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Panorama: Kino: Kühl, einsam und begehrenswert

Damals, an jenem milden Spätsommerabend in Venedig 1999, waren sie vielleicht das glücklichste Paar der Welt: Nicole Kidman und Tom Cruise, das power couple Hollywoods, präsentierten zur Eröffnung der Filmfestspiele Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut". 15 lange Drehmonate lang hatten beide das durch Seitensprungfantasien vagabundierende Ehepaar aus Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" verkörpert - und nun überbrachten sie der Welt stolz das Vermächtnis eines genialen Regisseurs.

Damals, an jenem milden Spätsommerabend in Venedig 1999, waren sie vielleicht das glücklichste Paar der Welt: Nicole Kidman und Tom Cruise, das power couple Hollywoods, präsentierten zur Eröffnung der Filmfestspiele Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut". 15 lange Drehmonate lang hatten beide das durch Seitensprungfantasien vagabundierende Ehepaar aus Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" verkörpert - und nun überbrachten sie der Welt stolz das Vermächtnis eines genialen Regisseurs. Längst waren die Strapazen unter der Fuchtel des Perfektionisten Kubrick der ehrfurchts- und sogar liebevollen Erinnerung an den jüngst Verstorbenen gewichen, und endlich durfte das Ehepaar Kidman/Cruise - nach den gemeinsamen, mäßigen Filmen "Days of Thunder" (1990) und "Far and Away" (1992) - einmal nach den cineastischen Sternen greifen.

Himmlisch schön

Und doch, irgendwie schienen die zwei da auf dem Laufsteg zum Palazzo del Cinema so wenig zueinander zu passen wie die beiden Kubrickschen Leinwandgeschöpfe. Tom Cruise, soeben von Dreharbeiten zu "Mission Impossible: II" aus Australien eingeflogen, badete geradezu in der - überwiegend weiblichen - Menge, ein durchtrainierter, jungenhafter Action-Star; die hoch aufgeschossene, von Natur rothaarige Nicole Kidman dagegen, blass leuchtend in ihrem lebenslang alabasternen Teint, beobachtete mit feinem Hochmut das Autogrammgebalze - und ließ sich erst nach Minuten selbst hinab, um mit den Fingerspitzen gerade eben ein paar Fingerspitzen zu berühren. Ja, Tom Cruise suhlte sich, ein von der Masse Geliebter. Kidman, ganz überirdische Diva, gab dem Ganzen auf kühlstmögliche Weise den Segen.

Seltsam sinnfällig, diese Szene einer Ehe, als hätte sie in ihrem metallenen Strahlen das Glück Hollywoods in einem Augenblick bündeln wollen. Einer Ehe, die wegen ihrer Länge - geheiratet hatten die beiden Weihnachten 1990, er 28 Jahre alt, sie 23 - in der Hauptstadt der schnellstlebigen Lebensabschnittsvorteilsnahmen schon als ein mittleres Wunder galt. Doch anderthalb Jahre nach dem gemeinsamen Festival-Triumph war auch in Sachen Kidman/Cruise alles vorbei. Oder, Tom Cruise zufolge, schon ein gutes Jahr später - genau nach neun Jahren und elf Monaten Ehe, wie er vorrechnete, offenbar um vom kalifornischen Scheidungsrichter nicht als Zehn-Jahre-Langzeitehemann zu höherem Unterhalt verpflichtet zu werden. Was also um alles in der Welt, fragten sich die weltweiten Klatschspaltenspachtler, mag laut Cruises Rechnung im November 2000 vorgefallen sein, um das allergoldenste Hollywood-Paar auseinander zu bringen?

Oder wenn es nicht der November war - was geschah bis zu jenem schwarzen 5. Februar 2001, als beide zunächst hochdiplomatisch mitteilten, "inhärente Schwierigkeiten divergierender Karrieren" ließen eine zeitweise "friedliche Trennung" angeraten erscheinen, bevor Cruise zwei Tage später doch glasklar die Scheidung einreichte?

Die beiden mögen seit nunmehr zwei Monaten rechtskräftig getrennt sein - die weltweite Kinogemeinde, die die Schicksale der Stars mit geradezu verwandtschaftlicher Hingabe verfolgt, ist deshalb noch lange nicht zur Ruhe gekommen. Ja, das eiserne Schweigen der Betroffenen stachelt das kollektive Deutungsbedürfnis erst recht an. Steckte Scientology dahinter, genauer: Nicole Kidmans australisch-libertäre Herkunft, die sich mit dem fundamentalen Glaubensernst ihres Ehemanns nicht vertrug? Diese erste Interpretation wurde schnell verworfen. Wandte sich Nicole Kidman bei den Dreharbeiten zu Baz Luhrmanns "Moulin Rouge" vielleicht leidenschaftlicher ihrem Filmpartner Ewan McGregor zu, als dies das Drehbuch verlangte? Oder hat es zwischen Cruise und dem Branchen-Vamp Penelope Cruz, genannt "Pe", beim Dreh von Cameron Crowes "Vanilla Sky" so heftig geschnackelt wie einst mit "Nic" bei "Days of Thunder"? Oder, fast langweilig vernünftige Vermutung, haben sich die beiden, die sich zur Hochzeit noch gelobt hatten, nie länger als zwei Wochen getrennt zu sein, angesichts von vier Lebensmittelpunkten - Los Angeles, New York, Colorado und Australien - denn doch ein bisschen auseinander gelebt?

Nun, seit Juli zeigten sich Cruise und Cruz mehrfach offen als Paar. Und in Sachen Ewan McGregor mag der Hinweis genügen, dass er soeben seine Teilnahme zur morgigen "Moulin-Rouge"-Premiere in Berlin absagte: nicht aus womöglich reminiszenzträchtigem Lampenfieber an Kidmans Seite, sondern weil seine Frau in diesen Tagen ein Kind erwartet. Das globale, rund um den Hollywood-Schrein errichtete Dorf aber hat sein Urteil schon viel früher gesprochen. Sein Mitleid gilt der Verlassenen, nicht Mr. Hollywood himself, der seine zweite Frau offenbar ebenso ruckzuck abservierte wie 1990 nach dreijähriger Ehe die Schauspielerin Mimi Rogers. Sein Mitleid gilt der einstweilen allein erziehenden Adoptivmutter der achtjährigen Isabella und des sechsjährigen Connor, die zudem im März, wenige Wochen nach der Trennung, eine Fehlgeburt hatte, wie man in den Scheidungsakten nachlesen kann. Sein Mitleid gilt jener Frau, die unlängst die Affäre Cruise/Cruz mit den Worten ausdrücklich nicht kommentierte, sie sei ein "realer Mensch, der nicht vor Millionen über Privatestes reden" wolle, um durchaus privat hinzuzufügen: "Ich weigere mich, zu verbittern. Ich glaube noch immer ganz an die Liebe."

Die Liebe zu einem armen Poeten

Das tönt fast wie eine schüchterne Kontaktanzeige - und so mancher Fan mag Nicole Kidman gerade so morgen aus ihrem stillen Olymp des Leidens in Berlin einfliegen sehen, zur Benefiz-Gala in Sachen "Moulin Rouge": einsam, begehrenswert, himmlisch schön. Sie selbst wollte, so wird verbreitet, unter dem Eindruck der Terroranschläge in Amerika die rauschende Ballnacht in eine Wohltätigkeitsveranstaltung umgewandelt sehen, und natürlich hat der Veranstalter, die 20th Century Fox, ihrer Bitte entsprochen. Und auch sonst gerät Baz Luhrmanns wildes Pop-Musical fast zum Staatsakt: Die Botschafter Amerikas (Produktionsland), Frankreichs (Nationalsymbol "Moulin Rouge") und sogar Australiens (Kidmans Heimat) werden im CineStar am Potsdamer Platz zugegen sein. Den normalen Zuschauer braucht solcher Rahmen nicht zu scheren. Für ihn ist Nicole ab dem 18. Oktober, wenn der Film ins Kino kommt, niemand anderes als Satine - die coole, lüsterne Star-Kurtisane, die sich am Ende in ihren innigsten Fan, einen armen Poeten verliebt. Und alle armen, poetischen Männer dürfen träumen, einmal im Leben Ewan McGregor zu sein.

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