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Panorama: Infizierter Herzchirurg: Leben retten

Der Fall des Göttinger Chirurgen, der 24 Jahre lang Patienten trotz einer Hepatitis-B-Infektion operiert hatte, macht auf mögliche Sicherheitslücken aufmerksam. Niedersachsen will deshalb neue Regelungen einführen, die ein Expertengremium ausarbeiten soll.

Der Fall des Göttinger Chirurgen, der 24 Jahre lang Patienten trotz einer Hepatitis-B-Infektion operiert hatte, macht auf mögliche Sicherheitslücken aufmerksam. Niedersachsen will deshalb neue Regelungen einführen, die ein Expertengremium ausarbeiten soll.

Bislang ist noch unklar, ob und wieviele Patienten sich infiziert haben. Der Fall ist insofern schwierig zu beurteilen, als der infizierte Arzt eine Koryphäe auf dem Gebiet der Herzmissbildungen bei Kleinkindern ist und in vielen besonders schweren Fällen das Leben retten kann. Er operiert deshalb derzeit weiter. Allerdings werden die Eltern der Kinder auf die Risiken seiner Infektion hingewiesen. Inzwischen ist eine Initiative von Eltern herzkranker Kinder entstanden, die auf eine Operation warten. Die Initiative fordert, dass der Arzt weiter operieren darf.

Ausreichende Richtlinien gibt es bisher nicht. So wird Klinikärzten zwar empfohlen, sich impfen zu lassen. Eine Impfpflicht besteht aber nicht. Niedersachsen will die Kliniken in die Pflicht nehmen. Die Klinikleitungen müssten überlegen, ob sie in ihren Arbeitsverträgen zumindest für Operationsärztinnen und -ärzte solche Impfungen verlangen. Am Göttinger Klinikum gibt es eine solche Verpflichtung bisher nicht.

Umstritten ist auch die ärztliche Schweigepflicht des Betriebsarztes. Im Göttinger Fall war der Betriebsarzt des Universitätsklinikums zwar über die Infektion des Chirurgen informiert, die Klinikleitung und die behandelten Patienten aber nicht. Nur wenn jemand akut an Hepatitis-B erkrankt sei, habe der behandelnde Mediziner die Pflicht, diese Erkrankung beim Gesundheitsamt anzuzeigen, sagte Klinikumssprecherin Rita Wilp. Es habe sich bei dem Chirurgen jedoch nicht um eine Akut-Erkrankung gehandelt. Dieser sei auch nicht verpflichtet gewesen, seine Infektion der Klinikleitung zu melden.

Gesundheitsministerin Trauernicht will zwar an der ärztlichen Schweigepflicht grundsätzlich nicht rütteln. Die Diagnose dürfe der Betriebsarzt zwar nicht an den Arbeitgeber weitergeben, wohl aber ein Votum, ob gesundheitliche Bedenken gegen einen Mitarbeiter bestünden. Auch betroffene Mediziner selbst müssten ihrer Verantwortung gerecht werden: "Wer an einer ansteckenden Krankheit leidet, darf dieses Wissen nicht für sich behalten und so andere in Gefahr bringen." Ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht sei dann nicht rechtswidrig, wenn ein höherwertiges Rechtsgut wie etwa Leib und Leben von Patienten anders nicht geschützt werden können.

Am Göttinger Universitätsklinikum ist vor kurzem ein Ehrenkodex erarbeitet worden. Dieser sieht eine freiwillige Erklärung von Mitarbeitern zu der Frage vor, ob sie an einer ansteckenden Infektion leiden. Die Ärztekammer Niedersachsen appelliert ebenfalls an das Verantwortungsbewusstsein der Ärzte.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen stellt klar: Falls nachgewiesen werde, dass sich Patienten durch den Arzt infiziert hätten, sei objektiv der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt. Justizsprecher Heimgärtner sagte, es sei zu prüfen, ob dies auch subjektiv der Fall sei und der Beschuldigte tatsächlich fahrlässig gehandelt habe. Dies sei dann der Fall, wenn die Körperverletzung vorhersehbar und vermeidbar war.

Heidi Niemann

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