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Panorama: Kasse machen mit Gefühlen

Das lukrative Weihnachtsgeschäft der Spendensammler hat begonnen – Experten warnen

Adventskerzen leuchten, die Herzen gehen auf – das ist die ideale Zeit für Spendensammler, mit den Gefühlen der Menschen Kasse zu machen. Sie lauern in Einkaufszonen, sie greifen zum Telefon, sie werfen Broschüren in den Briefkasten. Verbraucherschützer und Experten vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) in Berlin warnen. Bei vielen Spendenorganisationen ist nicht nachvollziehbar, wie viel vom Spendenaufkommen sie selbst behalten. Extrem gefühlsbetonte und aufdringliche Spendenaufrufe seien oft Kennzeichen unseriöser Organisationen, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des DZI. Es vergibt seit 1992 das so genannte Spendensiegel – als Kennzeichen für geprüfte Seriosität. Die Kartei des Instituts listet derzeit 200 Organisationen auf, alle sind gemeinnützig anerkannt. „Wir lehnen jedes Jahr dreißig Prozent der Antragsteller ab, weil sie Grundbedingungen nicht erfüllen und den anspruchsvollen Siegelkriterien nicht genügen“, sagt Wilke.

Bei Spendenaufrufen wie jenem von „International Children’s Fund“ wird Wilke hellhörig. „Oh, wenn Sie nur sehen könnten, wie diese ausgedörrten Lippen ein bizarres Todesgrinsen formen“, steht da. „Wir halten mehr davon, wenn Organisationen informativ und sachbezogen überzeugen, statt mit solchen Schilderungen emotional aufzuwühlen“. Die Spendenwesen-Experten raten zudem davon ab, das Portemonnaie herauszuholen, wenn die Sammelbüchse penetrant unter die Nase gehalten wird. „Wenn einem so was zum Beispiel vor dem KaDeWe oder auf dem Breitscheidplatz passiert, sollte man lieber Zuhause per Internet oder durch Rücksprache mit uns prüfen, ob dieser Verein seriös arbeitet“, sagt Burkhard Wilke.

In Berlin, aber auch in vielen anderen Bundesländern nehmen Sammelaktionen mit Methoden von Drückerkolonnen zu, seitdem das Sammlungsgesetz abgeschafft wurde. Seitdem müssen Haus- und Straßensammlungen nicht mehr angemeldet werden. Wenn aber Berliner Aids-Hilfe oder das Rote Kreuz um Spenden in die verplompte Büchse bitten, könne man bedenkenlos geben. Zur Vorsicht raten die Verbraucherschützer auch dann, wenn „Unterschriftensammler“ sich an der Haustür nicht abschütteln lassen. „Nicht selten wird aus der Solidaritätsunterschrift ein ungewolltes Zeitschriftenabo oder eine meist zweijährige Vereinsmitgliedschaft als Fördermitglied mit Zahlungsverpflichtung“, warnt die Verbraucherzentrale Berlin. Zudem sollten größere Geldspenden nie bar, sondern immer per Überweisung auf ein Spendenkonto gezahlt werden – schon wegen der Spendenbescheinigung fürs Finanzamt. Auch im Spendenwesen boomt das Internet – immer mehr Initiativen werben im Netz um einen Klick für den guten Zweck. Auch hier hat Wilke schlechte Erfahrungen gemacht. „Man sollte auch im Internet vorsichtig sein und sich von einer professionell wirkenden Homepage nicht blenden lassen.“

Die Deutschen spenden viel: Dieses Jahr kommen zwischen 2,6 und 2,9 Milliarden Euro zusammen – das sind zum größten Teil die vielen Überweisungen zahlreicher Bürger. Dreißig bis fünfzig Prozent der Deutschen spenden seit Jahren regelmäßig – und sind damit auch potenzielles Ziel Krimineller. Burkhard Wilke: „Wenn schwarze Schafe Straßensammlungen machen, geht dabei ja gar nicht so viel Geld verloren. Aber das Image der Branche leidet umso mehr. Und Leute, die einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben, spenden nie wieder, sehr zum Schaden der seriösen Vereine.“

Solche Schlagzeilen vergisst man nicht: So löste der Chef vom Deutschen Tierhilfswerk den größten Spendenskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte aus. Zwei Jahre dauerte der Prozess gegen den DTHW-Chef, der 2003 wegen Untreue zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Der Schaden betrug rund 30 Millionen Euro. Jetzt erhob die Staatsanwaltschaft Lübeck gegen „Arche 2000“-Tierschützer Klage: Dem Gründer wird vorgeworfen, dass er sich mit elf Millionen Euro nach Spanien absetzen wollte.

Mehr Infos im Internet:

www.dzi.de

Annette Kögel

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