samstagabend wurden die drei Frauen und fünf Männer sofort in eine Krankenstation am Unfallort gebracht. Dort begrüßten sie ihre Familien, abgeschirmt von neugierigen Blicken. "Jetzt ist endlich alles vorbei. Hoffentlich wird man die Lehren daraus ziehen", sagte die Schwester eines der Studenten. Noch am Abend kehrten die Geretteten in die Schweiz zurück. Mit einem Hupkonzert und begleitet von Freudenrufen der Bewohner verließ die Auto-Karawane das kleine Dorf Goumois.

Im Schweizer Krankenhaus in Delemont wurden sie ein zweites Mal untersucht. Die drei Frauen und fünf Männer seien physisch und psychisch in Ordnung, sagte ein Sprecher des Krankenhauses. Noch am Sonntag durften sie nach Hause zurückkehren.

Die Zeit sei sehr hart gewesen, weil die meisten nur für höchstens eine Stunde Schlaf gefunden hätten, sagte eine Studentin. Ein anderer Student sagte, die Gruppe habe sich zurzeit des Wassereinbruchs in der Goumois-Höhle bereits auf dem Rückweg befunden. Sie hätten dann auf einer trockenen Stelle Zuflucht gesucht.

Am Freitag hatten Taucher die Gruppe aufgespürt. Die Bergung verzögerte sich aber Stunde um Stunde, weil das reißende Hochwasser trotz Pumparbeiten nicht absinken wollte. Dann ging plötzlich alles sehr schnell. "Die Kombination aus Sprengung, Pumparbeiten und trockenem Wetter hat den Höhlengang sehr rasch trockengelegt", sagte der Präfekt der Region. Zur Erleichterung der Retter blieb den Amateuren ein riskanter Tauchgang erspart.

Um ins Freie zu gelangen, mussten die Eingeschlossenen gut zehn Meter weit durch knietiefes Wasser waten und dann einen rund vierzig Meter langen Gang durchqueren. "Sie konnten gut gehen, wir mussten ihnen nicht helfen. Sie kamen ganz alleine hinaus", sagte der Retter. Die Gruppe verließ die Höhle durch einen zweiten Ausgang, der am Freitag freigesprengt worden war. "Wir wollen es so machen, dass die jungen Leute so trocken wie möglich herauskommen," hatte Gehin noch am Nachmittag gesagt. "Das heißt, wenn möglich mit dem Kopf über Wasser." Nachdem am Nachmittag auf dem Weg zum Ausgang noch zwanzig Meter tauchend zurückgelegt werden mussten, hatte Gehin mit einer Rettung erst spät in der Nacht gerechnet.

Die Rettungsaktion selbst dauerte schließlich lediglich 20 Minuten. Die Rettungskräfte hatten zuvor mit eineinhalb Stunden gerechnet. Die Aktion sei nicht zuletzt so rasch verlaufen, weil sich die Eingeschlossenen in einem sehr guten Zustand befunden hätten, sagte ein Helfer. Die Frauen und Männer mussten seit Mittwochabend bei etwa 12 Grad Lufttemperatur ausharren.

Die Studenten und ihre Gruppenleiterin waren am Mittwoch in die Höhle abgestiegen und wurden dort von einem plötzlichen Wasseranstieg überrascht. Bei dem Kurs "Erlebnispädagogik" sollte es darum gehen, Grenzen kennen zu lernen und Gruppenverhalten einzuüben. Ursprünglich sollte der Ausflug in die Höhle vier Stunden dauern. Noch am Mittwochvormittag hatte eine andere Gruppe einen problemlosen Ausflug in die Höhle unternommen. Einige Stunden vor dem Abstieg der Zürcher Gruppe ging in der Region ein schwerer Gewitterregen nieder.

Schweizer Zeitungen kritisierten am Wochenende den Veranstalter der Erlebnistour, "Altamira" (Bettingen bei Basel). Rettungskräfte sprachen nach Angaben des "SonntagsBlick" von "grobfahrlässigem Leichtsinn", weil die 32-jährige Gruppenführerin offensichtlich auf Drängen des Geschäftsführers nach dem Gewitter noch am Mittwochabend in die Höhle eingestiegen war. Der Gruppenleiterin wurde von den Rettungskräften eine ruhige und umsichtige Betreuung der Studenten attestiert. Sie hatte die unerfahrenen Wanderer zu einem Hohlraum geführt.

Für die bis zu 200 Retter, die in Wechselschichten rund um die Uhr im Einsatz waren, war die Arbeit am Sonntag noch längst nicht beendet. Sie mussten die 18 Pumpen aus dem schlammigen und rutschigen Untergrund wieder hinaufholen. Die Kosten für derartige Rettungsaktionen trägt normalerweise die Gemeinde, in der der Unfall geschehen ist. Eine ähnliche Höhlen-Rettung von sieben Eingeschlossenen im vergangenen November im Zentralmassiv hat 250 000 Mark gekostet.

Die Höhle "Bief Paroux" liegt in Sichtweite der Schweizer Grenze am Fluss Doubs. Die Bürgermeisterin von Goumois, Jeanne-Marie Taillard sagte, die Gruppe habe sich möglicherweise leichtsinnig verhalten. "Sie haben die Risiken vielleicht unterschätzt, denen sie sich ausgesetzt haben." Sie hätten das Gewitter vom Mittwoch und die tagelangen Regenfälle nicht als Warnzeichen genommen. Durch die starken Regenfälle fließe nun jedoch das auf dem Kalkplateau von Maiche gesammelte Wasser durch die Höhle ab. Die Niederschläge seien im April viermal so ergiebig wie der Durchschnitt gewesen, sagte Taillard.

Matthias Wyssmann

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