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Panorama: Japan: Es ist ein Mädchen

Lange hatten sie sich zurückhalten müssen, die Japaner, dann hatten sie gestern endlich ihren grossen Tag: Prinzessin Masako hat ein gesundes Baby zur Welt gebracht, ganz Japan vergeht vor Rührung und Freude, Fernsehsender und Zeitungen bringen Sondersendungen und Extraausgaben. Es scheint, als sei nicht nur eine grosse Last von der armen Kronprinzessin genommen, die ganze Nation atmet auf, denn endlich, nach achteinhalb Jahren Ehe, gibt es den ersehnten Nachwuchs im kaiserlichen Haus.

Lange hatten sie sich zurückhalten müssen, die Japaner, dann hatten sie gestern endlich ihren grossen Tag: Prinzessin Masako hat ein gesundes Baby zur Welt gebracht, ganz Japan vergeht vor Rührung und Freude, Fernsehsender und Zeitungen bringen Sondersendungen und Extraausgaben. Es scheint, als sei nicht nur eine grosse Last von der armen Kronprinzessin genommen, die ganze Nation atmet auf, denn endlich, nach achteinhalb Jahren Ehe, gibt es den ersehnten Nachwuchs im kaiserlichen Haus.

Auch in Tokio ist mittlerweile der Winter hereingebrochen, doch bei eisigen Temperaturen harren glückstrahlende Menschen vor dem kaiserlichen Palast aus, um ihre Freude zum Ausdruck zu bringen. Schon einmal, im Herbst 1999, hoffte die Nation, damals war durch eine undichte Stelle die Nachricht von einer möglichen Schwangerschaft Masakos an die Presse gesickert, die sich fortan auf nichts anderes mehr stürzte, als die arme Kronprinzessin. Masako erlitt im Winter dann eine Fehlgeburt, und der Traum vom Nachfolger im Kaiserhaus war erst einmal ausgeträumt. Als im Mai dieses Jahres das Hofamt "erste Anzeichen einer Schwangerschaft" Masakos vermeldete, hielten sich die Medien folgsam an das sich anschliessende Berichtsverbot. Die Kronprinzessin durfte eine weitgehende ungestörte Schwangerschaft verbringen.

Mit der Geburt des Kindes ist das Fortbestehen des japanischen Kaiserhauses gesichert, das als die älteste Erbmonarchie der Welt gilt. Da wiegt erst einmal weniger schwer, dass das Baby von blauem Geblüt ein fast drei Kilogramm schweres Mädchen ist. Die japanische Verfassung verbietet Frauen die Erbfolge, nur männliche Thronfolger dürfen Kaiser werden. Vermutlich wird die Diskussion um eine Verfassungsänderung in den nächsten Tagen und Wochen wieder aufflammen, gegenwärtig jedoch sonnt sich das Land ganz im Jubel über die glückliche Geburt.

Noch vor zwei Wochen hatten politische Führungskräfte der regierenden Liberaldemokratischen Partei bekannt gegeben, dass man nicht an eine Verfassungsänderung denke, selbst wenn das für Ende November, Anfang Dezember erwartete Kind ein Mädchen werden sollte. Damit wollte die Regierung allzu vorauseilende Spekulationen vorerst eindämmen. Man müsse abwarten, ob sich nicht doch noch männlicher Nachwuchs einstelle, hiess es, und das liess offen, welches Baby damit gemeint war: das nun geborene oder vielleicht ein zukünftiges? Der siebenunddreissigjährigen Kronprinzessin Masako wäre zu wünschen, dass sich ihr in starren Riten und Regeln gefangenes Leben mit der Geburt ihrer Tochter ein wenig entspannt.

Der Druck ist vorbei

Der schlimmste Druck jedenfalls ist an diesem ersten Dezember 2001 erst einmal von ihr genommen. Sie hat ein Baby zur Welt gebracht und damit ihre Stellung als Kronprinzessin nach achteinhalb Jahren kinderloser Ehe gefestigt. Die frühere lebenslustige Elitediplomatin war Kronprinz Naruhito, dem mit 41 Jahren ältesten Sohn des Kaiserpaares Akihito und Michiko, Anfang der neunziger Jahre auf einer Party ins Auge gefallen. Seinem Werben wich die Tochter einer alten angesehenen Diplomatenfamilie zuerst aus, ehe sie sich dem öffentlichen Druck beugen musste: Mit der Heirat 1993 gab die in Harvard und Oxford studierte Karrierefrau ihr Leben auf, um das einer zurückgezogenen Kronprinzessin hinter den Mauern des hermetisch abgeschirmten kaiserlichen Palastes mitten in Tokio zu führen. In der Diskussion um die Kinderlosigkeit des Paares war auch das strikte Programm der Prinzessin als Grund aufgeführt worden. Nach ihrer Fehlgeburt im Herbst 1999 wurde das Arbeitspensum Masakos dann rigoros gekürzt. Im Februar dieses Jahres konnte das Paar sogar zum ersten Mal seit ihrer Heirat 1993 einige Tage zusammen beim Skifahren in Nagano geniessen. Kronprinz Naruhito tritt für mehr Volksnähe des in strengen Regeln gefangenen Kaiserhofes ein. An seinem 41 Geburtstag im Februar dankte er seiner Frau mit ungewohnt offenen Worten dafür, dass sie einen so wundervollen Job als Kronprinzessin erledige. Er habe ihr viel zu verdanken.

Gute Nachrichten sind in Japans rezessionsgeplagter Wirtschaft derzeit Mangelware. Kein Wunder, dass die Geburt Hoffnungen geweckt hat, das Verbrauchervertrauen könnte sich dadurch nun aufhellen und die Wirtschaft ankurbeln. An Tokios Börse waren die Aktien von Herstellern für Babyausstattung bereits auf fast das Doppelte gestiegen.

Die Branche erhofft sich einen Babyboom. Der Spielzeughersteller Takara hat unlängst eine schwangere Puppe namens "Licca-chan" auf den Markt gebracht. Zwar war sie lange vor Masakos Schwangerschaft konzipiert worden, wie die Firma betont. Die Puppe verkaufe sich jedoch gut. Das Baby kommt auf Bestellung zusammen mit einem Schlüssel, mit dem sich der Bauch der Puppe "zurückbilden" lässt.

Japan könnte einen Babyboom gebrauchen. Kein anderes Industrieland altert so schnell; Experten warnen bereits vor Arbeitskräftemangel. Doch Analysten warnen vor falschen Hoffnungen: Die Geburt des Kronprinzenbabys werde bestenfalls einen kurzen Lichtblick für die Wirtschaft bringen. Ausschlaggebend für den privaten Verbrauch, der zu etwa 55 Prozent zur wirtschaftlichen Leistung Japans beiträgt, sei vielmehr die Lage am Arbeitsmarkt: Und die sieht alles andere als erfreulich aus.

Ulrike Haak

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