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Charlotte Gainsbourg und Shia LaBeouf in Lars von Triers "Nymphomaniac".

© promo

Kunst, Krawall und Pornografie: Lars von Trier - die ersten Trailer von "Nymphomaniac"

Lars von Trier, Genie und Provokateur, veröffentlicht erste Trailer seines neuen Films „Nymphomaniac“. Sie enthalten explizite pornografische Darstellungen. Die Berlinale schweigt zu der Frage, ob sie sich um den Film bemüht hat. Sehen Sie einen Trailer hier.

Der dänische Regisseur Lars von Trier versteht es, seine Filme werbewirksam in die öffentliche Debatte zu drängen. Sein Opus Magnum „Melancholia“, vorgestellt auf dem Filmfestival in Cannes 2011, war schon Monate vor dem Start in aller Munde. Als er auf der Pressekonferenz in Cannes Verständnis für Hitler äußerte, löste er einen Eklat aus, in dessen Folge der Streifen zum Millionenerfolg wurde.

Sind die Sexszenen gedoubelt?

Auch sein neues Werk, das Ende Februar in deutschen Kinos anlaufen soll, führt bereits jetzt zu heftigen Diskussionen: Nicht vieles dringt an die Öffentlichkeit. Doch klar ist: Nach dem kontroversen Kabinettstück „Antichrist“ (2010), dessen grauenvoll-kongenialer Bilderreigen von bestialischen Sexszenen bis hin zur unverstellten Kastration reicht, scheint auch „Nymphomaniac“ erneut in das Schattenreich aus Sexualität, Gewalt und Obsession einzudringen. Immerhin deutet bereits die ähnliche Besetzung, darunter erneut mit dabei Triers Antichristpaar Charlotte Gainsbourg nebst William Defoe und als neuer Star in dessen Filmuniversum Uma Thurman, erste Parallelen an, die ebenso der jetzt ins Netz gestellte erste Trailer bestätigt: Es geht um Exzesse. Während Charlotte Gainsbourg sich den Peitschenhieben von Stellan Skarsgard ausliefert, später dann mechanisch einen Blowjob abfertigt, scheint sich Stacy Martin als verführerische Lolita in Szene zu setzen.

Nachdem bereits im September Ausschnitte aus dem ersten Kapitel im Netz gezeigt wurden, in denen das attraktive Jungtalent ein erstes unmoralisches Angebot erhält, baut der aktuelle Trailer erneut einen Mythos auf, der sich als Strategie aus Kalkül erweist. Sind die Sexbilder des internationalen Besetzungsstabes gedoubelt oder nicht? Welche Grenzen werden gesprengt?

Die Medien überschlagen sich und fischen doch im Trüben. Da kommt es Lars von Trier durchaus gelegen, dass Youtube-Trailer vom Netz genommen wurden, weil sie den Regeln widersprachen, die explizite Sexszenen verbieten. Eine bessere Werbung kann es kaum geben.

Bemerkenswert ist bei alledem, dass dem Enfant terrible nicht allein wegen der ungemein hochartifiziellen Konstruktion schon in den 90er Jahren der Durchbruch gelang. Vielmehr sind es gezielte neuralgische Punkte der Gesellschaft, die Trier, dessen letzte Filme allesamt als Debattenschlager in Cannes anliefen, immer wieder zu reizen wusste. "Pornografie als Selbstzweck" und "gezielte Racheorgien an Frauen" sind Vorwürfe, seit er „Die Idioten“ (1998) drehte.

Der Regisseur als genialer Vermarkter

In der Vermarktung des Letzteren zeigte sich schon die taktische Klugheit angelegt, die dann für das Gelingen seiner späteren Leinwanderfolge bürgen sollte. Rief er 1995 mit seinem Filmkollegen Thomas Vinterberg den neuen Naturalismus (Dogma 95) für das europäische Kino aus, waren die Erwartungen der Zuschauer groß. Obwohl „Idioten“ keineswegs zu seinen besten Filmen zählen mag, setzte er doch die Agenda konsequent um und trug zur Entwicklung einer sich stets selbst neu ins Rampenlicht setzenden Ikone Lars von Trier bei. Zu den offensichtlich geplanten Kampagnen gehört nicht zuletzt auch immer die strenge Balance zwischen Geheimhaltung und sukzessiver Informationsstreuung. Erste Bilder, dann skandalträchtige, aber inhaltlich nur vage konturierte Trailer und schließlich die an Narzissmus grenzende Selbstinszenierung des Regisseurs verhelfen auch wieder „Nymphomaniac“ vor dem Start zum Kultstatus.

Weil der Kunstfilmer außerstande sei, sein fünfeinhalbstündiges Epos selbst zu kürzen, muss es im nächsten Jahr daher als Zweiteiler anlaufen. Nach dem ersten Teil wird die Spannung wohl gehalten werden. Weiterhin schließt der Regisseur auch nicht aus, dass sein jüngstes Werk wieder in Cannes gezeigt werden könnte. Obwohl er dort zur Persona non grata erklärt wurde. Aber die Verantwortlichen in Cannes rudern bereits zurück. Seine Verbannung sei nur auf das damalige Festival begrenzt gewesen.

Die Berlinale verweigerte am Donnerstag eine Stellungnahme zu der Frage, ob sie sich schon um den Film bemüht hat oder das noch tun wird.

Wenn der Film auf einem Festival gezeigt würde, wäre das nicht schlecht. Unterließe der Regisseur diesmal unnötige Hitler-Gesten könnte vielleicht wirklich eine breite Debatte darüber entstehen, was wirklich hinter seinen intelligenten Arrangements stecken könnte. Jetzt ist aber schon klar: Es wird wieder schonungslos.

Björn Hayer

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