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Panorama: Kein Witz

Vicco von Bülow, bekannt als Loriot, macht kein Fernsehen mehr – Gags am Fließband sind seine Sache nicht

Der Humor im deutschen Fernsehen ist seine Sache nicht mehr. Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot, hat seinen Abschied vom Bildschirm angekündigt. „Das Fernsehen ist zu schnell geworden für meine Komik“, sagte der 82-Jährige der „Bild“-Zeitung vom Dienstag. Bei ihm habe es früher vier Sendungen mit je sechs Sketchen gegeben. „Heute fordern die Sender 24 Sendungen mit zahllosen Sketchen. Das ist nicht meins“, wurde er zitiert. Bei einer solchen Schlagzahl sei es nicht mehr möglich, eine „komische Qualität“ zu erreichen. „Die Forderungen sind unmenschlich geworden.“ Trotzdem gesteht Loriot dem Fernsehen zu, dass „die Sender es ja in diesem harten Wettbewerb so machen müssen“.

Die Fernseharbeit des Vicco von Bülow gleicht der eines Künstlers. Mit ungeheurer Sorgfalt hat er seine Sketche geschrieben, mit noch größerer Detailgenauigkeit hat er seine Fernsehstücke inszeniert. Loriot zeichnet als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller seiner eigenen Sketche verantwortlich. Solch ein Fernsehen ist ziseliert, es ist subtil gedacht und gemacht. Da explodieren keine Scherzbomben im Wohnzimmer. Loriot wollte, wenn er mit hochgezogenen Augenbrauen auf der TV-Couch Platz genommen hatte, mit seinen Partnern erreichen, dass die Zuschauer schmunzeln, sich amüsieren. Loriot erzählte und zeigte keine Witze, er kalkulierte, seine satirische Fernsehprosa könnte vom Publikum als komisch verstanden werden.

Spätestens, seitdem das Fernsehen sich in einen öffentlich-rechtlichen und in einen privaten Weg verzweigte, hat der Humor auf dem Bildschirm seriellen Charakter. Wenn die privaten Sender – bevorzugt am Freitag – eine Comedy nach der anderen auf die Zuschauer abschießen, dann muss zuvor massenhaft, ja industriell produziert worden sein. Dieser Bildschirm-Witz fußt, anders die Fernsehkomik eines Vicco von Bülow, auf dem Witz, den sich Menschen mal eben auf die Schnelle erzählen: „Kennst du den …?“ Diese Witze werden im Fernsehen mehr und oder weniger gut nachgespielt. Bei diesem Bombardement müssten die Deutschen eigentlich permanent gute Laune haben. Haben sie aber nicht. „Frei Schnauze“, „Mensch Markus“ oder „Zack! Comedy nach Maß“, wie aktuelle Produkte aus der Scherzkeksfabrik heißen, sind halt für schnelle Lacher und sofortigen Verbrauch geschrieben, inszeniert und gefertigt. Wer kann sich am Tag danach noch an dieses grobmotorische Grimassieren für ein unkonzentriertes Publikum erinnern? Keiner. Was nicht schlimm ist.

Loriot, der als Deutschlands erfolgreichster und nobelster Humorist gilt, zieht seinen Witz aus der Beobachtung. „Ich zeige ja nur allzu menschliche Dinge, die jedem passieren können und einen großen Wiedererkennungswert haben“, sagte er einmal und ergänzte, darüber hinaus müsse man wach bleiben, nichts als selbstverständlich hinnehmen und sich über alles wundern. Der Mitmensch ist komisch, man muss nur genau hinschauen. Und Vicco von Bülow hat genau hingeschaut, in seinen TV-Sketchen, Filmen, Karikaturen, Theaterstücken, in seinen „Gesammelten Werken in vier Bänden“. Er hat den Bundesrepublikanern gezeigt, wie sie auch sind: keine Monster, sondern Männlein und Weiblein, die der Tücke des Alltags zuweilen erliegen, wenn nicht unterliegen. Wenn jemals die Ironie eine Chance im Massenmedium Fernsehen hatte, dann verdankte und verdankt sie diese dem Bernhard Victor (Vicco) Christoph Carl von Bülow, geboren in Brandenburg, aufgewachsen in Berlin und berühmt geworden als Loriot.

Der jetzt angekündigte Abschied vom Fernsehen wird wohl endgültig sein. Obwohl, 1980 hatte er bereits mit der TV-Unterhaltung Schluss gemacht und schuf nur noch für seine runden Geburtstage Feierlichkeitsparodien rund um die famosen „Loriot“-Sketche. 1997 ließ er verlauten, er habe bereits ein Jahr zuvor sein „Fernsehgesamtkunstwerk“ abgeschlossen. Da hatte er sein Publikum gerade mit einer neuerlichen Bearbeitung seiner früheren Erfolgssendungen überrascht.

Und nun will Loriot tatsächlich zum Klassiker seiner selbst werden? Er muss wohl, er ist gesundheitlich angeschlagen. Und dann die Komik, die heute angesagt und die nicht mehr die seine ist. Vicco von Bülow sagte, er wolle nicht, „dass meine Familie oder Freunde mir eines Tages den wohlmeinenden Rat geben, dass ein Auftritt nichts mehr war.“ Zwar würde er „kurz in die Kamera winken“, wenn zum Beispiel sein alter Freund Joachim Fuchsberger noch einmal eine große Gala präsentiere. „Aber ansonsten gibt es für mich keine Show mehr.“

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