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Panorama: Kleiner Mann, ganz groß

Gael Garcia Bernal spielt den jungen Che Guevara

Er war der Posterboy beim diesjährigen Filmfestival von Cannes. Keiner, der dort nicht von Gael Garcia Bernal schwärmte, dem 24jährigen Mexikaner, der in gleich zwei Wettbewerbsfilmen die Hauptrolle spielte. Ganz so viele Poster wie von Che Guevara gibt es zwar von ihm noch nicht in den Teenie- und Studentenschlafzimmern – aber in den nächsten Wochen werden einige dazukommen. Denn jetzt spielt Bernal den Popstar der Revolution.

In „Diarios de motocicleta – Das Leben des jungen Che“, einem romantischen Roadmovie des Brasilianers Walter Salles sieht man ihn als Ernesto Guevara auf jener achtmonatigen Motorrad-Reise durch Lateinamerika, während der aus dem jungen, etwas unbedarften Medizinstudenten ein Revolutionär wird.

„Diese Rolle hat mir die Augen geöffnet.“ Beim Gespräch in Cannes wirkt Bernal immer noch ganz im Bann der monatelangen Arbeit an dem Film. „Walter Salles hat uns viele Bücher gegeben, wir mussten Seminare über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft belegen.“ Vier Monate lang fuhr Bernal auf einer über 50 Jahre alten Norton39, jener Maschine, mit der Guevara diese Reise unternahm. Vor allem aber hat er sich viele Stunden lang mit Alberto Granada unterhalten, dem heute über 80jährigen Reisegefährten des jungen Che. „Er hat mich ermuntert, ihn so zu spielen, wie er mir erscheint – als Mensch unserer Zeit.“

Während seiner Reise war Che 23 Jahre, genau so alt, wie Bernal während der Dreharbeiten. „Ich denke, dass mir Che für den Rest meines Lebens nahe sein wird, gerade in seiner Suche nach Identität, in seiner Neugier und Menschlichkeit. Der Film war auch für mich eine Reise, die meine Wahrnehmung verändert hat.“ Dabei hat sich Bernal schon vorher gern engagiert. Vor drei Jahren spielte er die Titeltrolle in „Das Verbrechen des Padre Amaro“. In seiner mexikanischen Heimat war dies der erfolgreichste einheimische Film aller Zeiten; zugleich machte er heftigen Skandal: Denn er zeigt Priester und die Verhältnisse der mexikanischen Provinz in keinem sehr günstigen Licht. Die Kirche griff ihn scharf an, sprach von „Blasphemie“. Da gab Bernal in öffentlichen Interviews klar Contra: „Ich liebe es, den Katholizismus zu kritisieren“, und zitierte Bunuel: „Gott sei Dank bin ich Atheist.“ Das brachte ihm teilweise böse Kritik ein – und viel Sympathie beim Publikum.

Frauen und manche Männer schwärmen wahlweise von Bernals braunen –oder schwarzen? oder doch graugrünen? – Augen, seinem breiten Lachen und seinem Strubbellook. Den Koproduzenten von „Das Leben des jungen Che“, Schauspielerlegende Robert Redford, freut diese Popularität: „Er wirkt wie ein zukünftiger Held.“ Dabei hatte Redford die Rolle ursprünglich mit dem Puertorikaner Benicio del Toro besetzen wollen, dem anderen weltweit beliebten lateinamerikanischen Darsteller und ernsthaften Konkurrenten für Bernal.

Filmemacher und Kritiker heben vor allem Bernals Wandlungsfähigkeit hervor, die er bereits in Filmen wie „Y tu mama tambien“ an den Tag legte, für den er vor drei Jahren in Venedig seinen ersten Preis erhielt, oder in „Amores Perros“ – beide Filme liefen auch in Deutschland mit Erfolg. Es ist eine ganz besondere Mischung aus Unsicherheit und Mut, die Bernals Wirkung ausmacht, eine Lässigkeit, die ihn in manchen Momenten so selbstsicher und dabei zerbrechlich wirken lässt wie den jungen Al Pacino, so unbekümmert wie Johnny Depp.

Aktuell ist Bernal mit seiner bisher mutigsten Rolle im Kino: In Pedro Almodovars „Schlechte Erziehung“ stöckelt er als Transvestit mit Lippenstift, langen Nägeln und Abendkleid als „homme fatale“ auf High Heels durch die Gegend.

Mancher mexikanische Darsteller hätte diesen Auftritt nicht gewagt – im Geburtsland des Machismo kommt man so schnell in den Verdacht, unmännlich, gar „weibisch“ zu sein. „In Frauenkleidung wird man viel besser behandelt,“ wimmelt Bernal ab, „ich will spannende Rollen, Entdeckungsreisen in neue Gefilde." Gerade indem Bernal unaufdringlich für ein Kino plädiert, das etwas zu sagen hat, in dem Unterhaltung und Relevanz kein Widerspruch sind, indem er selbst das Gegenteil der bodygebuildeten Retortenburschen Hollywoods darstellt, hat er das Zeug zum Superstar. Das Einzige, was bei Gael Garcia Bernal nicht perfekt ist, ist seine Körpergröße von 1,68 Metern. Aber auch in dieser Hinsicht gibt es große Vorbilder. Humphrey Bogart zum Beispiel.

Rüdiger Suchsland

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