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Panorama: Ihre Sorge in Gottes Ohr

Die Telefonseelsorge wird 50 Jahre alt

Wenn man „Dr. Sommer“, „Frau Brigitte“ und Pfarrer Fliege miteinander verschmelzen würde, dann käme wahrscheinlich ein Telefonseelsorger heraus. Man muss die Fantasie schon ein bisschen anstrengen, um sich eine Vorstellung von den rund 7000 ehrenamtlichen und 20 festangestellten Helfern zu machen, die rund um die Uhr ein offenes Ohr für Probleme aller Art haben – egal, ob es nun um ein schlechtes Zeugnis oder schlechten Sex geht. Die Stimme der geduldigen Zuhörer haben zwar schon viele gehört, aber zu Gesicht bekommt man sie nie. Denn Anonymität gehört zu den heiligen Geschäftsgrundsätzen der Ratgeber, die im Auftrag der Kirchen im Einsatz sind, und das seit 50 Jahren. Das Jubiläum wird am 16. September mit einem großen Festakt in Berlin unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler gefeiert, wie die katholische und evangelische Kirche am Montag gemeinsam mitteilten.

Es war der 6. Oktober 1956, als der Arzt, Pfarrer und Psychotherapeut Klaus Thomas in Berlin die erste Telefonseelsorgerstelle in Berlin ins Leben ruft. Der Anlass war ziemlich traurig: Berlin war die Stadt mit der höchsten Selbstmordrate in Deutschland. Seinen neuen Dienst, der eine Ansprechstelle für Bedrängte sein sollte, nannte Thomas daher zunächst „Ärztliche Lebensmüdenbetreuung“.

Heute sind Selbstmordgedanken nur noch für ein Prozent der Anrufer Anlass, die (kostenfreie) Nummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 zu wählen. Knapp zwei Millionen Anrufer waren es im vergangenen Jahr, zwei Drittel davon Frauen. Häufigste Themen waren Probleme in der Partnerschaft oder Familie (20 Prozent). Auch Einsamkeit belastet viele Anrufer. Immer mehr Menschen (11,6 Prozent) rufen zudem an, um über psychische Probleme zu reden. „Es ist zunächst ein Hören, und zwar ein Zuhören auch dann, wenn andere schon längst nicht mehr zuhören“, sagte Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Ein Drittel will sich aber einfach nur ein Späßchen erlauben. Das erklärt wohl, warum der Statistik zufolge ein Drittel der Gespräche nicht länger als eine Minute dauern. Lästige Anrufe können die Seelsorger wegdrücken.

20 bis 30 Millionen Euro geben die beiden Kirchen nach eigener Auskunft im Jahr für die Telefonseelsorge aus. Vielleicht wird es bald noch etwas mehr, denn im Jubiläumsjahr überlegen die Kirchen, ob sie „den einen oder anderen zusätzlichen Standort brauchen“, um noch mehr ehrenamtliche Helfer an die Strippe zu bekommen, wie Bischof Wolfgang Huber, der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, ankündigte. An der Unterstützung der Deutschen Telekom wird es nicht scheitern. Nach Angaben von Konzernchef Kai-Uwe Ricke spendiert sie jedes Jahr einen Betrag im „mittleren einstelligen Millionenbereich“ für die Bereitstellung der Anschlüsse – und will den Seelsorgern auch in Zukunft treu bleiben.

Maren Peters

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